Ausnahmezustand in Trier - Rettungskräfte rotieren

Trier · Alkoholexzesse an Weiberfastnacht: In der Innenstadt eskaliert die Lage am Nachmittag. Feuerwehr, Rettungsdienste und die beiden Innenstadtkrankenhäuser werden regelrecht überflutet mit alkoholisierten und verletzten Jugendlichen. Ein Mitarbeiter eines Krankenhauses spricht von Werten bis zu vier Promille. "Der war halb tot."

Trier. In Tinas Plastikflasche war früher Apfelschorle. Welches Gebräu sich jetzt darin befindet, kann die als Nachtschwester verkleidete junge Frau nicht genau sagen. Vielleicht will sie auch nicht. "Ist doch auch egal", sagt sie. "Hauptsache ist doch, es macht rund."
Rund ist sie selbst auf jeden Fall. Die schon gegen 12 Uhr torkelnde Tina gehört zur Riesenmasse von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die in der Innenstadt vor allem auf dem Hauptmarkt und Kornmarkt Weiberdonnerstag feiern. Das von Sicherheitskräften und der Polizei streng kontrollierte Glasverbot halten die meisten ein. Das hindert sie allerdings nicht daran, ihre Wegzehrung in Büchsen und Plastikflaschen mitzubringen.

Die Folgen zeigen sich schon am frühen Nachmittag. Die Berufsfeuerwehr, der Malteser Hilfsdienst, das DRK und die Johanniter werden der Masse an Betrunkenen und Verletzten nicht mehr Herr. Ständig müssen Notarztwagen den Hauptmarkt anfahren. Schließlich mobilisiert die Berufsfeuerwehr die mobile Einsatzgruppe Sanität: Auf dem Domfreihof wird ein Großraumrettungswagen eingesetzt, in dem bis zu elf Patienten direkt vor Ort versorgt werden können.
Gegen 15 Uhr sind mehr als 20 Rettungskräfte und Ärzte im Dauereinsatz. "Wir haben 60 Patienten versorgt, die entweder sehr stark alkoholisiert waren oder sich leichte Verletzungen zugezogen haben", sagt Einsatzleiter Mario Marx gegen 17.30 Uhr. "Wir müssen damit rechnen, dass es die Nacht über so weitergeht." Ausnahmezustand auch im Brüderkrankenhaus, wo zusätzliche Betten aufgestellt werden (siehe Extra).

Auch die Polizei ist im Dauereinsatz. Am Stockplatz müssen die Beamten einen Angetrunkenen nach einer Körperverletzung in Gewahrsam nehmen. Vier Streithähne werden nach einer Schlägerei in Höhe der Treveris-Passage vorläufig festgenommen, und auch in der Theodor-Heuss-Allee geraten angetrunkene Narren aneinander. Einer wird dabei verletzt, ein weiterer wird in Gewahrsam genommen.

"Vor allem in der Treveris-Passage haben wir vielen Betrunkenen Platzverweise erteilt", sagt Polizei-Sprecherin Monika Peters. Sechs Jugendliche werden dem Jugendamt überstellt und dann ihren Eltern übergeben. Die Innenstadt bietet am späten Nachmittag wahrhaftig kein schönes Bild. Jugendliche torkeln grölend über den Hauptmarkt, andere sitzen völlig apathisch auf dem Boden. Die Fassaden der Häuser und Geschäfte müssen oft als Toilette dienen.

Polizeieinsatzleiterin Sigrid Herz zieht eine deutliche Bilanz: "Zu viele betrunkene Jugendliche und junge Erwachsene und ein dadurch bedingtes hohes Aggressionspotenzial. Eine kritische Nachbereitung des Weiberdonnerstags mit verantwortlichen Stellen ist jetzt schon sicher."
EXTRA ALKOHOLVERGIFTUNGEN

In den Notfallzentren des Brüderkrankenhauses und des Mutterhauses herrschte ab Donnerstagnachmittag Ausnahmezustand: Bis zum frühen Abend behandelten beide Krankenhäuser je rund 20 junge Menschen mit teils schweren Alkoholvergiftungen. Im Mutterhaus, das eine Kinderstation hat, war der jüngste Patient 15 Jahre alt, der älteste 19. "Unser Stationsflur ist voll mit Tragen, auf denen die Jugendlichen liegen", berichtete ein Arzt. Mehrere seien bei der Einlieferung nicht mehr ansprechbar gewesen, einer wurde bis zum Abend auf der Intensivstation behandelt. Im Brüderkrankenhaus wurden Patienten zwischen 18 und 25 Jahren eingeliefert. Ansonsten war die Lage ähnlich: "Einer war halb tot und hat kaum noch geatmet", berichtet der Leiter des dortigen Notfallzentrums, Dr. Markus Baacke auf TV-Anfrage. Weitere zehn Betrunkene - darunter mehrere, die nicht mehr ansprechbar waren - mussten intensivmedizinisch überwacht werden. Gemessen wurden Blutalkoholwerte bis zu vier Promille. "Das sind echte Alkoholvergiftungen, von einem Rausch kann man da nicht mehr sprechen", sagte Baacke. Bei den Patienten sei die Zahl der Männer und Frauen etwa gleich hoch. Um die Alkoholopfer behandeln zu können, stellten beide Krankenhäuser zusätzliche Betten auf. Die Mitarbeiter verlängerten ihre Schichten, um die Kollegen am Abend zu unterstützen. Weil mehrere der Betrunkenen randalierten, hatte das Brüderkrankenhaus Verstärkung seitens der Polizei angefordert. "Solche Zustände haben wir hier noch nie erlebt", sagte Baacke. woc

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