Die A 1, die Ahr und das Haselhuhn

Mainz · Die einen scharren mit den Hufen, die anderen prüfen alles akribisch: SPD und Grüne suchen seit Monaten in internen Arbeitskreisen nach einer Lösung für das Verkehrsprojekt A-1-Lückenschluss. Die politische Entscheidung fällt bald auf oberster Ebene zwischen den Koalitionsspitzen.

Mainz. Wer sich bei Politikern von SPD und Grünen nach dem Stand der Dinge in Sachen A 1 erkundigt, stößt auf eine Mauer des Schweigens. Man erfährt nur von laufenden Gesprächen, Beratungen und Diskussionen auf Fachebene. Die beiden Koalitionspartner haben sich darauf verständigt, in dieser überaus heiklen Angelegenheit vor einer internen Einigung nichts zu sagen. Der zuständige Verkehrsminister Roger Lewentz weilt im Urlaub.
Der Grund für die Verschwiegenheit: Verkehrsprojekte sind generell dazu geeignet, den nach außen sorgsam gepflegten und demonstrierten Koalitionsfrieden auf die Probe zu stellen. Das war schon während der Koalitionsverhandlungen beim Hochmoselübergang und bei der Mittelrheinbrücke so. Dabei hat man sich zwar verständigt, doch mussten beide Partner jeweils zähneknirschend Federn lassen - die SPD verzichtete vorerst auf die Rheinbrücke, die Grünen stimmten dem Bauwerk über die Mosel zu.
Jetzt kommt mit dem A-1-Lückenschluss das nächste strittige Projekt. Auch hier sind es wieder grundsätzliche Erwägungen, die beide Parteien trennen: Die Grünen räumen dem Naturschutz einen sehr großen Stellenwert ein und beäugen jede neue Straße skeptisch. Die SPD hält die Verbindung für wirtschaftlich und verkehrspolitisch notwendig, letzteres, um die Region Trier direkt anzubinden und für Entlastung auf der A 61 und der B 51 zu sorgen.
Drei Streckenabschnitte fehlen insgesamt noch in der Eifel, zwei in Nordrhein-Westfalen und einer in Rheinland-Pfalz:
Blankenheim - Lommersdorf, sechs Kilometer, Kosten 50 Millionen Euro. Rot-Grün in NRW hat hierfür kürzlich das Planfeststellungsverfahren eingeleitet.
Lommersdorf - Adenau, neun Kilometer, Kosten 130 Millionen Euro (NRW).
Adenau - Kelberg, fünf Kilometer, Kosten 150 Millionen Euro (RLP).
Naturschutzfachliche Prüfungen gab es in der Vergangenheit zuhauf, auch die sogenannte Nullvariante ist untersucht worden. Auf Betreiben der Grünen ist aber noch einmal alles beleuchtet worden. "Wir haben die Gutachten überprüft, an die aktuelle Gesetzeslage und Gerichtsentscheidungen angepasst und dann in die aktuellen Planungen eingearbeitet", sagt ein Sprecher des Verkehrsministeriums. Damit sei abgearbeitet worden, was der Koalitionsvertrag vorsehe. Alle diese Betrachtungen, laut Wirtschaftsministerin Eveline Lemke mehr als 50 Teilgutachten, werden in ihrem Haus und im Umweltministerium derzeit noch bewertet. Ergebnis offen.
Zwei Aspekte spielen offenbar eine besondere Rolle bei dem vom Verkehrsministerium bevorzugten Trassenverlauf: Zum einen die Gewässerproblematik mit der Ahr, die laut Jutta Blatzheim-Roegler, verkehrspolitische Sprecherin der Grünen, zwei Mal gequert werden müsste. Zum anderen Eingriffe in ein Vogelschutzgebiet, hier speziell in den Lebensraum des unter Naturschutz stehenden Haselhuhns (siehe Extra).
Sowohl Blatzheim-Roegler als auch ihre SPD-Kollegin Astrid Schmitt, die bereits Tausende Unterschriften für den Lückenschluss gesammelt hat, rechnen mit späteren Klagen von Naturschutzverbänden. Insofern bemüht man sich darum, die Planungen gerichtsfest zu machen. Drei Trassenvarianten sind laut Schmitt in der Diskussion.
Die Zeit drängt allmählich. Anfang Januar 2013 müsste das Vorhaben für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet werden. Da es sich um eine Autobahn handelt, würde der Bund die Kosten für den Bau tragen. Voraussetzung für die Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens ist ein politischer Grundsatzbeschluss. Im September wird sich der Koalitionsausschuss mit den fachlichen Bewertungen befassen und eine Entscheidung fällen. Dass Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen das Verfahren für den Streckenabschnitt Blankenheim - Lommersdorf jüngst eingeleitet hat, "bringt uns natürlich unter Druck", räumt ein Grünen-Abgeordneter hinter vorgehaltener Hand ein.
Bis die Bagger rollen, dürften allerdings noch Jahre ins Land ziehen. SPD-Fraktionschef Hendrik Hering, früher Verkehrsminister, erklärt: Zunächst wird die Detailplanung dem Bund zur Genehmigung vorgelegt und mit diesen Unterlagen die Planfeststellung eingeleitet. Dann werden die Träger öffentlicher Belange gehört und Bürger und Verbände können Bedenken vorbringen. Dann erfolgt die Offenlage der Pläne, danach erst der Planfeststellungsbeschluss.Extra

Das Haselhuhn (Foto: dpa) gehört wie das Auerhuhn und das Birkhuhn zu den Raufußhühnern. Es ist etwa 36 Zentimeter lang und so groß wie ein Rebhuhn. Es bewohnt die Waldgebiete der europäischen und asiatischen Taiga, kommt aber in Mitteleuropa nur noch selten vor. In Regionen, wo das Haselhuhn früher heimisch war, laufen seit Jahren aufwendige Wiederansiedelungsprojekte, unter anderem im Harz und in Thüringen. Quelle: Wikipedia

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