Die Rückkehr der Röhre

TRIER. Ihre viel belächelten Liebhaber mussten jahrelang in die Röhre schauen – jetzt können sie endlich wieder hineinschlüpfen: Die hautengste aller Jeansvarianten feiert ihre Rückkehr.

Sie war so tot. Toter ging's nicht. Und schlimmer als sie waren nur Karotten und gepunktete Leggins. Wer in den vergangenen 15 Jahren eine Röhrenjeans trug, konnte sich der öffentlichen Missbilligung dieses modischen Fehlgriffs sicher sein. So groß für die modischen Anarchisten die Qual gewesen sein mag, überhaupt in die enge Baumwollpelle hineinzukommen, so groß war für Modebewusste die Pein, sie darin spinnenbeinig durch die 90er laufen zu sehen. Doch die Mode lässt nix verkommen. Durften in den vergangenen Jahren die bekanntlich aus den 70ern entlehnten Schlaghosen ihren Siegeszug durch Europa antreten, war es nur eine Frage der Zeit, bis auch das Jeans-Kind der 80er wieder zu seinem Recht kommen würde. 2006 ist es endlich so weit: Nach mehreren Jahren des fruchtlosen Versuchens ist es den Modeschöpfern gelungen, die Röhrenjeans wieder salonfähig zu machen. Claudia Schiffer trägt sie wie so viele andere der Schönen und Reichen, die in Modemagazinen abgedruckt werden, und die Regale hängen voll mit ihr. "Der Trend geht ganz klar zur schmalen Form", sagt Anette Zienterra, Inhaberin und Geschäftsführerin eines angesagten Trierer Jeansgeschäfts. Das zeichne sich mittlerweile auch im Straßenbild ab und die Nachfrage nach den engen Röhren sei groß. Eine Eigenart des frühen 21. Jahrhunderts mag es sein, dass die modischen Jeansfarben sich auf dunkle Töne beschränken: dunkelblau und schwarz sind angesagt - im Fachjargon "cleane", dunkle Waschungen mit wenigen Effekten. Auch insgesamt werden die Jeans "ruhiger", verzichten zunehmend auf dekorative Stickereien, Perlen, Strass oder auffällige Farbeffekte. Eine Abart der regulären Röhre ist die in Skandinavien und Italien beliebte "Loose-Röhre". Sie ist im Gegensatz zur normalen Röhre oben weit und wird erst unten eng. Nach Meinung Zienterras wird sie sich bei uns nicht durchsetzen. "Sie macht einen langen Oberkörper und kurze Beine", sagt sie. Auch bei der Schuhmode kehren vergangene Zeiten zurück, denn unter der hautengen Hose trägt Frau Ballerinas, Leinen-Turnschuhe oder steckt die Röhrenenden in hohe Lederstiefel. Der Mann, dessen Röhre nicht ganz so eng ist, greift seit Kurzem auch mal zum eleganten Lederschuh. Die Mode sei insgesamt erwachsener geworden, sagt die Fachfrau. Wurstpelle und Presssack! Einen Haken hat die wiederbelebte Röhrenmode: Sie ist nicht für alle Figuren geeignet. Was bei schlanken Frauen sexy sein mag, könnte von Fülligen getragen wenig charmante Assoziationen wecken. Wem die Röhre - Mode hin, Mode her - nach wie vor ein Graus ist, muss nicht verzweifeln. Noch hat sie all die anderen Schnitte nicht verdrängt: Den klassischen "Boot-Cut" gibt es nach wie vor überall zu kaufen, auch die geraden Formen und selbst Schlaghosen finden sich noch. "Leibhöhe" ist der Fachbegriff für den Ort, an dem die Jeans am menschlichen Körper ihr oberes Ende findet. Zumindest der Wortteil "Höhe" war in den vergangenen Jahren nicht ganz treffend. So viele String-Tangas gab es zu sehen, so viele Hüftknochen und der Schambereich war nur um ein Haar bedeckt. Doch damit ist nun Schluss. Denn die Leibhöhe wandert wieder nach oben. Dass sie wie bei der 80er-Jahre-Karotte bis in die Taille klettert, scheint jedoch unwahrscheinlich. "Eine Jeans darf nicht zu hoch sitzen", sagt die 19-jährige Katja Pfeiffer bestimmt. Am liebsten mag sie enge Boot-Cuts ohne Taschen am Hintern. Ihre Freundin Christina Klaeser bevorzugt lässige Hosen mit großen langen Taschen. Doch in einem sind sich die beiden einig: Röhrenjeans finden sie furchtbar hässlich. Da hilft auch der neueste Trend nicht.

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