Motorrad High Noon auf dem Benzin-Pferd

NÜRBURGRING · Motorradbegeisterte Amateure vom Saargau haben sich Langstrecken-Rennen verschrieben.

 Das Motorrad mit der Startnummer 127 gibt es beim Reinoldus-Cup auf dem Nürburgring dreimal – auf diesem Bild ist Jörg Dawen vom Team aus dem Saargau zu sehen.

Das Motorrad mit der Startnummer 127 gibt es beim Reinoldus-Cup auf dem Nürburgring dreimal – auf diesem Bild ist Jörg Dawen vom Team aus dem Saargau zu sehen.

Foto: Trierischer Volksfreund/Jürgen C. Braun

Breitbeiniger und mit gebeugterem Rücken als Jörg Dawen nach seinem dritten „Stint“ an diesem Tage hätte auch John Wayne nach einem Dreh-Tag  zu „Rio Bravo“  nicht vom Pferd steigen können.  „Stint“ – so nennen die Motorsportler einen zeitlich begrenzten Dauereinsatz bei einem Langstrecken-Rennen bis zum Fahrerwechsel. Für den 41-jährigen Zimmerer-Meister aus Irsch bei Saarburg war es kurz nach 12 Uhr an diesem Tag bereits der dritte Stint. Heißt im Klartext: einen Tank (17 Liter) leer fahren. Das sind etwa 40 Minuten oder 19 Runden auf der GP-Strecke. Manchmal auch 20. Je nach Rundenzeit. Neben Dawen gehören der Luxemburger Ben de Bondt und heute noch Stefan Hesterberg aus dem Sauerland als Gastfahrer zum Fahrertrio.

Dawen ist Teil des Teams National Moto. Alles Biker-Jungs mit Herz und Hirn: drei Fahrer, drei Mechaniker, ein Zeitnehmer, ein Mann für die Organisation. Zusammen bestreitet die Crew vom Saargau die Saison im Reinoldus-Langstrecken-Cup auf dem Ring. Fünf Rennen – allesamt auf dem Nürburgring (siehe Info). In der Regel sonntags nach einem VLN-Renntag, weil dann schon einiges an Equipment steht.

Die Equipe verbindet vor allem eines: die Liebe zum Motorrad-Rennsport. Zum Ausdauersport auf der „Gummikuh“. Allesamt gehen sie sogenannten bürgerlichen Berufen nach. In der Regel sind  Industrie, Handwerk,  Technik  ihr täglicher  Hintergrund beim Brötchen verdienen. Gut situierte Leute mitten aus dem Leben. Der klassische Mittelstand halt. Der Renntag beginnt für sie morgens um sechs Uhr. Dann, wenn unten im Hatzenbach-Bogen noch der Tau an den Grashalmen  hängt, und die Luft über dem Michael-Schumacher-S noch dem Zwitschern der Blaumeise und nicht dem Kreischen der Triebwerke gehört.

„Bevor das Training beginnt, ist so viel zu erledigen an den Motorrädern und  in der Box. Da müssen wir so früh raus“, erklärt Kai Altenhofen. Der 32-Jährige aus Ayl, Fahrer im Team seit 2011, macht 2018 eine schöpferische Pause als Fahrer. Aus gutem Grund. „Wir erwarten zum zweiten Mal Nachwuchs. Wenn ich mir beim Rennen den Arm oder das Schlüsselbein brechen würde, müsste meine Schwiegermutter bei uns einziehen, um meine Frau zu entlasten.“ Weshalb er jetzt Team-Organisator ist. So eine Art Mädchen für alles.

In der Box haben neben dem Fahrer-Trio die Mechaniker und der Zeitnehmer das Sagen. Marco Martini aus Nittel, Christian Eiden aus Ayl, Daniel Sonntag aus Nittel und Stephan Brocker aus Mannebach schuften dort permanent an den drei Bikes mit der Nr. 127, sind beim Fahrerwechsel vor Ort, heizen die Reifen vor, gucken nach jedem Schräubchen, jedem Elektronik-Teil. Die Box mutet in Ausstattung und  Optik professionell an. Da steckt viel Arbeit, Können und Liebe zur Sache dahinter. Auf die Idee, dass hier sogenannte Amateure am Werk sind, kommt kein neutraler Betrachter.

Jeder der drei Fahrer hat sein eigenes Renn-Motorrad (Wert des Naked Bike etwa 20 000 Euro). Gewechselt wird nach jedem Stint der Transponder auf das Einsatz-Bike. Meist erfolgt das per Klett auf dem Tank der Maschine.

Die drei Yamaha R1 mit der Startnummer 127 sind demzufolge identisch. Der wassergekühlte Vier­zylinder-Motor, ein Viertakter, dreht bis 14 700 Umdrehungen hoch. Er  leistet 200 PS bei einem Gewicht der Maschine von knapp 170 Kilogramm.

So ein feuriges Benzin-Pferd ist kein Spielzeug für den Sonntags-Ausflug in die Eifel. Schon gar nicht über sechs oder acht Stunden, die sich die drei Fahrer im Rennen teilen. „Ich  bereite mich durch Training im Fitness-Studio vor. Joggen für Kondition und Ausdauer gehören dazu“, sagt Dawen, der zu Hause einen eigenen Betrieb hat.

Knappe 50 Räder sind um kurz nach 9 Uhr am Samstagmorgen zum Rennen gestartet. Auf der Strecke wird um jede Position gekämpft. Mit harten Bandagen, aber fair. In der Box hat die Crew vom Saargau jede Menge zu tun. Mehr als nur sechs Stunden lang. Um kurz vor 16 Uhr steht dann fest: Zweite geworden sind sie heute in ihrer Klasse. Der stärksten wohlgemerkt. Und der Tag ist noch lange nicht zu Ende. Box ausräumen, säubern, aufladen, heimfahren, abladen.

Denn das Benzinpferd war um 12 Uhr mittags noch lange nicht gezügelt. „High Noon“, würde Gary Cooper sagen, ist erst um Mitternacht.

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