Zwei Monate unschuldig in Untersuchungshaft - Amtsgericht Wittlich spricht 57-Jährigen frei

Wittlich · Verkauft ein Erwachsener einem Minderjährigen Rauschgift, gilt das als Verbrechen. Das hat ein 57-Jähriger aber nicht begangen, denn der Abnehmer versicherte glaubhaft, ihn nie gesehen zu haben. Teuer könnte der Fall , der im Wittlicher Amtsgericht verhandelt wurde, noch für die Frau werden, die das Verfahren ins Rollen brachte. Der Staatsanwalt wird wegen falscher Verdächtigung gegen sie ermitteln.

 So kann Drogenhandel zwischen Dealer und Abnehmer aussehen. Im aktuellen Fall war der Beschuldigte aber gar nicht vor Ort.

So kann Drogenhandel zwischen Dealer und Abnehmer aussehen. Im aktuellen Fall war der Beschuldigte aber gar nicht vor Ort.

Foto: Klaus Kimmling

So ein Prozess gehört im Wittlicher Amtsgericht nicht zum Alltag. Der Beschuldigte wird mit Handfesseln vorgeführt, etwa zehn Zeugen sind geladen, und Saal 1 ist an diesem Tag nur für diesen Fall reserviert.

Es könnte ein langer Tag werden. Dem 57 Jahre alten Angeklagten wird vorgeworfen, im Jahr 2012 eine geringe Menge Rauschgift an einen Minderjährigen aus Wittlich verkauft zu haben. So etwas wird in der Rechtsprechung als Verbrechen behandelt. Doch schon nach 45 Minuten ist der Saal wieder frei. "Der Mann war es nicht. Ich habe ihn noch nie gesehen", antwortet der als Zeuge geladene Drogenabnehmer auf die Frage von Richter Stefan Ehses.

Leichte Verwirrung im Saal, obwohl der aus Münster in Westfalen stammende Angeklagte vorher gesagt hatte, dass er 2012 überhaupt nicht in Wittlich gewesen sei. Dafür hat er offenbar auch Zeugen, die extra aus Münster angereist sind. Er selbst sei nur einmal in Wittlich gewesen und zwar im Jahr 2011.

Aufklärung erhoffen sich Schöffengericht und Staatsanwalt Wolfgang Barrot von der Frau, die das Verfahren ins Rollen brachte und bei den Ermittlungen den Beschuldigten als Verkäufer der Drogen nannte. Sie ist die ehemalige Schwägerin des 57-Jährigen und bei ihr wohnt der 17-Jährige.

Doch auch ihr Auftritt ist kurz, denn sie verweigert die Aussage. "Dass die Zeugin schweigt, kann ich nicht nachvollziehen, denn der Name des Angeklagten ist eindeutig von ihr genannt worden und steht in den Akten", sagt der Staatsanwalt. Der junge Mann hatte keinen Namen genannt, leugnet den Drogenkauf allerdings nicht. Den Dealer kenne er aber nicht.

Der Angeklagte kann sich die Beschuldigung nur so erklären: Er vermutet eine Retourkutsche, denn er habe in einem Prozess gegen den Lebensgefährten der Frau ausgesagt.

Dem Richter und seinen beiden Schöffen bleibt nur eines: Der Angeklagte wird freigesprochen, der Haftbefehl aufgehoben. In Kraft trat er, weil der Mann keinen festen Wohnsitz vorweisen konnte und auch schon mehrfach vorbestraft ist - allerdings nicht wegen Vergehen mit Betäubungsmitteln. Nach Angaben seines Pflichtverteidigers, Winfried Schabio, steht ihm eine Entschädigung von etwa 3,50 Euro pro Tag zu. "Es tut uns leid, dass sie unschuldig gesessen haben", sagt Richter Ehses.

Noch nicht ausgestanden ist der Fall für die Frau, die die Aussage verweigert hat. Staatsanwalt Barrot kündigt ein Verfahren wegen "falscher Verdächtigung" an. Denn die habe dazu geführt, dass der Mann in U-Haft musste.

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