Nachruf Ein kultureller Brückenbauer zwischen Trier und Taipeh

Trier/Taipeh · Die Hochschule Trier, insbesondere der Fachbereich Gestaltung, trauert um Professor Fu-Ru Cheng aus Taiwan.

 Professor  Fu-Ru Cheng.

Professor Fu-Ru Cheng.

Foto: Frank Sander/Privat

Die Hochschule Trier habe Professor Fur-Ru Cheng ein umfassendes und tragfähiges Netzwerk an Kontakten und Austausch-Verbindungen mit Taiwan und seiner Universität zu verdanken, das der kürzlich unerwartet gestorbene Gastprofessor mit hohem Engagement und Ausdauer aufgebaut und gepflegt habe, sagt Professor Frank Sander (früher Studiengang Innenarchitektur im Fachbereich Gestaltung an der Hochschule).

Die ersten Kontakte zwischen der National Taipei University of Technology, an der Professor Cheng lehrte, und der Hochschule Trier wurden bereits in den 70er Jahren geknüpft. Verträge zwischen beiden Hochschulen legten den Grundstein für eine über die Jahrzehnte enger werdende Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Industrie Designs mit deutschen Hochschulen.

Cheng wurde am 2.6.1953 in Taipeh/Taiwan geboren. Sein Diplom als Industrie Designer erlangte er 1974 am National Taipei Institute of Technology. Dort lehrte er als wissenschaftlicher Mitarbeiter. Die Auseinandersetzung mit den Protagonisten deutscher Designentwicklung beginnend mit dem Werkbund, Bauhaus und der Hochschule für Gestaltung Ulm im Nachkriegs-Deutschland bestärkten Cheng in seinem Wunsch, in Deutschland weiter zu studieren. 1978 kam er nach Deutschland und begann seine bewunderungswürdige akademische Laufbahn.

Von 1978 bis 1981 studierte er an der Universität der Künste Berlin im Studiengang Industrie Design und schloss mit dem Diplom ab. 1982 setzte er seine Studien in Architektur und Stadtplanung an der Universität in Stuttgart fort. Während des Studiums entdeckte er ein Forschungsgebiet, das ihn bis jetzt prägte und antrieb: Die Semiotik – die Wissenschaft von den Zeichenprozessen in Kultur und Natur.

Nach seinem Abschluss als Diplomingenieur erhielt er 1993 den Doktortitel mit seiner Dissertation „Leit- und Orientierungssysteme im Stadtzentrum“. Nach 15 Jahren intensivem Studium mit zwei Diplomen und einem Doktortitel kehrte er nach Taiwan zurück. Dort lehrte er 24 Jahre bis zu seiner Pensionierung 2017.

Während seines 15-jährigen Aufenthaltes in Deutschland hatte Professor Cheng bereits ein umfassendes Netzwerk aus Freunden, Kommilitonen, Architektur- und Designbüros, Forschungsinstituten und Professoren aufgebaut. Als ein wesentliches Element der Kontaktpflege entwickelten sich regelmäßige Exkursionen mit seinen Studenten nach Deutschland. Höhepunkt waren die mehrtägigen Workshops zusammen mit deutschen Studenten vor allem an der Hochschule Trier.

Besonders wichtig für Prof. Cheng war die Organisation des Studenten- und Dozentenaustauschs zwischen der National Taipei University of Technology und der Hochschule Trier. So wurde Trier zu einem wichtigen Brückenkopf. Im Laufe der Jahre kamen etwa 60 Studierende aus Taipeh für ein oder zwei Semester nach Trier, während es ungefähr 30 Studierende ins fernöstliche Taiwan zog. Auch der Professorenaustausch wurde sehr rege. In den letzten Jahren konzentriert sich Dr. Cheng auf Workshops mit deutschen Studierenden, in denen die chinesische Kultur im Mittelpunkt stand. Mit ähnlicher Intensität hat er die Entwicklung des Dozenten- und Studentenaustauschs auch an weiteren Hochschulen u.a. an der Hochschule für Gestaltung Offenbach, der Kunsthochschule Berlin-Weißensee und der Fachhochschule Potsdam vorangetrieben. Auch hier reißt sein Tod eine nicht zu füllende Lücke.

Anstatt nach der Pensionierung an der NTUT mehr Ruhe in sein Leben eintreten zu lassen, entschloss sich Prof. Cheng, in Deutschland neben seinen Workshops an der Hochschule nochmals zu promovieren. Er begann bereits mit der Erstellung von Skizzen zu einer sinologischen Dissertationsschrift an der Universität Trier, die moderne Ansätze aus der theoretischen Semiotik mit Grundideen aus der Lehre des traditionellen Buchs der Wandlungen (Yijing) zu einem Gesamtkonzept vereinen sollte. Es ist sehr bedauerlich, dass diese vielversprechenden Arbeiten nicht weiter fortgesetzt werden konnten.

Prof. Cheng war ein ungewöhnlicher Lehrer, der vor allem etwas bewegen wollte zum Nutzen anderer. Im Rückblick auf sein berufliches Leben ist eins besonders hervorzuheben – seine Bescheidenheit. Als Brückenbauer und Netzwerker war er Freund, Gastgeber und Initiator.

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