Eine Schule für alle

TRIER. Zur Diskussion um die Schule von morgen gehört auch die Frage nach dem Schulsystem. Einer, der den Status Quo in Frage stellt, ist Franz-Josef Bronder von der Gemeinnützigen Gesellschaft Gesamtschule (GGG). Im TV -Interview erklärt er, warum eine Schule für alle seiner Meinung nach die bessere Lösung ist.

 Zum Themendienst-Bericht "Bildung/Kinder/Legasthenie" von Deike Uthenwoldt vom 01. Februar: Langer Weg bis zum sicheren Beherrschen der Rechtschreibregeln - Grundsch}ler lernen das Lesen uns Schreiben in Spr}ngen. Honorarfreie Ver|ffentlichung nur f}r gms-Themendienstbezieher

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Foto: Frank Leonhardt (gms)

Sieengagieren sich für die Verbreitung der Gesamtschule. WelcheVorteile hat dieser Schultyp Ihrer Ansicht nach gegenüber demgegliederten System? Franz-Josef Bronder: Die Gesamtschule integriert, statt auszuschließen. Sie übt demokratische Verhaltensregeln und -muster ein. Und sie fördert die Solidarität. Genau das braucht unsere Gesellschaft.

Das sind hehre Ziele. Wie soll die Gesamtschule sie erreichen? Bronder: Wenn verschiedene Bevölkerungsschichten den Umgang miteinander üben, wächst zum einen das gegenseitige Verständnis. Zum anderen werden persönliche Stärken gefördert: In unserem Bildungssystem haben Kinder aus Familien, in denen die Eltern einen höheren Bildungsabschluss haben, größere Chancen, in gymnasialorientierte Bildungsgänge zu gehen als andere - obwohl die persönlichen Begabungen der Kinder aus unterschiedlichen Schichten dies nicht widerspiegeln. Auch da kann die Gesamtschule Positives bewirken. Kinder aus bildungsferneren Familien, die von ihren Eltern nicht so gefördert werden können, werden in integrierten Systemen von den anderen einbezogen, unterstützt und gefördert. Ihre Chance, einen höheren Abschluss zu erreichen, ist an der Gesamtschule größer.

Welches sind für Sie die Hauptkritikpunkte an dem bestehenden System?

Bronder: Es wird zu früh selektiert. Die Empfehlungen der Grundschulen sind für schätzungsweise 60 bis 70 Prozent der Schüler richtig. Alle anderen Fälle sind ein Problem. Die frühe Selektion beeinflusst die Entwicklungschancen der Kinder. Ein Wechsel in der Schullaufbahn findet derzeit fast nur von oben nach unten statt. Solche Versagenserfahrungen führen zum Verlust von Selbstvertrauen. Menschen lernen am meisten durch Erfolgserlebnisse. Bleiben die aus, besteht die Gefahr, dass das Kind zum Schulversager und zum unzufriedenen Menschen wird. Das kann Auswirkungen auf das ganze Leben haben.

Wie will die Gesamtschule solche Probleme vermeiden?

Bronder: Die Gesamtschule kann eine individuellere Förderung bieten, sie kann besser differenzieren. Wenn ein Kind zum Beispiel einseitig naturwissenschaftlich begabt ist, kann es in einer Gesamtschule in diesen Fächern auf einem angemessenen Niveau in allen Unterrichtsfächern unterrichtet werden. So kann das Kind mehr Selbstvertrauen entwickeln.

Viele Eltern haben Angst, dass schwächere Schüler das Niveau senken und so die Entwicklung der stärkeren hemmen. Stimmt das?

Bronder: Dies ist so nicht richtig. Dadurch, dass bessere Schüler den schwächeren helfen, wird das Wissen bei beiden Gruppen zusätzlich gefördert. Die Pisa-Studie hat gezeigt, dass es beim Lernen in heterogenen Gruppen deutlich mehr Lernimpulse gibt als in homogenen Gruppen, und dass die Motivation größer ist.

Was ist Ihr Ziel? Die Ersetzung des gegliederten Schulsystems durch die Gesamtschule?

Bronder: In meinen Augen wäre ein Gesamtschul-System sinnvoll - und übrigens auch kostengünstiger als das gegenwärtige. Ideal wäre für mich, zumindest bis zur Jahrgangsstufe 10 alle Schüler gemeinsam zu unterrichten. Leider ist das bildungspolitisch zur Zeit in der Bundesrepublik nicht umsetzbar. Es gibt derzeit 1000 Gesamtschulen in Deutschland, allein in Rheinland-Pfalz existieren aber rund 1600 Schulen. Das wäre ein sehr, sehr weiter Weg. In der Politik gibt es keine Anzeichen für eine Abschaffung des bestehenden Systems. Das vorhandene Schulsystem ist in Deutschland geschichtlich gewachsen und in der öffentlichen Meinung manifestiert, obwohl internationale Vergleiche zeigen, dass integrierte Schulsysteme zu besseren Ergebnissen führen.

Ist das für Sie keine entmutigende Perspektive?

Bronder: So, wie ich die Vielfalt der Schüler an meiner Schule, einer Integrierten Gesamtschule, akzeptiere, akzeptiere ich auch, dass Menschen anderer Meinung sind. Ich wünsche mir allerdings sehr, dass es in der Region Trier eine Gesamtschule gibt. Als Gesamtschulverband haben wir die Erfahrung gemacht, dass dort, wo eine Gesamtschule existiert, auch die Nachfrage steigt und in der Umgebung weitere entstehen. In Rheinland-Pfalz werden landesweit deutlich mehr Kinder an Gesamtschulen angemeldet, als aufgenommen werden können. Dies ist auch bundesweit zu beobachten.

Mit Franz-Josef Bronder sprach TV-Redakteurin Inge Kreutz

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