Alles auf Anfang

Die Frage, warum sich die Menschen in Scharen von der SPD abwenden, dürfte noch Gegenstand heftiger Diskussionen sein.

So viel steht aber jetzt schon fest: Seit Gerhard Schröder die Partei auf seinen Agenda-Kurs zwang, ist ihr Anspruch auf soziale Gerechtigkeit scheinbar hoffnungslos lädiert. Genau das war jedoch der Markenkern der Sozialdemokratie. Es ist, als ob Maggi nicht mehr nach Maggi schmeckt und Persil nicht mehr reinigt. Auch nachträgliche Reparaturversuche wie die Verlängerung des Arbeitslosengeldes oder der Drang nach Mindestlöhnen vermochten den politischen Schaden nicht zu beheben. Der Vertrauensverlust reicht bis tief in die Kernwählerschaft. Mit einer erneuten Regierungsbeteiligung wäre diese verhängnisvolle Entwicklung womöglich noch einmal kaschiert, aber keinesfalls gestoppt worden. Nun bleibt der SPD nur der Gang in die Opposition. Und der wird schwer genug.

Die Grünen können mittlerweile Opposition, die Linken schon immer, aber die SPD? Wie bescheiden ihre personellen Ressourcen geworden sind, zeigt sich daran, dass Frank-Walter Steinmeier trotz seines persönlichen Absturzes Oppositionsführer werden soll. Als "rechter" Sozialdemokrat wäre Steinmeier allerdings auch so ziemlich der Einzige, hinter den sich alle Parteiströmungen versammeln könnten, um die SPD nach links zu öffnen. Dieser Schwenk ist unumgänglich, will sich die Partei wieder stärker auf ihren Markenkern besinnen. Eine andere Chance hat sie nicht. Dazu müssen die Sozialdemokraten endlich ihr Verhältnis zur Linkspartei klären. Nur so können sie auch einen Teil ihrer Wähler zurückgewinnen. Schon vor diesem Hintergrund ist für Franz Müntefering kein Platz mehr als SPD-Chef, und er scheint das nun auch selbst zu spüren. Der Sauerländer ist nicht nur die personifizierte Ausgrenzung der Linkspartei. Als Urvater der Rente mit 67 steht er gewissermaßen für eine Schröder-Agenda hoch drei und damit einem programmatischen Neuanfang im Wege. Auch hier sollte Steinmeier seinen Anspruch auf die Nachfolge anmelden. Denn das Schlimmste für die SPD wäre jetzt, sich in Lagerkämpfen selbst zu kannibalisieren. Aber eine Linksöffnung birgt für die SPD auch große Gefahren. Sie könnte zwischen den Trittins und Lafontaines förmlich zerrieben werden. Das Risiko, sich in einem sozialen Überbietungswettbewerb von seriöser Politik zu verabschieden, ist groß. Und auch die gehört seit Brandt, Schmidt und Schröder zum Markenkern der SPD.

nachrichten.red@volksfreund.de

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