Finger weg von den Pillen: Krankenkasse DAK warnt vor Doping am Arbeitsplatz

Mainz · Das Handy klingelt, der Kunde wartet vor der Tür, und der Chef wedelt mit den Zielvorgaben: Der Leistungsdruck im Arbeitsleben ist oft enorm. Viele Berufstätige wissen sich nur noch mit Pillen zu helfen, heißt es in einer Studie.

Aufmerksamer und konzentrierter werden, Angst und Nervosität mildern, gute Laune bekommen: 68 Prozent der Rheinland-Pfälzer wissen genau, dass sie diese Ziele mit diversen Medikamenten erreichen können. Ihnen ist auch klar, dass es sich dabei um verschreibungspflichtige Pillen handelt, die eigentlich der Bekämpfung einer Krankheit dienen sollen. Das ist ein Ergebnis des DAK-Gesundheitsreports 2015, der gestern in Mainz präsentiert worden ist.

83,4 Prozent der befragten 5000 Erwerbstätigen lehnen pharmakologisches Neuroenhancement, wie Doping am Arbeitsplatz im Fachjargon heißt, grundsätzlich ab. Aber rund zehn Prozent stehen dem Aufputschen aufgeschlossen gegenüber. Sie können sich das vorstellen, um bei bestimmten Anlässen oder Terminen besonders leistungsfähig zu sein, oder um den Stress im Job und andere berufliche Probleme besser ertragen zu können.

Nicht nur das Wissen um die vermeintlichen Möglichkeiten des Hirndopings hat seit 2008 eindeutig zugenommen, sondern auch die Zahl derjenigen, die es ausprobieren. Laut Gesundheitsreport haben hochgerechnet bis zu 243.000 berufstätige Rheinland-Pfälzer schon einmal leistungssteigernde Mittel genommen. Rund 63.000 waren diesbezüglich in den vergangenen zwölf Monaten aktiv, 33.000 sogar regelmäßig, sprich zweimal im Monat und häufiger.

Hohe Risiken, kurzfristige Effekte

"Eine Wunderpille gibt es nicht", sagt dazu Michael Hübner, DAK-Landeschef Rheinland-Pfalz. Oft zeigten die Medikamente bei Gesunden nur kurzfristige und minimale Effekte auf die kognitive Leistungsfähigkeit. Demgegenüber stünden hohe gesundheitliche Risiken, etwa körperliche Nebenwirkungen bis hin zu Persönlichkeitsveränderungen und Abhängigkeit.

Laut Hübner sei Doping im Job "noch kein Massenphänomen", aber die Zahl der Betroffenen in Rheinland-Pfalz ein Alarmsignal. Damit die Beschäftigten auch bei Leistungsdruck langfristig gesund blieben, sei Aufklärung wichtig. Hübner resümiert: "Ich hoffe, dass wir in unserer Gesellschaft eines Tages zu dem Konsens kommen, dass Doping am Arbeitsplatz - wie im Sport - ein Irrweg ist."

Der DAK-Gesundheitsreport gibt auch Auskunft über weitere Details. So bewegt sich der Krankenstand in Rheinland-Pfalz auf einem gleichmäßigen Niveau - er lag 2014 bei 4,1 Prozent (2013: 4,3 Prozent). Das heißt, von 1000 erwerbstätigen Arbeitnehmern waren in Rheinland-Pfalz im Schnitt pro Tag 41 krankgeschrieben, im Bund waren es 39. Zum Vergleich: Den niedrigsten Krankenstand hatte Baden-Württemberg mit 3,3 Prozent, den höchsten Sachsen-Anhalt mit 5,0 Prozent.

Ein Beschäftigter fehlte an durchschnittlich 15 Tagen im Job. Für mehr als ein Fünftel dieser Ausfälle (22,5 Prozent) waren Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems verantwortlich, etwa Rückenschmerzen. Die Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen (Depressionen, Angstzustände) stiegen um zwölf Prozent und lagen mit 17 Prozent der Ausfälle auf Platz zwei der Krankheitsarten. Die Branchen mit dem höchsten Krankenstand waren das Gesundheitswesen mit 4,8 Prozent, die öffentliche Verwaltung mit 4,5 Prozent und der Handel mit 4,2 Prozent. Den niedrigsten Krankenstand hatte der Wirtschaftszweig Rechtsberatung, unter anderem Unternehmensdienstleistungen, mit 3,2 Prozent.

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