Maß halten, vereinfachen, entschleunigen

Der rote Faden im Leben von Zeljko Brkic, Geschäftsführer der Lokalen Agenda in Trier, ist die Vision einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Gesellschaft.

 Umdenken auf lokaler Ebene ist die Grundlage einer lebenswerten Welt für alle: Dafür wirbt Zeljko Brkic auch in seinem Amt als Geschäftsführer der Lokalen Agenda Trier. TV-Foto: Anke Emmerling

Umdenken auf lokaler Ebene ist die Grundlage einer lebenswerten Welt für alle: Dafür wirbt Zeljko Brkic auch in seinem Amt als Geschäftsführer der Lokalen Agenda Trier. TV-Foto: Anke Emmerling

V isionen und Utopien werden zwar ganz selten erreicht, trotzdem sind sie als Wegweiser von großer Bedeutung, auch für mich. Mein Lebensmotto, für das ich mich als einer der glücklicheren Menschen auch im Beruf einsetzen darf, ist der Aufbau einer nachhaltigen, zukunftsfähigen Gesellschaft.

Obwohl der Begriff "Nachhaltigkeit" sehr inflationär verwendet wird, verbinde ich ihn mit einer ganz klaren Vision, die im Wesentlichen so aussieht: Alle Bereiche unserer Gesellschaft sind im Einklang mit der Natur. Unsere menschlichen Aktivitäten sind so ausgerichtet, dass im Idealfall kein Schaden für die Umwelt und die zukünftigen Generationen entsteht. Im Unterschied zur heutigen konzerngesteuerten Globalisierung, die alle Lebensbereiche der Wirtschaftssphäre unterordnet, ist oberste Priorität unseres Handelns der Erhalt unserer Lebensgrundlagen.

Geprägt worden sind meine Vorstellungen schon als Kind. Meine Großfamilie war sehr sozial eingestellt, hat nachhaltig gelebt und mich so erzogen, dass ich nicht nur an mich denke. Aufgewachsen bin ich in Sarajevo, als Jugoslawien noch als zukunftsweisendes Modell zwischen Realsozialismus und Kapitalismus existierte.

Dort war es Bürgerpflicht, Verantwortung für andere und den gesellschaftlichen Aufbau zu übernehmen. Ausschließliches Streben nach persönlichem Gewinn wurde geächtet. Die Mehrheit hat, solange das System funktionierte, davon profitiert. Es gab ein ausgeprägtes soziales Netz. Als ich dann zu Beginn der Balkankriege nach Deutschland kam, bin ich auf ein anderes Wertesystem gestoßen. Eines, das davon ausgeht, Maximierung persönlichen Nutzens und Profits bringe automatisch Gewinn für die Gesellschaft.

Als Ökonom sage ich, dass das so nicht stimmt. Ganz sicher werden nur Egoismus, Konkurrenzdenken und soziale Kälte gefördert. Und wer sich nicht für Mitmenschen verantwortlich fühlen kann, fühlt sich auch für die Natur nicht verantwortlich. Deswegen bedingt meine Vision ein Umdenken im Sinne von Selbstbegrenzung, Vereinfachung und Entschleunigung unserer Lebensweise.

Die Verwirklichung beginnt in überschaubaren, kleineren und regional organisierten Einheiten. In der Praxis bedeutet das zum Beispiel: Energie wird ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen dezentral und demokratisch erzeugt und dort verbraucht, wo sie gewonnen wird. Ebenso Nahrungsmittel: Wir ernähren uns hauptsächlich regional und saisonal. Was wir heute Bio-Produkte nennen, wird Standard. Fleischkonsum wird auf ein Minimum reduziert, und die Massentierhaltung mit ihren fatalen Folgen für Tier und Mensch Geschichte.

Mit meinem Handeln versuche ich zu dieser Entwicklung beizutragen. Eines Tages wird es vielleicht eine friedliche "Welt der Regionen" geben, die zum größten Teil autark, aber nicht voneinander abgeschottet sind und die sich in ihrer freien Entwicklung nicht behindern, sondern ergänzend unterstützen. Dank eines gesicherten Grundeinkommens von existenziellen Sorgen befreit, hätten wir dann Zeit und Mitgefühl füreinander und für alle lebenden Wesen - in der Erkenntnis, dass alles mit allem zusammenhängt.

Aufgezeichnet von Anke Emmerling

In der TV-Serie "Mein Traum" erzählen Menschen aus der Region von Ideen, die ihr Handeln leiten, die sie antreiben. Zur PersonZeljko Brkic, geboren 1964, hat in Sarajevo Gesellschaftliche Ökonomie und in Trier Volkswirtschaft studiert. Seit mehr als 13 Jahren beschäftigt er sich wissenschaftlich, praktisch und in der Lehrtätigkeit intensiv mit nachhaltiger (Regional-)Entwicklung. Zurzeit ist er Geschäftsführer des Vereins Lokale Agenda 21 Trier, der sich im Auftrag der Stadt Trier für die praktische Umsetzung der Beschlüsse der Uno-Konferenz zur Nachhaltigen Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 auf kommunaler Ebene einsetzt. Er lebt mit seiner Familie in Trier. (ae)

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