Liebe auf den zweiten Blick: 99 besondere Seiten Triers

Trier · Was mancher als alltäglichen Anblick gar nicht mehr bewusst wahrnimmt, lohnt dennoch einer genauen Betrachtung. Dies beweisen Michael Pantenius als beobachtender Stadtflaneur und Rudolf Voigtländer als Fotograf in ihrem neu veröffentlichten Buch: "Trier - die 99 besonderen Seiten der Stadt". Bei einem Abend in der Stadtbibliothek haben sie es vorgestellt.

 Michael Pantenius. TV-Foto: Martin Recktenwald

Michael Pantenius. TV-Foto: Martin Recktenwald

Foto: Martin Recktenwald (ten) ("TV-Upload Recktenwald"

Trier. "Rot-weißer Bürgerstolz" - das ist dem aus Halle an der Saale stammenden Historiker und Kulturwissenschaftler Dr. Michael Pantenius beim Blick auf die "Steipe" am Hauptmarkt in den Sinn gekommen. Über den vier Statuen der Stadtpatrone entdeckt man zwei Ritterfiguren. "Der linke blickt zwar in Richtung Bischofskirche, aber er hat eine Körperhaltung wie ein moderner Türsteher", stellt er fest.
Und erst der rechte Ritter: mit geschlossenem Visier und die Hand am Schwertknauf. "Nach Unterwerfung sieht das nicht aus", sagt Pantenius. Die weltlichen Vertreter der Stadt hätten seinerzeit bewusste Signale gegenüber dem Bischof setzen und einen eigenen Machtanspruch dokumentieren wollen. Natürlich wird auch der Name des Gebäudes aus der Mundart übersetzt und erklärt, dass wohl die tragenden Außen-Säulen die Bezeichnung "Stütze" geprägt haben. Es ist kein herkömmlicher Stadtführer, der hier präsentiert wird. Die großen Sehenswürdigkeiten wie die Unesco-Welterbestätten tauchen zwar auf, aber die Betrachtungsweise ist ungewohnt. Einen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt der Band bewusst nicht. Dafür tauchen jedoch Dinge auf, die der Tourist beim ersten Besuch in Trier vermutlich übersähe. Beispielsweise die besondere Bedeutung des Speierling-Baumes und seiner Äpfel - zu sehen rund um den Mattheiser Weiher. Oder ein Besuch im Viezlokal "Fischers Maathes". Das Ur-Trierer Original Mathias Joseph Fischer prägte im 19. Jahrhundert so manch flotten Spruch. Im Buch werden aber auch seine depressive Erkrankung und der Selbstmord erwähnt. Den bissig-bösen Humor hatte sich Fischers Maathes bis zum Schluss erhalten, am Tag seines Suizids hängte er ein Schild an die Ladentür: "Wegen Sterbefall geschlossen."
Lebendig werden die Erlebnisse des Stadtbummlers auf jeder Seite durch die Fotografien Rudolf Voigtländers. Der Bildkünstler hat ebenfalls ungewöhnliche Sichtwinkel für seine Aufnahmen aus Trier gewählt: Von unten durchs Blätterdach auf die Mariensäule oder ganz nah dran an der roten Plastikfigur von Karl Marx. Seit vielen Jahren lebt der gebürtige Düsseldorfer bereits in der Moselstadt und frönt hier mit Eifer seinem Kamera-Hobby. Beim jüngsten Projekt hat Voigtländer wie schon viele Male zuvor mit der Fotografischen Gesellschaft Trier zusammengearbeitet, der er selbst angehört.

"Trier - die 99 besonderen Seiten der Stadt" ist als 20. Foto- und Textband einer Städte-Reihe beim Mitteldeutschen Verlag erschienen. Er kostet 9,99 Euro. In Trier ist "De' Bücherladen" in der Simeonstraße Vertriebspartner.

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