Bund stellt sich bei Obst für Schüler quer

Das Schulobst-Programm der EU lässt sich in Deutschland offenbar nicht realisieren. Die Bundesregierung weigert sich, das EU-Projekt, das Schüler mit kostenlosem Obst und Gemüse versorgen soll, finanziell zu unterstützen.

Berlin. Der Sinn des europäischen Schulobst-Programms ist schnell beschrieben: Verteilt man Obst und Gemüse an die Schüler, ist das gesund und hilft den Bauern, weil der Absatz solcher Produkte rückläufig ist. Vor zwei Wochen verabschiedete der Bundesrat daher einen Gesetzentwurf, wonach sich auch Deutschland an dem Projekt möglichst bald beteiligen soll. Doch die Umsetzung des Programms in den Ländern könnte scheitern: Nach Informationen unserer Zeitung weigert sich die Bundesregierung strikt, die Ausgabe von Äpfeln, Bananen, Paprika, Tomaten oder anderen Vitaminträgern finanziell zu unterstützen. Das geht aus einer Stellungnahme der Regierung zum Vorhaben der Länder hervor.

Die Agrarminister der EU hatten im November vergangenen Jahres das Schulobst-Programm beschlossen. 90 Millionen Euro will die EU jedes Jahr dafür ausgeben. Für Deutschland stehen 12,5 Millionen Euro bereit, die aber mit einem Betrag in gleicher Höhe kofinanziert werden müssen. Nach dem Wunsch der Länder soll das die Bundesregierung übernehmen. Der schon länger tobende Streit um die Finanzierung hat inzwischen dazu geführt, dass die ursprüngliche Umsetzung des Programms mit Beginn des neuen Schuljahrs nicht mehr zu halten ist. Zumal die EU außerdem eine Aufklärungskampagne verlangt. Neben der Absatzförderung von Obst- und Gemüse hoffen Ernährungsexperten vor allem auf eine bessere Gesundheit der Kinder. Studien zeigen, dass in Deutschland mehr als 50 Prozent der Kinder und Jugendlichen weniger als die Hälfte der empfohlenen Tagesmenge an Obst und Gemüse verzehren. Das gilt besonders für den Nachwuchs aus sozial benachteiligten Familien.

Bundesländer könnten Eltern finanziell beteiligen



Noch vor wenigen Tagen hatte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) betont: "Ich begrüße es sehr, dass gesunde Ernährung mit diesem Programm verstärkt in Bildungseinrichtungen angeboten werden kann." Doch beim Geld hört das Engagement offenbar auf: Aus Sicht der Regierung sind allein die Länder gefordert, die notwendige Kofinanzierung zu leisten. Da die EU es ihren Mitgliedsstaaten freistelle, das Schulobst-Programm durchzuführen, bleibe es auch den Bundesländern überlassen, ob sie daran teilnehmen wollten.

In Deutschland gibt es laut Statistischem Bundesamt 9,7 Millionen Schüler, allein drei Millionen an den Grundschulen. Die zwölf Millionen Euro der EU würden also nicht reichen, wenn man jedem Kind ein Stück Obst am Tag geben will. Die Länderminister berufen sich auf ihre desolate Haushaltslage und darauf, dass es auch um Absatzförderung für die Landwirtschaft und Marktstützung gehe, der Bund daher in der Pflicht stehe, die Mittel aufzustocken. Aus Kreisen der Länder hieß es, dass auch der Bundestag das Thema noch debattieren werde. Ein Nein zur finanziellen Beteiligung bedeute nicht automatisch das Aus für das Programm: Jedes Land könne dann entscheiden, ob es "eine privatwirtschaftliche Kofinanzierung anstrebt" - sprich die Beteiligung von Eltern.

Meinung

Anspruch und Wirklichkeit

Nun lässt sich schön polemisch sagen: Für alles Mögliche ist in diesen Krisenzeiten Geld da oder werden Schulden gemacht, nur schlappe 12,5 Millionen Euro will die Bundesregierung nicht bereitstellen, damit die Länder sich am EU-Schulobst-Programm beteiligen können. Polemik hin oder her, eine Regierung, die sich regelmäßig selbst damit preist, wie wichtig ihr doch die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen ist und die nationale Aktionspläne gegen Übergewicht und für gesunde Ernährung auf den Weg bringt, muss sich diesen Vorwurf gefallen lassen. Denn zwischen Anspruch und Wirklichkeit scheint dann doch eine große Lücke zu klaffen. Es ist kein Geheimnis, dass Kinder und Jugendliche in Deutschland viel zu wenig Obst und Gemüse essen, sie werden immer dicker, sie ernähren sich falsch oder werden von ihren Eltern falsch ernährt. Das Schulobst-Programm wird das Problem nicht grundsätzlich lösen, aber es ist ein sinnvoller Beitrag, Kinder für gesunde Ernährung zu sensibilisieren, vielleicht sogar so manche Eltern. Denn Fakt ist: Wer früh daran gewöhnt wird, wird auch seine dauerhaften Ernährungsgewohnheiten entsprechend ausrichten. nachrichten.red@volksfreund.de

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