Ein anderer Blick auf Wittlich Ein Luftsprung und das Wittlicher Meer – Fotoprojekt zeigt Perspektiven der Stadt

Wittlich · Viele Perspektiven, eine Stadt: Interkulturelles Fotoprojekt in der Stadt Wittlich läuft noch bis 5. Juli.

 Die neunjährige Louisa macht beim Waldspaziergang einen Luftsprung. Sie lässt sich trotz Corona die Lebensfreude nicht nehmen, sagt die Mutter und Fotografin.

Die neunjährige Louisa macht beim Waldspaziergang einen Luftsprung. Sie lässt sich trotz Corona die Lebensfreude nicht nehmen, sagt die Mutter und Fotografin.

Foto: Deutscher Kinderschutzbund/Anonym

Ein Foto in Knallfarben. Ein Mann mit gelben T-Shirt und lila Schürze bietet auf der Kirmes Zuckerwatte an. Oder: die Römische Villa in Wittlich im Hintergrund, im Vordergrund die Autobahnbrücke mit viel Beton und in Farbe getaucht, im Vordergrund Grafitti. Oder: ein Kind im Wald, das einen Luftsprung macht. Ein Foto, das nur so strotzt vor Lebensfreude. Drei Darstellungen unterschiedlichste Motive, unterschiedliche Fotografen.

Was die Fotos eint: Sie haben alle etwas mit Wittlich zu tun, und ihre Urheber nehmen teil an einem interkulturellen Fotoprojekt „Deine Perspektive zählt“ vom Kinderschutzbund Bernkastel-Wittlich in Zusammenarbeit mit der Stadt Wittlich. „Wir erwarten uns neben einem neuen, anderen Blick auf Wittlich auch viele Informationen der Bürger über ihre Sicht auf Wittlich“, sagt Michaele Schneider, Geschäftsführerin des Kinderschutzbundes Bernkastel-Wittlich. Den Menschen in der Region eröffnet es die Möglichkeit, ihre ganz individuelle Sicht auf Wittlich mit einem beziehungsweise maximal fünf Foto auszudrücken und auch die Blickwinkel anderer kennenzulernen. Die Motive sind nicht festgelegt. Es können Landschaften, Stadtansichten, Menschen und Situationen sein, mit denen die Teilnehmer etwas verbinden. Lieblingsmotive kann Katharina Raskob, die das Projekt federführend betreut, derzeit nicht ausmachen. Der Rücklauf sei „recht divers“. Aber es sei ja auch die „Idee, die Diversität zu zeigen“.

Wichtig ist den Verantwortlichen des Projektes, dass Menschen aller Generationen und Kulturen ermutigt werden, ihre Erfahrungen, Emotionen und Visionen abzubilden und später auch in einem Interview aus zudrücken. Die Fotografie ist der Mittelpunkt des Projektes. Das Angebot ist niederschwellig. Das heißt, es gibt kaum Hürden zu überwinden.

„Viele Menschen haben Handys und fotografieren mit ihnen, auch das Hochladen auf der Internetseite www.fuer-wittlich.de ist einfach“, sagt Raskob weiter. Und wer sich sprachlich nicht so gut ausdrücken kann, der hat mit Fotos womöglich keine Probleme. Beim Blick auf die Homepage haben die Teilnehmer auch die Möglichkeit, die Blickwinkel anderer kennenzulernen. Und Vorurteile abzubauen. „Wir teilen einen Lebensraum, und wissen oft doch so wenig über die Perspektiven der anderen. Die Perspektiven anderer kennenzulernen, beinhaltet die Chance, Bilder, die in unseren Köpfen entstanden sind, zu überdenken“, erläutert die 33-jährige Mutter von zwei Kindern.

In der Corona-Zeit ist es nicht so einfach, eine solche Aktion zu bewerben, bedauert die Projektleiterin. Und: Die Aktion könnte noch „etwas mehr in Schwung kommen“,  wünscht sich Raskob. Weitere Beiträge sind also sehr erwünscht.

Neben der Fotografie bietet das Projekt die Chance zum persönlichen Interview. Dabei können die Teilnehmer die Geschichten hinter ihren Fotos erzählen. „Es ist mir sehr wichtig, dass die Bilder nicht losgelöst werden von dem, was die Fotografen sich dabei gedacht haben“, sagt die Kultur- und Sozialanthropologin weiter. Diese Texte werden dann in der Galerie auf der  Internetseite den Fotos zugeordnet. Die Beiträge sind nach Angaben der Projektleiterin auch in den sozialen Medien Facebook und Instagram zu sehen. Die Erläuterungen der Fotografen machen das Projekt erst rund. Zum Beispiel schreibt die anonyme Fotografin des Zuckerwatte-Verkäufers: „Das ist der Kirmesmann. Der ist schon relativ alt. Wo es die Zuckerwatte immer gibt. Und für mich als Kind war Zuckerwatte auf der Wittlicher Kirmes der Traum. Da habe ich immer drauf gefiebert, und da muss ich jedes Jahr dran vorbeigehen. Jetzt sind meine Enkel soweit, dass die sagen: Boah, wir gehen zum Zuckerwatten-Mann. Das ist einfach so: Das ist praktisch eine Tradition unserer Familie geworden – da jetzt mit meinen Enkelchen hinzugehen.“

Noch ein Beispiel gefällig: Ein Mutter von zwei Kindern, die ebenfalls anonym bleiben will, schreibt über ein Foto von der Lieser. „Wir haben diese Stelle zu unserem Meer erkoren. Wir wollten eigentlich an die Nordsee fahren an Ostern. Weil das nicht funktioniert hat, haben wir uns hier schöne Stellen ausgesucht.“ Sie sagen: Das ist unser Meer von Wittlich.“ Damit eben auch ein bisschen Urlaubsflair entsteht.

Das Projekt schließt mit einer Wanderausstellung. Diese zeigt ausgewählte Beiträge voraussichtlich im neuen Kino-Palast, in der Casa Tony M. sowie im Job-Center in Wittlich. So war es jedenfalls geplant. Denn wegen der Corona-Pandemie können die Pläne nicht eins zu eins verwirklicht werden.

„Es sollen noch Gespräche mit dem Kino-Betreiber geführt werden“, sagt Katharina Raskob. Andere Bausteine – wie geplante Fotodialoge auf freiwilliger Basis in Mehrgenerationenhaus, bei denen Teilnehmer sich über ihre Perspektiven austauschen sollten, oder eine Foto-Wanderung – mussten ausfallen. Und auch die Werbung für das interkulturelle Vorhaben konnte nicht so effektiv ausfallen wie geplant. Die Interviews konnten zudem nur telefonisch gemacht werden. Deshalb wurde der Redaktionsschluss verlängert bis zum 5. Juli. Mitmachen kann jeder. Es gibt keine Alters- oder sonstige Ausschlusskriterien, außer: „Man muss eine Beziehung zu Wittlich haben.“

Doch Raskob kann der Situation auch etwas Positives abgewinnen. Denn gerade in der Zeit, wo Kontaktmöglichkeiten eingeschränkt waren und teilweise noch sind, gibt es mit dem Projekt eine weitere Form, sich auszudrücken und auch auf diese Weise Kontakt zu anderen aufzunehmen, sagt sie weiter.

Die Gewinner des an das Fotoprojekt angeschlossenen Wettbewerbs können interessante Preise gewinnen, etwa einen Motorsegelflug über Wittlich oder einen Foto-Workshop. Entscheidend ist laut Raskob nicht die Fotoqualität, sondern das, was die Menschen mit dem Foto ausdrücken.

Ins Leben gerufen wurde das Projekt im Mehrgenerationenhaus in Wittlich. Es wird vom Kinderschutzbund Bernkastel-Wittlich getragen und von Bund, Land und Kommune gefördert. Realisiert wird das Projekt in Zusammenarbeit mit der Stadt Wittlich und der Stiftung der Stadt.

 Foto: Anonym - Deutscher Kinderschutzbund

Foto: Anonym - Deutscher Kinderschutzbund

Foto: Deutscher Kinderschutzbund/Anonym

Wer mitmachen will, kann seine Fotos auf der Internet-Seite www.fuer-wittlich.de hochladen. Weitere Informationen gibt es dort auch.

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