Justiz Hauptzeuge fehlt und Angeklagter weist alle Vorwürfe zurück

Wittlich · Prozess mit Haken und Ösen vor dem Schöffengericht Wittlich: Einem 30-Jährigen wird räuberische Erpressung vorgeworfen.

Textnachrichten per Mobiltelefon spielen im Prozess vor dem Schöffengericht Wittlich eine Rolle.

Textnachrichten per Mobiltelefon spielen im Prozess vor dem Schöffengericht Wittlich eine Rolle.

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Nach dem Sachverhalt scheint es für das Wittlicher Schöffengericht ein klarer, einfacher Fall zu werden. Doch das ist ein Irrtum. Angeklagt ist ein 30-jähriger Trierer, dem Staatsanwalt Christian Schmidt räuberische Erpressung zur Last legt. Dazu die Anklageschrift: Am 27. Dezember 2020 soll der Angeklagte H. den Geschädigten P. über eine WhatsApp-Nachricht aufgefordert haben, ihm 10.000 Euro zu zahlen, ansonsten könne es bei seiner Familie „mal brennen“ oder „an den Autos der Eltern könnten mal Bremsleitungen durchtrennt sein“. Auch soll der Angeklagte den Geschädigten gedroht haben, ihm „Mitglieder der Hells Angels mit ihrem Spielzeug vorbeizuschicken“, wenn er nicht zahle.

In der Folge sei es dem Geschädigten gelungen, den Betrag auf 1000 Euro herunterzuhandeln. Gezahlt habe P. in höchster Angst 500 Euro und dann wohl nochmals 200 Euro. Angeklagter H. und P., der im Prozess als Nebenkläger auftritt, kannten sich als Arbeitskollegen. Laut Anklage habe anfangs ein eher freundschaftliches Verhältnis bestanden, bis der Angeklagte zu der Vermutung gekommen sei, dass Kollege P. über Geld verfügen könnte.

H. ist gesundheitlich stark angeschlagen. Fast taub sieht er in nicht allzu ferner Zeit einer Kopfoperation entgegen. Der Prozessverlauf wird ihm simultan auf einem Rechnerbildschirm mitgeschrieben.

Verteidiger Sven Collet (Trier) erklärt dann, dass sich sein Mandant zu Person und Sache einlassen wolle. Doch auf der Gegenseite hakt es: Rechtsanwalt Bernd Hoffmann (Daun) erklärt als Vertreter der Nebenklage, dass sich sein Mandant P. aus gesundheitlichen Gründen entschuldigen lasse. Doch P. ist als vermutlich Geschädigter gleichzeitig der wichtigste Zeuge. Vergebens versucht Anwalt Hoffmann, den Nebenkläger doch noch herbei zu telefonieren.

Danach befragt die Vorsitzende Richterin Köhler den Angeklagten zur Person. Das geht bei H. kurz und bündig: Ledig, keine Kinder, mit Freundin zusammenlebend, rund 10.000 Euro Schulden. Er ist bei der Mutter in Trier aufgewachsen, mehrere Geschwister, Hauptschule ohne Abschluss, keine Berufsausbildung, stattdessen bei verschiedenen Arbeitgebern gejobbt, zuletzt als Maschinenführer in einem Lager. Mit Alkohol habe er nichts zu tun und auch nichts mit Drogen.

Schließlich geht es zur Sache. „Stimmt das so, wie es in der Anklage steht?“, fragt ihn die Richterin. Die Antwort: „Der Vorwurf ist komplett absurd.“ Ob er die 500 Euro oder andere Beträge erhalten habe. Antwort: „Nee!“. Er habe P. auch nicht auf WhatsApp bedroht, denn das hätte die Polizei doch auf seinem Handy gefunden. Die auf P‘s. Handy bei der Drohnachricht gefundene Mobilnummer sei auch gar nicht seine. Alle Aufzeichnungen auf diesem Handy stammten nicht von ihm. Tatsächlich werden die Mobilfunknummern auf beiden Handys im weiteren Verlauf immer wieder zur Sprache kommen. Und der Angeklagte bleibt dabei: „Diese Nachrichten auf P‘s. Handy können nicht von mir stammen. Ich habe ihn nie bedroht. Was soll ich denn noch sagen. Ich habe das alles nicht geschrieben.“

Das Verhältnis zum Arbeitskollegen P. schildert er differenziert – eigentlich gut, aber mit Kanten. Geld? Ja, man habe sich gegenseitig mal mit 50 Euro ausgeholfen. H.: „Er hat sogar angeboten, meinen Führerschein zu bezahlen. Ich wollte das nicht.“ Entschieden weist er auch eine protokollierte Behauptung von P. zurück, dass er in Gerolstein Koks (Kokain) zum eigenen Konsum erworben habe. Die wenigen Gramm Cannabis, die man bei der Durchsuchung seiner Wohnung gefunden habe, seien gegen seine ständigen Kopfschmerzen gewesen. So habe er es auch dem Polizeisuchhundeführer erklärt. (Anmerkung: Der steht als Zeuge noch nicht zur Verfügung.) Und dessen Kollege kann sich als Zeuge daran nicht erinnern. Er bestätigt aber, das die besagte Mobilnummer der WhatsApp-Nachricht nicht mit der Handynummer des Angeklagten übereinstimme.

Ein guter Bekannter des Nebenklägers erklärt, dass P. sich am 27. Dezember 2020 wegen der Drohungen völlig verängstigt an ihn gewandt und er daraufhin die Polizei verständigt habe. Der Zeuge: „Man muss auch sagen, dass P. geistig nicht ganz auf der Höhe ist und er sich schnell einschüchtern lässt.“

Danach steht fest, dass man hier ohne den Nebenkläger P. als Zeugen nicht weiterkommt. Das Verfahren wird auf den 15. März, 11.30 Uhr, vertagt.

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