Deutscher Fels in der Brandung

Für Ronald Pofalla war die Botschaft gestern sofort "klar". Das Frühjahrsgutachten der Wirtschaftsinstitute zeige, dass der Reformkurs der Bundesregierung fortgesetzt werden müsse, wusste der CDU-Generalsekretär schon kurz nach Bekanntgabe der Daten. Woher er diese Erkenntnis nahm, ist allerdings unklar. Aus dem vorgelegten Bericht jedenfalls nicht.

Berlin. Auf die Frage, welche Zensur sie der großen Koalition geben würden, schwiegen die Gutachter. "Nun, wir haben unsere Kritik geäußert", sagte einer von ihnen in der Pressekonferenz. "In Schulnoten können wir das nicht sagen." Immerhin: Deutschlands Wirtschaft ist nach Einschätzung der Forscher robust und wird die Stürme der internationalen Finanzmarktkrise überstehen. Hierzulande gebe es nicht massenhaft überbewertete Immobilien, der Export brumme und werde nach einer kurzen Delle bald wieder anziehen. 1,8 Prozent Wachstum vermuten die Institute in diesem Jahr, davon allerdings 0,35 Prozentpunkte aufgrund wirtschaftsfreundlicher (und arbeitnehmerfeindlicher) Feiertagstermine. Im nächsten Jahr sollen es auch noch 1,4 Prozent Wachstum sein. Ein Verlust an Dynamik gegenüber den Vorjahren ist das, doch angesichts der beginnenden Rezession in den USA nur sehr "begrenzt". Die Arbeitslosenzahlen sollen weiter sinken, aber langsamer. Auf 3,2 Millionen im Jahresdurchschnitt 2008 und 2,9 Millionen im Folgejahr. Wermutstropfen bei diesen Zahlen: "Die Prognose ist mit einer erheblichen Unsicherheit behaftet." Noch sei nämlich nicht klar, wie stark die US-Krise durchschlage, und auch beim Ölpreis waren die Gutachter auf die Vermutung angewiesen, dieser liege in diesem Jahr im Durchschnitt bei 98 Dollar je Barrel. Gestern lag er jedoch zeitweise schon bei 115 Dollar. Kein Lob für Regierung, doch viele Warnungen

Auf den Binnenkonsum, der noch im vergangenen Jahr als Motor des Wachstums ausgerufen worden war, setzen die Gutachter nur noch wenig. Dieser werde 2008 allenfalls um 0,8 Prozent zunehmen. Grund ist auch die Inflation. Zwar rechnen die Gutachter mit einer Dämpfung des Preisanstiegs von 2,6 Prozent in diesem Jahr auf noch 1,8 Prozent im nächsten Jahr. Doch bedeutet das für 2008 bei durchschnittlich 2,2 Prozent Lohnanstieg immer noch Real-Einkommensverluste. 2009 bleibt jedoch ein kleines Plus in der Tasche der Konsumenten. Lobende Worte für die Wirtschaftspolitik der Regierung fanden die vier Forschungsinstitute der "Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose" in dem Bericht nicht. Nur die Arbeitsmarktreformen der Vorgängerregierung wurden positiv hervorgehoben. Sie hätten zum Beschäftigungsanstieg erheblich beigetragen, der jetzt die eigentliche Konjunkturstütze sei. Dafür geizten die Forscher nicht mit Warnungen an die große Koalition. In der Finanzpolitik nehme die Neigung zum Geldausgeben wieder zu - siehe Rentenerhöhung -, und in der Arbeitsmarktpolitik habe man die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes verlängert. Auch sei ein Mindestlohn grundsätzlich falsch. Die Institute forderten größere Spar-Anstrengungen im öffentlichen Dienst, bei Subventionen und Sozialtransfers. Im Gegenzug solle für Investitionen in Bildung mehr ausgegeben werden. Auch müsse etwas gegen die kalte Steuerprogression getan werden. "Qualitative Haushaltskonsolidierung" nennen das die Forscher. Zu all dem ist die große Koalition derzeit nicht bereit oder sich nicht einig und jubelte gestern dennoch wie CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer: "Das ist eine donnernde Aufforderung an die Politik, am Reformkurs unbedingt festzuhalten."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort