Zusammen die Falten zählen

SAARBURG. Sexualität ist kein Privileg der Jugend, auch im fortgeschrittenen Alter bleibt der Wunsch nach Zärtlichkeit und Nähe. Wie erfüllt er ausgelebt werden kann, hängt nicht nur von den bisherigen Gewohnheiten, sondern auch der Fähigkeit ab, sich mit neuen Formen auf altersbedingte Veränderungen einzustellen.

"Sexualität hat allgemein mit Genussfähigkeit zu tun", sagt Diplom-Psychologin Birgit Wald von der Lebensberatungsstelle Saarburg. "Man kann das mit Essverhalten vergleichen: Nehme ich mir Zeit, oder schlinge ich hastig hinunter, bin ich offen für neue Genüsse, oder lehne ich sie ab?" Auf diese Weise sei Sexualität im Alter die Fortsetzung dessen, was bisher gelebt worden sei. Doch wie Essgewohnheiten auch unterliege sie Veränderungen. Bei Männern nehme die sexuelle Aktivität häufig aus gesundheitlichen Gründen ab, sei jedoch lange eine wichtige Komponente im Leben. Anders als bei Frauen, die während und nach den Wechseljahren oft unter unangenehmen körperlichen Erfahrungen litten: "Da treten als Folge von Hormonumstellungen plötzlich Schweißausbrüche beim Kuscheln oder Schmerzen beim Verkehr auf, weil die Scheide enger und trockener geworden ist." Damit ginge häufig das Gefühl einher, nach Verlust der Gebärfähigkeit und durch andere altersbedingte Veränderungen des Körpers unattraktiver geworden zu sein. "Das muss nicht sein", meint Birgit Wald. "Ein positives Selbstbild hängt nicht von Gebärfähigkeit, sondern von dem ab, was die eigene Persönlichkeit ausmacht." Deshalb sei es wichtig, lebenslang daran zu arbeiten. Frauen, die aktiv, gesund und sportlich lebten, bekämen die körperlichen Veränderungen des Klimakteriums überdies weniger mit. Ratsam sei, sich in dieser Phase eine gute Frauenärztin zu suchen, mit der man über die Entwicklung des Körpers und das daraus entstehende Verhältnis zur Sexualität reden könne. Es gebe inzwischen einige pflanzliche Präparate, die Beschwerden lindern könnten, und deren Einsatz sinnvoller sei als mit einer Hormonspritze die Frau für den Mann wieder passend zu machen. "Man tritt in eine reifere Lebensphase ein, wo nicht mehr alles so funktionieren muss wie in der Jugend, wo man mit gutem Körpergefühl aber spürt, was sich verändert und was man braucht.""Sich Zeit und Muße nehmen"

Über diese Bedürfnisse sollten Partner offen reden und zusammen zu neuen Formen finden. "Basis ist Geborgenheit und Zärtlichkeit, und dass man sich Zeit und Muße nimmt." Das gelinge um so besser in Beziehungen, die mit einem großen Potenzial an gemeinsamen Interessen und gemeinsamer Genussfähigkeit auch andere Neuorientierungen wie den Wegzug der erwachsenen Kinder oder den Eintritt ins Rentenalter meisterten. "Wieder als Paar zusammenzufinden ist für viele Menschen nicht einfach, oft wird überlegt: Was machen wir zwei denn jetzt zusammen?" Vieles müsse neu gelernt werden, aber gerade in langjährigen Partnerschaften könne auf ein großes Maß an Vertrautheit und Erfahrung zurückgegriffen werden. Sexualität, sagt Psychologin Wald, gewinne in jedem Fall durch Selbstbewusstsein und Humor: "Man wird ja gemeinsam alt, und da zählt man auch schon mal zusammen die Falten."

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