Gewerbe „Salvas Flotte Kugel“: Wie Eisverkäufer die Krise meistern

Großlittgen · Salvatore Augello produziert seit vier Jahren Eis. Heute gibt es seine hausgemachte Eiscreme fast überall in der Region. Im Gespräch mit dem Volksfreund erzählt er von seinem langen Weg dahin und davon, wie er die Coronakrise meistert.

 Ist mit seinem Eiswagen auf Erfolgskurs: Salvatore Augello aus Großlittgen.

Ist mit seinem Eiswagen auf Erfolgskurs: Salvatore Augello aus Großlittgen.

Foto: TV/Florian Görres

Zu Besuch bei Salvatore Augello: Er hält gerade das Handy ans Ohr. Es geht um die Verpackung des nächsten Produkts, die Deklaration, also die Angaben von Inhaltsstoffen mit Hervorhebung bestimmter Stoffe. Die Deklaration muss stimmen, sonst macht das Gesundheitsamt Ärger. Also kümmert sich der Chef selbst darum. Er weiß schließlich am besten, was in seinem Produkt drinsteckt.

Salvatore Augello (40), er stellt sich als Salva vor, ist Eigentümer des regionalen Eis-Unternehmens „Salvas Flotte Kugel“, das in den vergangenen Jahren ein beeindruckendes Wachstum hingelegt hat. Vor dem Interview gibt es eine Führung durch seine heiligen Hallen: Durch die Büroräume geht es ins Eislabor.

 Zunächst präsentiert der Inhaber seine vier Eismaschinen. Drei sind von einer italienischen Marke. „Der Mercedes unter den Eismaschinen“, sagt Augello stolz. Die vierte Maschine stammt von einem deutschen Hersteller. Ansonsten finden sich im Raum vor allem Kühltruhen mit Eis in verschiedenen Geschmacksrichtungen sowie eine Station, an der Angestellte die kühle Leckerei in Becher verpacken. Fürs Interview geht’s dann zurück ins Büro.

In der Geschichte von „Salvas Flotte Kugel“ spielt die Familie eine große Rolle. Denn Augello stammt selbst aus einer Gastronomenfamilie, seine Eltern führten ein Restaurant mit Eisdiele in Idstein im Taunus. Dort hat er schon früh gelernt, Eis zu machen, und es hat ihm immer Spaß gemacht. „Ich stamme aus einer Eisfamilie“, erinnert er sich. Die Familie hatte dann im Jahr 2000 das Eiscafé Mohr in Wittlich für eine Weile übernommen, seine Eltern zog es aber wieder zurück nach Hessen. Augello jedoch blieb, er hatte seine zukünftige Frau Julia kennengelernt, die beiden sind mittlerwile verheiratet und haben zwei Kinder, sechs und elf Jahre alt.

2008 kauft Augello eine Pizzeria in Großlittgen und führt sie unter dem Namen „Salvas Flotte Pizza“. Doch ausgerechnet seine Schwiegermutter legt den Grundstein für einen Produktwechsel. Sie kennt seine Leidenschaft fürs Eismachen und hatte 2016 die Idee, ein Eisunternehmen zu gründen.

 Augello macht mit und holt noch seinen besten Freund ins Boot. Die erste Ausrüstung wurde gebraucht in Frankfurt gekauft. 9000 Euro für einen Eisbus und eine Eismaschine, das erste 18 Quadratmeter große Eislabor.

Es wirkt, als könne er selbst nicht glauben, was heute daraus geworden ist. Als er erzählt, wie sie am ersten Tag mit 17 Euro Umsatz nach acht Stunden nach Hause kamen und wie die Leute geguckt haben, als da plötzlich ein Eiswagen mit lauter italienischer Musik durch die Dörfer im Wittlicher Land fuhr, schmunzelt er.

Heute ist Augello selbst kaum noch beim Verkauf anzutreffen. Er findet das schade, aber er hat genug zu tun, denn er führt inzwischen ein Unternehmen mit 19 Mitarbeitern, allein acht Fahrer lenken die mittlerweile vier Fahrzeuge umfassende Eisbusflotte durch die Dörfer. Bis dahin war es ein weiter Weg:

Schon im ersten Jahr fängt Salvas Flotte Kugel auch an, Lokale und Hotels mit Eis zu beliefern, das Unternehmen wächst stetig, bis es sowohl der Schwiegermutter, als auch dem besten Freund 2017 zu viel wird. Beide steigen aus, dafür wird der Werbeverkäufer und gelernte Koch Claus Keller neuer Partner. Noch fahren die beiden die Busse selbst, im Folgejahr wird ein neues Eislabor in Großlittgen eingerichtet, die Pizzeria zieht mit um, es werden die ersten Mitarbeiter eingestellt.

Aber die beiden wollen noch weiter wachsen. Nächstes Ziel sind die Tiefkühlregale der Region. Die Verpackung der fertig abgefüllten Becher, die an Haushalte verkauft werden sollen, sind zunächst nicht ausreichend beschriftet, das Gesundheitsamt schreitet ein. Das zu meistern wird eine Familienaufgabe. Augellos Frau hat Ernährungswissenschaften studiert, die Schwägerin ist Lebensmitteltechnikerin. Gemeinsam entwickeln sie schließlich Etiketten mit den erforderlichen Bezeichnungen. Zu Beginn müssen die noch in Handarbeit geklebt werden.

Claus Keller ist derweil nicht untätig, er hat bereits zahlreiche Gespräche geführt um „Salvas Flotte Becher“ im regionalen Einzelhandel zu platzieren. Immer in Rücksprache mit dem Partner, der die Herstellungskapazitäten im Blick hat. Sie wollen kein zu schnelles Wachstum, sondern ihre Firma stetig aufbauen.

Der Erfolg gibt ihnen Recht. Heute gibt es für den Eisbus eine eigene App mit mehr als 8700 Downloads, auf Facebook haben mehr als 3000 Menschen auf „Gefällt mir“ geklickt – auch weil Augello weiß, wie er sich inszenieren muss. „Ich bin für viele Kinder wie der Ronaldo im Fußball“, sagt er und erzählt, dass er manchmal sogar beim Einkaufen von Kindern erkannt wird. Sein Gesicht kennt man von den zahlreichen Facebook-Videos, bei denen es nicht selten auch etwas zu gewinnen gibt.

Sein wahrscheinlich größter Coup bisher: Als das Coronavirus dafür sorgte, dass die Kinder nicht in die Schule gehen konnten und auch der Eisbus nicht fahren durfte, veranstaltete er einen Mal- und Bastelwettbewerb mit  mehr als 500 Teilnehmern. Am Ende erhielten vier Kinder als Gewinner ihrer Altersklassen eine goldene Eisbuskarte, Augello überreichte sie persönlich. Mit dieser Karte erhalten die Kinder in der gesamten Saison 2020 kostenloses Eis am Eisbus.

Zwei der Kunstwerke hängen auch im Büro, Augello fühlt sich verbunden mit den Menschen in der Region. Das lässt sich an Details festmachen, zum Beispiel, dass er die Eisbusse während der Schulzeit nicht zulange fahren lässt, damit die Kinder rechtzeitig schlafen gehen.

 Bei den Zutaten denkt er regional: Diesen Winter soll eine Anlage gebaut werden, damit er die Milch des benachbarten Bauernhofs direkt nutzen kann, die Marmelade, die in rauen Mengen für die Eisherstellung gebraucht wird, bezieht er von einer lokalen Bäckerei.

Während er die Geschichte des Unternehmens erzählt, erwähnt er immer wieder Namen von Firmen und Einzelpersonen, die ihm geholfen und mit ihm kooperiert haben. Er ist dankbar für die Zusammenarbeit. Als durch Corona bedingt die von ihm belieferten Restaurants und Hotels schlossen, öffneten sich ihm mehr Einzelhandelsläden, er platzierte sein Eis im ersten Supermarkt und konnte so die Verluste eindämmen.

In seinem Eislabor produziert Augello nach eigenen Angaben wöchentlich bis zu zwei Tonnen Eis, innerhalb der nächsten zwei Jahre will er das verdoppeln. Er sieht sich nach wie vor hauptsächlich als Macher des Eises und Entwickler neuer Sorten. Nur ein Angestellter kennt seine Rezepturen.

Das nächste Kapitel hängt aber auch wieder mit Augellos Familie zusammen: In seinem alten Zuhause im Taunus fährt seit Kurzem auch sein Bruder einen Eisbus: „Salvas Flotte Kugel Hessen“ wird noch aus Großlittgen beliefert, auf lange Sicht soll aber auch dort ein Eislabor entstehen.

 Im Eislabor in Großlittgen lagern die Zutaten und das fertige Eis.

Im Eislabor in Großlittgen lagern die Zutaten und das fertige Eis.

Foto: TV/Florian Görres

Innerhalb von vier Jahren ist aus einem einzigen Eisbus ein wachsendes Unternehmen geworden, das sich in der Region etabliert hat. Die Pizzeria betreibt Augello nicht mehr, er hat sie verpachtet. So habe er mehr Zeit für seine Familie, sagt Augello und lehnt sich zufrieden in seinem Stuhl zurück.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort