Das Jahr wird spannend: Aussichten für die Region

Schuldenkrise, Euro-Krise, Bankenkrise: Die schlechten Nachrichten aus der Finanzwelt reißen nicht ab. Dennoch ist die Stimmung in der Wirtschaftsregion Trier zumindest vorsichtig optimistisch.

Die internationalen Finanzmärkte kämpfen mit Hiobsbotschaften, immer öfter wird vor einer Rezession gewarnt. Die Lage für Deutschland sieht noch verhältnismäßig stabil aus. Auch, wenn seit Mitte des Jahres die Krisenschatten deutlicher werden, gilt 2011 mit einem Wirtschaftswachstum von drei Prozent unterm Strich als gutes Wirtschaftsjahr.

So konnte der Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels (BGA) Anfang Dezember mitteilen, dass die deutschen Exporte die Billionen-Marke überschritten haben. BGA-Präsident Anton F. Börner sagte: "Deutschland erweist sich in der Euro-Krise als Zugpferd für die europäische Wirtschaft."

Es gebe eine große Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung, hieß es Anfang Dezember von der Bundesbank. Dennoch prognostizierte sie lediglich eine Wachstumsdelle und keine Rezession. Zwar werde das Bruttoinlandsprodukt 2012 nur um 0,8 Prozent zulegen. Aber schon für 2013 kündigen die Notenbanker wieder ein Wachstums von 1,8 Prozent an.

Auch die Stim men aus der Wirtschaftsregion Trier sind optimistisch - teils verhalten wie in der Industriebranche, teils jubelnd, wie beim Handwerk. Und auch der Handel ist zufrieden mit dem guten Konsumklima zur Weihnachtszeit.

Macher, Menschen + Märkte hat die Experten in der Region nach ihren Einschätzungen für das Wirtschaftsjahr 2012 befragt.

VTU: Verhalten optimistisch, aber mit Sorgenfalten



Etwa 440 Mitglieder aus allen Branchen zählt die Vereinigung Trierer Unternehmer (VTU). Entsprechend unterschiedlich ist die derzeitige Stimmung. "Es gibt nach wie vor einige Branchen, die fantastisch boomen", sagt VTU-Vorsitzender Frank Natus. "Dazu zählen die Automobilindustrie und deren Zulieferer, die chemische Industrie und die Medizintechnik. "Dort ist die Auftragslage im positiven Sinne wahnsinnig."

Andere Branchen seien zwar durchaus noch optimistisch und guten Mutes, aber verhalten aufgrund der internationalen Finanzkrise. "Wenn jetzt Italien, Spanien und die USA noch mit runtergerissen werden, muss man davon ausgehen, dass es in all diesen Volkswirtschaften zu Rezessionen kommt. Und das trifft dann irgendwann auch uns in Deutschland."

Dann gebe es noch einige wenige, die größere Probleme haben, meint Natus und verweist auf das Trierer Stahlwerk, das Ende November einen Insolvenzantrag gestellt hat. Unterm Strich fasst der VTU-Chef zusammen: "Die Stimmung ist verhalten optimistisch. Aber es gibt schon große Sorgenfalten wegen der finanzpolitischen Unsicherheiten."

IHK: Leichte Krisenschatten in der Industrie



Trotz Finanzmarktturbulenzen zeigen sich die regionalen Betriebe in der Herbstumfrage der Indus trie- und Handelskammer Trier (IHK) mit ihrer wirtschaftlichen Lage überwiegend zufrieden. Die Hälfte bezeichnet ihre Geschäfte als befriedigend, 42 Prozent befinden sie als gut. Es wurden mehr als 150 regionale Unternehmen aus Handel, Industrie und Dienstleistungssektor mit insgesamt 16 000 Arbeitnehmern befragt.

Doch die globale Finanzkrise wirft ihre Schatten auch auf die Region: Mittelfristig gingen die Unternehmen im Herbst von einer Verlangsamung des Wachstums aus. Im Frühjahr standen noch 33 Prozent Optimisten lediglich sieben Prozent Pessimisten gegenüber; im Herbst lag das Verhältnis bei 20 zu 17 Prozent.

"Durch die Staatsschuldenkrise ist die Unsicherheit in allen Bereichen stark gewachsen", sagt Matthias Schmitt, der für Standortpolitik und Unternehmensförderung zuständige Geschäftsführer der IHK Trier. Er weist darauf hin, dass die Einschätzung zur wirtschaftlichen Lage und Zukunft von Anfang Oktober datiert.

Im Herbst hatten beispielsweise noch 42 Prozent der Betriebe aus dem Industriesektor ihren Auftragseingang als positiv und nur zwölf Prozent als negativ bewertet. Es könnte sein, dass sich in diesem Bereich die Lage verschlechtert habe, vermutet er. Von einigen Industrieunternehmen wisse er jedoch, dass sie über ein Auftragspolster verfügen, das noch für etliche Monate reiche. Ihre mittelfristige Geschäftserwartung schätzte die Industriebranche im Oktober schlechter ein als noch im Frühjahr (siehe Grafik rechts).

Eine stabilisierende Rolle für die Region schreibt Schmitt der Dienstleistungsbranche zu. Das liege daran, dass diese sehr binnenmarktorientiert sei. "Die Industrie dagegen hängt stärker vom Weltmarkt ab, die wichtigsten Märkte für die Region liegen in der EU", erklärt er. Bereits in der Herbstumfrage waren die Exporterwartungen sehr verhalten: Mit einer Steige rung rechneten nur 15 Prozent. Im Frühjahr 2011 waren es noch 47 Prozent. "Allerdings ist die Region Trier weniger abhängig von der Ausfuhr ihrer Waren als andere Regionen", betont Schmitt. Ein Grund: "Ein Schwerpunkt liegt in der Nahrungsmittelindustrie, die vor allem den Heimatmarkt bedient."

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, Dachverband der IHK, prognostizierte Mitte Oktober für 2012 ein Gesamtwachstum der deutschen Wirtschaft um ein Prozent. "Das ist nicht übermäßig toll, aber es wird auch kein extrem tiefes Loch reißen", meint Schmitt. Ein Wachstum von drei Prozent wie in diesem Jahr lasse sich nicht ewig durchhalten. "Im Frühjahr war die Stimmung noch überbordend positiv. Da ist die Dynamik erstmal raus."

HWK: Gute Stimmung im Handwerk


Noch positiver als im vergangenen Herbst beurteilt das regionale Handwerk seine aktuelle Geschäftslage. 93 Prozent der Betriebe nennen sie gut oder befriedigend, 2010 waren es 84,1 Prozent. Auch der Geschäftsklima index ist mit 91 besser als vor einem Jahr (siehe Grafik). Metallbauer, Bäcker, Optiker, Ausbauhandwerker und Betriebe aus dem Kraftfahrzeuggewerbe: Alle gaben bei der Konjunkturumfrage der Handwerkskammer (HWK) Trier aus dem Herbst an, auf einem weitgehend positiven Kurs zu sein - auch mit Blick in die Zukunft.

Die durchweg positiven Prognosen datierten zwar aus dem Herbst, sie gehe aber davon aus, dass sie immer noch aktuell seien, meint Lisa Herbrand, Betriebsberaterin der HWK Trier. Die Konsumfreude nennt sie als einen Grund für die Positivmeldungen. Ausbauhandwerker profitierten ´zum Beispiel davon, dass viele in ihr Eigenheim investieren. "Es wird erwartet, dass dieses Niveau auch ungefähr gehalten wird", meint Herbrand. Einzig ein harter Winter könnte die Prognosen ein wenig trüben.

Optimismus herrscht nicht nur beim Handwerk in der Region, sondern bundesweit: "Der Geschäftsklimaindex hat sich auf ein Allzeithoch verbessert, das bisherige Umsatzwachstum verspricht ein Rekordjahr, Auslastung der Betriebe, Investitionen - überall Bestmarken", jubelte Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbands des Deutschen Handwerks im November. "Das Handwerk wird mit dieser außergewöhnlichen Aufholjagd wieder den Stand der Vorkrisenzeit im Jahr 2008 erreichen", prognostizierte er.

IG-Metall: Sicherheit bis ins zweite Quartal



Tendenziell optimistisch äußert sich auch Roland Wölfl, erster Bevollmächtigter der IG Metall Trier. Die automobilnahen Betriebe, von denen es in der Region relativ viele gebe, seien "sehr gut ausgelastet". "Viele sprechen von einer Sicherheit bis ins zweite Quartal 2012 hinein", gibt Wölfl die Stimmung von Betriebsversammlungen weiter, die er besucht hat. "Im Maschinenbau ist die Lage dagegen ein wenig ruhiger."

Bundesweit geht Wölfl von einem Rückgang der Investitionsquote aus, die 2010 und 2011 das Wachstum mitgetragen habe. "Auch in der Region ist in den vergangenen zwei Jahren bereits viel erledigt worden - teilweise waren die Investitionen ja auch vom Markt erzwungen."

Der Fachkräftemangel ist auch bei der IG Metall Thema. "Immer mehr Betriebe haben größte Schwierigkeiten, Auszubildende zu finden." Den Grund, Bewerber seien nicht ausreichend qualifiziert, kennt auch er. Da aber appelliert Wölfl auch an die Verantwortung der Unternehmen: "Sie müssen sich um solche ‚Pflegefälle' aktiv kümmern und sich mit leistungsschwächeren Schülern intensiver beschäftigen. Auch wenn das die Ausbildung teurer macht."

Arbeitsagentur: Bedarf an Fachkräften wächst



Die Arbeitsagentur Trier geht davon aus, dass sich der Arbeitsmarkt stabil auf dem aktuell guten Niveau halten wird. Luxemburg sei aber ein nicht einschätzbarer Faktor, meint Stefan Richartz, Sprecher der Arbeitsagentur Trier. Bei einer Zahl von etwa 27 000 Grenzpendlern aus der Region Trier könne die dortige wirtschaftliche Entwicklung ein Einflussfaktor für den Arbeitsmarkt hier vor Ort sein.

Vermutet wird zudem, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nochmals steigen wird. Auch der Bedarf an ausgebildeten Fachkräften werde zunehmen. "Vor diesem Hintergrund werden wir verstärkt versuchen das Fachkräftepotenzial aus der Personengruppe der Schwerbehinderten und der Älteren zu nutzen", kündigt Richartz an. Außerdem solle die Frauenerwerbsquote gesteigert werden. Auch das Thema Ausbildung werde eine besondere Rolle spielen: "Sie bietet für Betriebe eine Möglichkeit zur Deckung des Bedarfs an Fachkräften."

Jörg Henzler, Professor für Volks wirtschaftslehre:



Dass die Stimmung in der Region Trier und vor allem beim Handwerk besser ist als auf globaler Ebene, sei eine typische Situation, weiß Jörg Henzler, Professor für Volkswirtschaftslehre und internationale Finanzmärkte an der Fachhochschule Trier. "Die Angst der Bürger vor einer möglichen Inflation führt zum Beispiel dazu, dass sie sagen: ‚Ich kauf mir eine Immobilie, da weiß ich, was ich habe.‘" Diese nachvollziehbare Sorge unterstütze die Baubranche. Sollte es aber in Deutschland zu einer Rezession kommen, würden auch solche Investitionen vorsichtiger getätigt. Das treffe dann auch die Baukonjunktur, wenn auch mit erheblicher Zeitverzögerung. Diese sei auch in der Industrie zu beobachten: Zwar seien die globalen Auftragseingänge zur Zeit noch stabil. Im Oktober und November habe aber auch diese Branche die ersten schlechteren Daten gemeldet.

Die Region Trier bezeichnet Henzler insgesamt als stabil und verweist dabei auf die guten Arbeitslosenzahlen. Der und Nachbar Luxemburg als Arbeitgeber spiele eine wichtige Rolle: "Die Nähe zum Finanzplatz Luxemburg sowie der erhebliche Anteil der Dienstleistungsbranche mindert in der Region die Brutalität eines Konjunkturzyklus'." Das bedeute aber nicht, dass die Krise nicht doch irgendwann durchschlagen könne. "Sollte es zu einer drastischen Wachstumsabschwächung in Deutschland kommen, schlägt dies natürlich auf die Region durch, wenn auch mit einer Verzögerung."

Einen Rückgang der Wirtschaft um etwa ein Prozent für die Euro-Zone prognostiziert Henzler. Und eine "schwarze Null" für Deutschland, also ein Wachstum knapp über null Prozent. "Deutschland hat die Chance, an einer Rezession vorbeizukratzen. Aber das wird ein harter Kampf." Ob das gelinge, hänge an zwei Faktoren. Zum einen an den Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft durch die Fiskalkonsolidierung der Krisenstaaten. "Der drastische Rückgang der Staatsausgaben in den europäischen Krisenländern führt dort zu einem deutlichen Einbruch des Bruttoinlandsprodukts. Zudem sinken die Löhne in den Krisenländern, was wiederum den privaten Konsum unter Druck setzt."

Auch hänge viel davon ab, wie hoch die Belastungen für das Bankensystem ausfallen. Je stärker, desto weniger Risiken würden sie eingehen und desto weniger Kredite an Unternehmen vergeben. "Und eine Verschärfung der Kreditvergaberichtlinien der angeschlagenen Banken schlägt relativ schnell auf die Wirtschaft durch."

Ariane Arndt

FACHKRäFTEMANGEL



In der Region Trier fehlen etwa 3000 Fachkräfte. Das ist das Ergebnis einer Studie von der Industrie- und Handelskammer Trier (IHK), der Handwerkskammer Trier (HWK) und der Initiative Region Trier (IRT). Besonders betroffen sind Bauge wer be, IT-Wirt schaft, Pflegedienste, Metall- und Elektrounter neh men sowie die Gastrono mie. Gründe seien neben der geringen Arbeits lo sen quote, das Nettolohn gefälle in Kon kur renz mit Luxemburg, zu star rer Kün di gungsschutz, ein schwa ches Image der Region und Defizite in der Schulbil dung von Bewerbern. Befragt wurden 700 Unternehmer mit insgesamt 32 000 Be sch äftigten. Die Ergebnisse wurden auf die Gesamtzahl der Betriebe hochgerechnet. Landwirte, Winzer, Freiberufler und Arbeitgeber im öffentlichen und gemeinnützigen Sektor wurden nicht befragt.

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