Meinung Kein großer Wurf!

Das deutsche Weinbezeichnungsrecht ändert sich, komme, was wolle. Spätestens ab dem Weinjahrgang 2025 gelten die neuen Regeln verbindlich. Aktuell läuft die Übergangsfrist. Warum aber ist der ganze Aufwand notwendig?

 Kerl Verona

Kerl Verona

Foto: TV/Schramm, Johannes

Sind die traditionellen, eingeführten Bezeichnungen wie Qualitätswein, Kabinett, Spätlese und Auslese nicht mehr gut genug?

Die Gründe dafür liegen tiefer. Der wichtigste Ansporn: Diese Kategorien gibt es nur in Deutschland. International können Weintrinker damit nicht viel anfangen. Deshalb sollen die deutschen Weine wettbewerbsfähiger gemacht werden, indem man auf den Etiketten die Herkunft in den Fokus rückt. So wie es überall auf der Welt üblich ist.

Auch der Verbraucher soll sich so besser am Weinregal im Einzelhandel orientieren können. Doch wie so oft im Leben klaffen Wunsch und Wirklichkeit auseinander. Zu viele Interessen prallen aufeinander.

Die unter einen Hut zu bringen grenzt an die Dressur eines Flohzirkuses. Da sind die Kellereien, die Genossenschaften und die Winzer. Alle verfolgen sie ihre eigenen Ziele, wollen ihre berechtigten wirtschaftlichen Belange berücksichtigt wissen. Die einen beharren darauf, weiterhin ihre trockene Riesling-Spätlese oder -Auslese zu produzieren, die anderen wollen ihre Großlagen weiter vermarkten.

Wieder andere sehen nicht ein, Begriffe wie Alte Reben, Hochgewächs oder Classic aufzugeben. Statt Bezeichnungen zu vereinfachen, Etiketten mit wenigen präzisen Angaben übersichtlicher zu machen, wird es komplizierter.

Den Piesporter Michelsberg etwa gibt es ab 2025 so nicht mehr. Auf dem Etikett steht entweder Region Michelsberg, wenn er ein Regionwein ist. Oder er heißt Pies­port, Region Michelsberg, wenn er ein Ortswein ist. Dafür müssen aber 85 Prozent der Trauben aus der Ortslage Piesport kommen. Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem Tohuwabohu der vielen neuen Regeln, die die Winzer erwarten. Wer da genau durchblicken und alles richtig machen will, muss eigentlich ein Weinseminar besuchen. Oder aber er lässt es bleiben und macht weiter wie bisher.

Warum dann aber eine Reform? Und was bedeutet das alles für den Verbraucher? Eine Antwort kann lauten: Vergessen Sie Etiketten. Kaufen Sie Weine vom Winzer Ihres Vertrauens. Ein guter Winzer schafft es, bereits bei seinem einfachsten Wein, seinem Basiswein, eine gute Qualität anzubieten. Wer weiß, dass ihm die Weine von Winzer XYZ schmecken, kann sich darauf verlassen, dass das auch nach der Reform der Fall sein wird.

Es ist schade, dass die Chance auf eine wirkliche Reform vertan wurde. Mehr Kompromissbereitschaft, mehr globales Denken und dafür weniger verbissene Zielverfolgung einzelner Gruppen hätten der angestrebten Neuordnung besser zu Gesicht gestanden. So bleibt sie lediglich ein Sturm im Wasserglas.

v.kerl@volksfreund.de

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