Erleichterung statt Triumphgefühle - Stadtrat Trier beschließt Schulentwicklungskonzept

Trier · Der Trierer Stadtrat hat bei fünf Gegenstimmen und sechs Enthaltungen ein Schulentwicklungskonzept beschlossen. Die meisten Ratsmitglieder von CDU, SPD, Grüne und FDP stimmten für den von ihnen eingebrachten Entwurf, FWG und Linke stimmten dagegen oder enthielten sich.

Erleichterung statt Triumphgefühle - Stadtrat Trier beschließt Schulentwicklungskonzept
Foto: Friedemann Vetter

Eine gewisse Erleichterung war den Mehrheitsfraktionen anzumerken, aber von Triumphgefühlen war nichts zu spüren. Schon deshalb, weil eine starke Hundertschaft von Eltern und Kindern die letzte Gelegenheit nutzte, noch einmal für den Erhalt ihrer Schule zu werben. Die Mahnung von OB Klaus Jensen, auf Beifalls- oder Missfallenskundgebungen zu verzichten, wäre wohl nicht nötig gewesen: Es ging sachlich zu, im Sitzungssaal wie auf den Zuschauerrängen. Neue Argumente gab es freilich auf keiner Seite mehr zu hören. Kein Wunder angesichts der seit etlichen Jahren anhängigen Debatte und des umfangreichen Beteiligungsverfahrens, auf das OB Klaus Jensen verwies. "Größtmögliche Übereinkunft" So richtig froh mit dem Ergebnis schien aber auch keiner. "Was lange währt, wird endlich gut - das können wir heute nicht sagen", bekannte CDU-Sprecherin Dorothee Bohr, Dennoch: Der gefundene Kompromiss sei "nicht der kleinste gemeinsame Nenner, sondern die größtmögliche Übereinkunft". Man habe sich "dem Bann der Trillerpfeifen entziehen und den Blick auf das Gesamtinteresse richten müssen". Für die SPD zitierte Regina Bux Aristide Briand: Ein Kompromiss sei perfekt, wenn alle Beteiligten unzufrieden seien. "Dann sind wir hier der Perfektion ziemlich nahe", sagte die Bildungspolitikerin. Es habe aber keine Alternative gegeben, "denn wir mussten den Schulen, den Eltern und uns eine weitere Hängepartie ersparen". Das Thema Schulentwicklung werde den Rat weiter beschäftigen, "aber heute fangen wir endlich an, zu entscheiden". Der Grüne Gerd Dahm dankte - wie übrigens auch die CDU - der Verwaltung für ihr Engagement bei diesem Thema. Es habe sich um ein "politisches Himmelfahrtskommando" gehandelt. Die Reduzierung von Grundschulstandorten sei "schmerzlich, aber nicht zu umgehen". Der Verweis auf alte Eingemeindungsverträge sei in diesem Zusammenhang "anachronistisch". Für die FWG wies Hans-Alwin Schmitz auf die Bedeutung von Grundschulen für die Stadtteil-Strukturen vor Ort hin. Das soziale Gefüge sei bei den Standort-Entscheidungen nicht genügend berücksichtigt worden. "Mit den Freien Wählern wird es keine Schulschließungen geben", bekräftigte Schmitz die Grundsatz-Position seiner Fraktion. "Nicht alles, was jetzt beschlossen wird, entspricht unserer Linie", räumte Joachim Gilles von der FDP ein, "aber Stillstand wäre keine Alternative gewesen". Wer sich einem Kompromiss verweigere, nehme "in Kauf, dass unsere Schüler weiter desolate Schulen besuchen müssen". Kathrin Werner von der Linksfraktion kritisierte das Verfahren. Das Konzept sei "nie unter qualitativen Gesichtspunkten diskutiert worden". Man habe "Geheimhaltungspolitik betrieben, statt die Beteiligten an einen Tisch zu bringen". Einhelligen Beifall erhielt Andreas Wirtz vom Jugendparlament, der an den Rat appellierte, schmerzhafte Entscheidungen nicht zu scheuen, "weil wir nicht wissen, ob wir sonst später überhaupt noch irgendetwas zu entscheiden haben". OB Klaus Jensen kündigte abschließend an, der Stadtvorstand werde sich angesichts offener Finanzierungs- und Genehmigungsfragen bei der Abstimmung enthalten. Extra: Das passiert jetzt

Die Grundschule Kürenz nimmt ab dem Schuljahr 2014/15 keine Schüler mehr auf. Die Grundschulen Quint und Ehrang werden an einem neuen Standort fusioniert. Das könnte ein Neubau sein, aber auch das Schulzentrum Mäusheckerweg - über diese Alternativen wird bis Jahresende entschieden. Der genaue Zeitpunkt für den Zusammenschluss ist im Moment unklar. Die Grundschulen Reichertsberg und Pallien werden am Standort der Kurfürst-Balduin-Schule fusioniert, sobald dort entsprechende Räumlichkeiten geschaffen sind. Spätester Zeitpunkt: das Schuljahr 2018/19. Die integrative Realschule plus Kurfürst-Balduin bleibt in Trier-West und wird ab dem Schuljahr 2013/14 mit den nötigen Räumlichkeiten ausgestattet - voraussichtlich durch Mobilelemente. Mindestens die Hälfte der Trierer Grundschulen und alle weiterführenden sowie Förderschulen werden zu Ganztagsschulen (GTS) weiterentwickelt - wenn der notwendige Anteil der Eltern das will. Die Verwaltung legt bis Jahresende ein Konzept vor, wie der GTS-Ausbau mit dem Hortangebot in Einklang gebracht werden kann. Die Schließung des Horts Heiligkreuz wird von der Agenda gestrichen. Die bisherigen Schulstandorte Geschwister Scholl (Nord) und Robert Schuman (Süd) werden aufgegeben. Die Verwaltung hat den Auftrag, im Jahr 2014 eine konkrete Schulbauplanung mit zeitlichen Abfolgen, Prioritätensetzungen und Umsetzungszeiträumen vorzulegen. Dazu dürfte auch eine umfassende Finanzplanung gehören. Wenn das Land 2015 über die Zukunft der (derzeit drei) Realschulen plus in Trier entschieden hat, steht eine weitere umfassende Beratungsrunde an, die auch mögliche Raumerweiterungen bei den städtischen Gymnasien und den Berufsbildenden Schulen umfasst. Dabei soll eine regional abgestimmte Strategie mit dem Landkreis Trier-Saarburg gesucht werden. DiLMeinung

Das Schulkonzept ist kein Ruhmesblatt Von Michael Schmitz Demonstrationen, Unterschriftensammlungen, Diskussionsveranstaltungen, zahllose Leserbriefe, Beschimpfungen zwischen Stadtteilen - dass das Thema Schulschließungen emotional diskutiert werden würde, war vorherzusehen. Schließlich sind die Grundschulen in vielen Stadtteilen und Vierteln identitätsstiftend, geben den Menschen tatsächlich ein Stück Heimat. Es ist deshalb auch verständlich, wenn Eltern von Grundschülern alles dafür tun, dass ihre sieben oder acht Jahre alten Kinder zu einer überschaubaren Schule in der Nähe zu Fuß gehen können, statt mehrere Kilometer in einem Stadtbus fahren zu müssen. Dass es im Laufe der vergangenen Monate so viele Proteste gab, lag daran, dass sich weder die Fraktionen im Stadtrat noch der Stadtvorstand mit einer offenbar überforderten Schuldezernentin bei diesem Thema sehr mit Ruhm bekleckert haben. Keines der Konzepte konnte wirklich überzeugen. Weder die Variante des Experten Wolf Krämer-Mandeau, noch die des Stadtvorstands und auch nicht die Konzepte der Stadtratsfraktionen hatten wirklich stringende Argumente, warum die eine Schule geschlossen werden, eine andere, gleichartige aber bestehen bleiben sollte. Mal wurde mit Schülerzahlen argumentiert, mal mit pädagogischen Gründen, mal mit finanziellen, mal mit baulichen und mal mit struktur- oder sozialpolitischen - und das alles teils wild durcheinander im gleichen Konzept. Dass niemand sich am Donnerstagabend so richtig über den Kompromiss freuen konnte, verwundert daher nicht. Wenn sich überhaupt etwas Gutes an dem Beschluss finden lässt, dann das: Die beteiligten Stadtratsfraktionen haben bewiesen, dass sie handlungs- und kompromissfähig sind. Und: Nun wird wohl hoffentlich wenigstens für ein bis zwei Jahre Ruhe einkehren, und Schulen und Eltern künftiger Grundschulkinder haben zumindest solange Planungssicherheit. Falls nicht noch die ADD der Stadt bei einzelnen der geplanten Zusammenlegungen oder Um- und Neubauten einen Strich durch die Rechnung macht ... m.schmitz@volksfreund.de

Weitere Beschlüsse:

Trier baut weiter, fährt langsamer und sucht eine neue Bettensteuer
Stadtmarketing aus einem Guss

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