Krise auf dem Fasswein-Markt spitzt sich zu

Der Fasswein-Markt an der Mosel ist acht Wochen vor Beginn der Weinlese für die frühen Sorten fast zum Erliegen gekommen. Die Preise sind desolat. Zurzeit wird kaum Moselwein als Fassware gekauft. Dabei liegt noch ein großer Teil der 2008er Ernte in den Kellern.

Bernkastel-Kues/Cochem. Der Preis für Mosel-Qualitätsweine, die als Fassware an die Kellereien verkauft werden, ist so niedrig wie schon lange nicht mehr. Auf bis zu 70 Cent pro Liter ist der Preis gefallen. Es wurden auch bereits einzelne Verkäufe für 60 Cent getätigt. Anfang dieses Jahres lag der Preis noch bei 80 bis 85 Cent für Riesling-Qualitätsweine, ein Jahr zuvor wurden gar 1,50 Euro/Liter und mehr für Riesling-Qualitäten gezahlt. Es wird befürchtet, dass diese niedrigen Preise vor dem Herbst weiter unter Druck geraten, da in den Kellern noch große Mengen an Altbeständen aus dem Jahrgang 2008 liegen. Die Schätzungen schwanken zwischen 50 und 70 Prozent. Josef Kollmann, Weinkommissionär aus Detzem, berichtet, dass zurzeit kaum Nachfrage nach Moselwein besteht. Viele Kellereien hätten nach dem Preisanstieg vor über einem Jahr "die Mosel verlassen" und würden Rieslingweine verstärkt in Rheinhessen und der Pfalz einkaufen. Sein Kollege Egbert Philippi, Weinkommissionär aus Mehring, sagt: "Eine solch geringe Nachfrage seitens der Kellereien habe ich noch nicht erlebt."

Kellereien kaufen in Rheinhessen und der Pfalz



Das bestätigt auch Michael Willkomm, Chef der Bernkastel-Kueser Weinkellerei Peter Mertes. Rund drei Millionen Liter Moselwein habe seine Kellerei nach der Ernte 2008 gekauft. Für diese Menge gebe es Verträge mit Winzern. Für den Liter sei etwas mehr als ein Euro gezahlt worden. In "normalen Jahren", so Willkomm, kaufe seine Kellerei noch einmal rund zehn Millionen Liter auf dem freien Fasswein-Markt. In diesem Jahr sei diese Menge aber wesentlich geringer. Willkomm sieht eine wesentliche Ursache für den enormen Preisverfall: Nach dem Preissprung für Riesling-Fassweine auf über 1,50 Euro/Liter seien viele Großkunden auf preiswertere Weine aus Rheinhessen und der Pfalz umgestiegen. Dadurch sei der Erzeugermarkt an der Mosel fast zum Erliegen gekommen. Willkomm: "Wir können uns den Wünschen unserer Kunden nicht verschließen." Inzwischen hätten sich die Preise für Moselweine denen aus Rheinhessen und der Pfalz angeglichen. Er versuche, die Kunden wieder zum Moselwein zurückzuholen, dies sei aber sehr schwierig. Um die Keller vieler Moselwinzer vor dem Herbst leer zu bekommen, regt Willkomm an, diese Weine als Verarbeitungsweine zu vermarkten. Das sind einfachste Weine ohne jegliche Herkunftsbezeichnung, die zum Beispiel für Weinmixgetränke oder Schaumwein verwendet werden.

EU soll Fasswein-Winzern mit Subventionen helfen



Für diese Weine liegt der Preis noch deutlich unter den Preisen für Qualitätswein. Willkomm fordert daher eine finanzielle Unterstützung für die betroffenen Winzer von der EU. Willkomm: "Italien erhält pro Jahr 250 Millionen Euro für Marktbereinigungsmaßnahmen. Mit einem Bruchteil dieser Summe könnte den Moselwinzer in dieser prekären Situation schnell geholfen werden." Willkomm fordert daher den Weinbauverband und das Land auf, in Brüssel Druck zu machen.

Vertreter des Weinbauverbandes Mosel treffen sich noch in dieser Woche in Mainz mit Weinbauminister Hering, um über die Misere auf dem Fassweinmarkt zu beraten. Der Verband fordert unter anderem zinslose Steuerstundungen und Liquiditätskredite mit günstigem Zinssatz über die Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz.

Meinung

Ein langer und leidvoller Weg

Zu Beginn des vergangenen Jahres war die Welt der Fasswein-Winzer noch in Ordnung. Ja, es herrschte so etwas wie Euphorie. 1,50 Euro und mehr erhielten sie von den Kellereien für einen Liter Wein. Ein Preis, von dem man leben kann. Mosel-Riesling war so gefragt wie noch nie. Die Großvermarkter kauften, was zu bekommen war, um die Wünsche ihrer Kunden im In- und Ausland zu befriedigen. Diese Euphorie währte nur kurz, an ihrer Stelle ist Depression, ja fast schon Verzweiflung gerückt. Mitten im Sommer 2009 stehen die Zeichen auf Sturm. Der Fasswein kostet weniger als die Hälfte als vor eineinhalb Jahren, und es ist keine Besserung in Sicht. Im Gegenteil: Acht Wochen vor Lesebeginn der frühen Sorten müssen nicht wenige Winzer befürchten, dass sie ihre neue Ernte nicht unterbekommen. Viele Keller sind noch gut gefüllt mit 2008er Weinen, und die Kellereien kaufen zurzeit fast nichts. Was sind die Gründe für dieses Desaster? Zu schnell sei der Fassweinpreis an der Mosel vor zwei Jahren in die Höhe geschnellt, heißt es. Die Großkunden der Kellereien hätten deshalb wieder billigere Weine ähnlicher Qualitäten, vornehmlich aus Rheinhessen und der Pfalz, verlangt. Das stimmt. Dieses Spiel zeigt aber auch die ungeheure Marktmacht der großen Handelsketten und Discounter, allen voran Aldi. Die Milchbauern können ein Lied davon singen. Listet einer dieser Großabnehmer Moselwein aus, wirkt sich das bis in den Geldbeutel eines Fassweinwinzers aus. Der größte Teil des von den Kellereien gefüllten Fassweins ist Massenware. Und bei Massenware gilt ein Gesetz: Der Billigste macht das Geschäft. Aber die Mosel kann auf Dauer auf dem Markt der Massenweine nicht mithalten. Es geht nur über hohe Qualitätsanforderungen, Exklusivität und Angebotsverknappung. Das ist ein schwerer, leidvoller und langer Weg. Bis dahin werden noch einige Fasswein-Erzeuger aufgeben. w.simon@volksfreund.de

Extra: Vermarktungsformen Moselwein: Nach Schätzungen des Dienstleistungszentrums Ländlicher Raum (DLR) sieht die Aufteilung der vermarktenden Weinmengen an der Mosel wie folgt aus: Selbstvermarktung: 3200 Hektar (26 Millionen Liter); Genossenschaft/Erzeugergemeinschaften: 2000 Hektar (20 Millionen Liter); Vertragsweinbau: 700 Hektar (8 Millionen Liter); Freier Fassweinmarkt: 2800 Hektar (34 Millionen Liter).

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