Flüchtlingspaten haben auch Pflichten

Trier · Flüchtlinge benötigen Hilfe, damit sie sich möglichst rasch in die Gesellschaft integrieren können. Die Ehrenamtsagentur Trier übernimmt im Auftrag der Stadtverwaltung die Koordination dafür. Alle Helfer, die Patenschaften übernehmen wollen, erhalten eine kostenfreie Schulung.

Trier. Wer bei der Stadtverwaltung seine ehrenamtliche Hilfe für Flüchtlinge anbieten wollte, musste sich bislang in Geduld üben. Die Suche nach Wohnraum hatte dort bislang Vorrang. Nun übernimmt die Ehrenamtsagentur die Koordination. "Das Thema wird uns über mehrere Jahre beschäftigen", sagt deren Geschäftsführer Carsten Müller-Meine. Sinnvoll sei es deshalb, beim Aufbau von Strukturen lieber einen Schritt langsamer zu machen. "Aber dafür sind sie dann dauerhaft und belastbar." Ob das tatsächlich so ist, wird ab sofort erprobt. Für den ersten - bereits ausgebuchten - Informationsabend zum Projekt Flüchtlingsbegleiter ist alles vorbereitet. Dabei kooperiert die Ehrenamtsagentur eng mit Wohlfahrtsverbänden, allen voran mit dem Diakonischen Werk, das bereits 2005 das Projekt Migrationslotsen ins Leben gerufen hat. Mit guten Erfahrungen, wie Diakonie-Geschäftsführer Carsten Stumpenhorst bestätigt.
Vor zwei Jahren sind die Aufgaben um das Flüchtlingsthema erweitert worden. Die Migrationslotsen sind nun so etwas wie die Blaupause für das Projekt Flüchtlingsbegleiter der Ehrenamtsagentur.
Kern sind dabei zehn Stunden Ausbildung mit den Modulen Grenzen und Möglichkeiten des Ehrenamts, Asylverfahren, interkulturelle Kompetenz, Kommunikation und Trauma. Jedem Flüchtlingsbegleiter wird zudem die Möglichkeit zu Supervision angeboten. Die Schulung ist für die Helfer kostenlos, aber verpflichtend.
Carsten Stumpenhorst weiß aus den Erfahrungen beim Diakonischen Werk, wie wichtig ein solches koordiniertes und verpflichtendes Vorgehen ist: "Es ist toll, wie sich die Leute mit ihrer großen Nächstenliebe engagieren. Aber manche gut gemeinten Dinge, die derzeit passieren, können auch schädlich sein." Es müsse auch darum gehen, die Menschen zu schützen.
Wie groß die Bereitschaft zum ehrenamtlichen Engagement in der Bevölkerung ist, weiß auch Ruth Strauß, die seit Anfang September als zentrale Ansprechpartnerin bei der Stadtverwaltung aktiv ist. 350 Anfragen sind seither per E-Mail bei ihr eingegangen. Die Zahl der Telefonate und persönlichen Gespräche summiert sich auf mehr als 200. "Die Leute sind enttäuscht, wenn sie nicht sofort mit ihrer Hilfe starten können", sagt Strauß mit Blick auf all jene, die noch nicht bei der ersten Staffel der Flüchtlingsbegleiter-Ausbildung dabei sein können. "Aber wir hoffen, dass diese Energie der Menschen noch länger als ein oder zwei Jahre bleibt."
Aber wie kann die ehrenamtliche Hilfe im konkreten Fall aussehen? Wenn ein Flüchtling nach derzeit sechs bis acht Wochen aus der Erstaufnahmeeinrichtung der Kommune zugewiesen wird, muss diese für die Unterkunft sorgen. Sozialarbeiter der Stadt betreuen zunächst die Neuankömmlinge und klären grundlegende Fragen. Flüchtlingsbegleiter sollen den fremden Menschen helfen, in ihrer neuen oder vorübergehenden Heimat anzukommen. Es geht um Hilfe bei Behördengängen, um Freizeitgestaltung, um Informationen über Land und Sprache.
Carsten Müller-Meine: "Bei spezifischen Dingen können und sollen die ehrenamtlichen Helfer natürlich auf die Kompetenzen der Fachdienste bei den Wohlfahrtsverbänden und die Sozialarbeiter der Stadt zurückgreifen." Zudem stehe auch bei der Ehrenamtsagentur mit Olga Hermann ab sofort eine feste Ansprechpartnerin zur Verfügung.
Es geht um die Hilfe für Asylbewerber, die in Trier wohnen. Helfen können allerdings auch Menschen aus dem Umland. Ruth Strauß, die Flüchtlingskoordinatorin der Stadtverwaltung, ist zuversichtlich: "Wir bekommen nun klare und verlässliche Strukturen für die ehrenamtliche Hilfe in Trier."Meinung

Langer Atem ist gefragt
Gut Ding will Weile haben! Dieses Sprichwort passt nicht unbedingt zum enormen Handlungsbedarf beim Thema Flüchtlinge. Dennoch ist es richtig, wenn sich die Ehrenamtsagentur mit ihren Partnern Zeit nimmt, um Strukturen der Hilfe aufzubauen. Denn Integration kann nur funktionieren, wenn die Unterstützung als nachhaltige Hilfe zur Selbsthilfe angelegt ist. Dafür ist es auch notwendig, die Menschen zu schulen, die sich engagieren wollen. Nicht jede gut gemeinte schnelle Unterstützung bringt den Effekt, den sich der Helfende erhofft. Grundsätzlich ist bei all dem zu bedenken, dass zwischen den Asylbegehrenden in den Erstaufnahmeeinrichtungen und den in den Kommunen dauerhaft lebenden Asylbewerbern unterschieden werden muss. Das unbürokratische Engagement privater Initiativen in den Erstaufnahmeeinrichtungen ist mit Blick auf die dramatische und teilweise menschenunwürdige Situation dort eine leider notwendige Sache, sofern es mit den Verantwortlichen der Einrichtungen abgestimmt ist. Wer aber Patenschaften über Monate, vielleicht Jahre übernehmen will, muss sich darauf vorbereiten. Wie weit darf Hilfe gehen? Wann schadet sie dem Flüchtling oder dem Helfenden? Mit der verpflichtenden Schulung auch zu diesen Fragen gehen Ehrenamtsagentur und Diakonie den richtigen Weg, auch wenn das für manchen Helfer eine Geduldsprobe bedeutet. r.neubert@volksfreund.deExtra

Die Stadt Trier wird bis zum Jahresende voraussichtlich mehr als 850 Flüchtlinge aus den Erstaufnahmeeinrichtungen zugewiesen bekommen, für die sie die Versorgung übernehmen muss. Derzeit sind es etwa 200 Menschen, die bereits in Wohnungen untergebracht worden sind. Weiterer Wohnraum wird dringend gesucht. Kontaktmöglichkeiten mit dem Amt für Soziales und Wohnen gibt es unter Telefon 0651/718-4589 oder per E-Mail unter wohnraum@trier.de Für Menschen, die sich ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagieren wollen, ist die Ehrenamtsagentur Ansprechpartner; Telefon 0651/9120702; E-Mail: kontakt@ehrenamtsagentur-trier.de r.n.

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