Ohne mobile Pflege geht oft nichts mehr

Bernkastel-Wittlich · Wir werden älter - und brauchen Menschen, die sich um uns kümmern. Etwa 800 Menschen im Kreis werden derzeit von ambulanten Pflegediensten betreut. Tendenz: steigend.

Bernkastel-Wittlich. "Ich hab dich schon erwartet!", ruft eine freundliche Frauenstimme, als Monika Jussen die Haustür öffnet. "Ach Moni, du hast ja eine neue Frisur, man erkennt dich kaum wieder!" Die Altenpflegerin gehört schon fast zur Familie. Bei manchen Patienten ist sie nur ab und an zu Gast, bei anderen täglich. Für einige Menschen ist sie der einzige Ansprechpartner, der einzige Kontakt nach außen. Sie wird Zeugin von Familienproblemen, verständigt den Arzt, wenn es einem Patient schlechtgeht, tröstet sie, wenn sie weinen. Ein emotionaler Job.
Seit 21 Jahren arbeitet Monika Jussen in der Altenpflege, mittlerweile für die Caritas-Sozialstation Wittlich. Meistens im Frühdienst. Um 5.30 Uhr erwartet der erste Patient die 41-Jährige - sehnsüchtig, denn er leidet unter großen Schmerzen und kann meist erst schlafen, wenn Jussen sich um ihn gekümmert hat. "Er hat gar kein Zeitgefühl mehr", erklärt sie.
Etwa bis um 13 Uhr heißt es für die Pflegerin aus Großlittgen: von Ort zu Ort, von Patient zu Patient. Zehn sind es insgesamt an diesem Vormittag, die Jussen badet, denen sie die Verbände wechselt, und vieles mehr. Stress? Ja. "Aber wir nehmen uns trotzdem Zeit für die Menschen. Die von den Krankenkassen vorgeschriebenen Zeiten sind oft nicht einzuhalten." Die Gespräche reichen von Gesundheitstipps bis hin zur letzten Familienfeier. "Manchmal wollen die Leute einfach nur reden, und das steht ihnen auch zu." Im Laufe der Zeit lernt man sich gut kennen. Maria und Herbert Koller aus Hasborn zum Beispiel, wo Jussen zweimal in der Woche vorbeischaut und sich um den 72-jährigen Bypass-Patienten kümmert. "Das ist so ein süßes Paar", sagt Jussen und freut sich über das Kompliment zur neuen Frisur.
Danach geht es zu Helene Al brecht (90) aus Willwerscheid, die mittlerweile erblindet ist und neben ihrer Familie seit Jahren von Jussen versorgt wird. "Es ist schwer. Aber Moni richtet mich immer wieder auf."
Doch es gibt auch schwere Fälle. Menschen, die unter Alzheimer leiden und um sich schlagen. Psychisch Kranke, die sich nur von bestimmten Pflegerinnen helfen lassen und sensibel auf jede Veränderung reagieren. Todkranke, die nur noch kurze Zeit zu leben haben und leiden.
Die Caritas ist einer von 16 ambulanten Pflegediensten mit 347 Beschäftigten im Kreis Bernkastel-Wittlich - das ist nach Angaben des Statistischen Landesamtes zumindest der Stand von 2009, aktuellere Zahlen liegen dort nicht vor. Diese Einrichtungen kümmern sich um 755 pflegebedürftige Menschen. 833 Senioren und damit die Mehrheit der Betroffenen aber wird in den 14 stationären Pflegeheimen betreut.
Und der Bedarf steigt. Nach Berechnungen des Statistischen Landesamts sind 2020 im Kreis Bernkastel-Wittlich 3400 Einwohner pflegebedürftig. 2050 sollen es nochmal 2100 Bürger mehr sein, also 5500. 1200 Menschen müssten demnach ambulant und 1800 stationär versorgt werden. Das sind jeweils etwa zwei Drittel mehr als 2020. Und das ist noch optimistisch berechnet, denn der Bedarf steigt schneller, als es die Berechungen voraussagen. Das Statistische Landesamt hatte ausgerechnet, dass 2020 720 Bernkastel-Wittlicher ambulant betreut werden müssen. Doch schon jetzt sind es mehr. Dieser Bedarf ist aus Sicht von Christiane Klar, Leiterin der Caritas-Sozialstation in Wittlich, in Zukunft nur zu decken, wenn sich der Fachkräftemangel in diesem Bereich nicht weiter verschärft - und sich genügend engagierte Pflegerinnen wie Monika Jussen finden.

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