Bescheidene Erwartungen statt Euphorie

Trier · Gut vier Wochen sind seit dem Ende der Frauenfußball-Weltmeisterschaft in Deutschland vergangen. Die WM soll dem Mädchen- und Frauenfußball hierzulande einen weiteren Schub verleihen. Ist eine Euphorie messbar oder sind Hoffnungen zerstoben? An der Basis wird die Zukunft zurückhaltend beurteilt.

Trier. Am Wochenende beginnt die neue Saison in der Frauenfußball-Bundesliga. An den Zuschauerzahlen wird ablesbar sein, ob die Welle der Begeisterung bei der WM auch nach Bad Neuenahr, Jena oder Essen rüberschwappt.
Die WM soll nicht nur für vollere Stadien sorgen, sondern auch ein stärkeres Engagement von Sponsoren bewirken und noch mehr Mädchen für den Fußball motivieren. Trainer, Betreuer und Funktionäre vor Ort warnen jedoch vor überzogenen Erwartungen.
Grundsätzlich habe die WM trotz des frühen Ausscheidens der deutschen Mannschaft im Viertelfinale einen guten Effekt, glaubt Thomas Marx, Mädchenreferent im Fußball-Spielkreis Trier-Saarburg: "Es gab viele Live-Übertragungen, eine große Aufmerksamkeit und eine gute Presse." Die WM könne jedoch lediglich Trends verstärken. "Der Aufschwung im Mädchenfußball ist ein Ergebnis jahrelanger, kontinuierlicher Arbeit. Ein singuläres Ereignis wie die WM kann da nicht so viel ausrichten", sagt Silvia Lenz, Mädchenfußball-Referentin im Spielkreis Eifel.
Von einer nun explodierenden Zahl Fußball spielender Mädchen könne nicht ausgegangen werden. "Es kommen geburtenschwache Jahrgänge. Wir müssen versuchen, die Zahl der aktiven Mädchen in den Vereinen stabil zu halten. Das wäre schon ein großer Erfolg", sagt Marx.
Auch Lenz gibt zu bedenken: "Die meisten Mädchen, die Fußball spielen wollen, tun dies schon." Die aktuellen Zahlen sind in der Tat nicht schlecht: Im Fußballverband Rheinland (FVR) spielen offiziellen Angaben zufolge knapp 33 500 Frauen und rund 14 500 Mädchen in einer der 372 Mannschaften. Vor fünf Jahren hat es erst 184 Teams gegeben.
Gleichwohl gilt es, weiter für den Mädchen- und Frauenfußball zu werben. Als Erfolg hat sich die Schul- und Vereinskampagne "TEAM 2011" im Vorfeld der Frauen-WM erwiesen. Lenz: "Da hat man gemerkt, dass die Lehrer mehr und mehr die Angst vor dem Mädchenfußball als Angebot im Sportunterricht verlieren."
Um Hürden zu überwinden, wurde flankierend das Konzept "20 000 plus" ins Leben gerufen. Ziel der konzertierten Aktion des Deutschen Fußball-Bunds, der Landesverbände und Schulbehörden ist die Fußball-Fortbildung von Grundschullehrern. Nach Auskunft von Alois Stroh soll das Projekt im FVR fortgeführt werden. "Mit den Initiativen vor der Frauen-WM sind viele Türen aufgestoßen worden. Wir wollen die Kontakte weiterhin nutzen", sagt das FVR-Präsidiumsmitglied aus Wittlich-Neuerburg.
Unterstützung brauchen indes auch die Vereine — unter anderem an der Schnittstelle zu den (Ganztags-)Schulen. Eine Reihe von Clubs könne nachmittags keine Übungsleiter an die Schulen entsenden, um eine Fußball-AG am Leben zu erhalten. Deshalb will der FVR pro Spielkreis einen Pool mit Trainern bereitstellen, aus dem sich bei Bedarf bedient werden kann.
In den Vereinen ist die Trainersuche für die eigenen Mannschaften derweil auch kein Kinderspiel. "Es ist immer noch schwierig, Leute mit guter Qualifikation dafür zu begeistern, im Frauen- und Mädchenbereich zu arbeiten. Neben fehlender Zeit hat das auch finanzielle Gründe. Bei Männer-Mannschaften ist es eher möglich, manchen Groschen zu verdienen", sagt Marx.
Nicht nur Ina Hobracht, Vorsitzende des FVR-Ausschusses Frauen- und Mädchenfußball, empfiehlt, Spielerinnen aus dem eigenen Verein für eine Trainertätigkeit zu gewinnen.
Welche Effekte die Frauen-Weltmeisterschaft hat, vermag auch sie nicht sicher zu sagen. Potenziale sieht sie vor allem bei den E- und F-Juniorinnen: "Hoffnungen auf einen Boom sind - wenn überhaupt - bei ihnen berechtigt."Einziger rheinland-pfälzischer Frauenfußball-Erstligist ist der SC Bad Neuenahr. In seinen Reihen spielt WM-Senkrechtstarterin Célia Okoyino da Mbabi. Im TV-Kurzinterview spricht SC-Präsident Bernd Stemmeler (Foto: Verein) über ihren Wert und die am Wochenende beginnende neue Saison. Nach der WM: Rechnen Sie nun mit vollen Tribünen bei Ihren Heimspielen? Stemmeler: Das nicht, aber wir hoffen schon auf mehr Fans. Zuletzt hatten wir im Schnitt 800 Zuschauer pro Spiel, jetzt wünschen wir uns 1000. Mit Célia Okoyino da Mbabi spielt der deutsche WM-Shooting-Star in Ihrem Verein. Wie wollen Sie davon profitieren? Stemmeler: Sie gibt dem SC Bad Neuenahr ein Gesicht. Wir können Sie zu Werbezwecken einsetzen, wollen sie aber nicht verheizen. Rennen Ihnen nun Sponsoren die Bude ein? Stemmeler: Das kann man nicht sagen. Aber wenn wir jetzt Unternehmen anrufen, sind sie offener für Gespräche als vor der Weltmeisterschaft. Wie rühren Sie die Werbetrommel? Stemmeler: Wer bei unserem ersten Heimspiel am Sonntag gegen den SC Freiburg eine Eintrittskarte der WM 2011 vorlegt, hat freien Eintritt. Außerdem haben wir uns in Schulen der Stadt und des Umkreises vorgestellt, Einladungen ausgesprochen sowie Freikarten an Vereine verschickt. Wir wollen die Leute ins Stadion locken und ihnen zeigen, welch toller Fußball geboten wird. bl

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort