Politischer Realitätsverlust

Seit zwei Jahrzehnten doktert die Politik an unserem Gesundheitssystem herum. Vertrauen und Sicherheit sind dabei stetig gesunken, die Kosten hingegen gestiegen.

Jede "Reform" hat für weitere Verunsicherung und Destabilisierung gesorgt, den Finanzierungskollaps aber nur bis nach der nächsten Wahl hinausgeschoben. Ulla Schmidts Auftritt auf dem Ulmer Ärztetag war nur ein weiteres Dokument dieser gescheiterten Politik und des damit verbundenen Realitätsverlustes. Jetzt werden wieder neue Bürokratien geschaffen und einige Milliarden mehr ins System gepumpt. Es hilft nichts - denn das System ist das Problem.Es gibt viele Player im Gesundheitswesen, und keiner kann von sich aus an Sparsamkeit und Effizienz interessiert sein. Da ist die Pharma-Industrie, die mit überteuerten Medikamenten Millionengewinne macht. Da sind die Kassen, die einen knallharten Kampf um nützliche Kunden führen. Da sind die Ärzte, die eine immer aufwendigere Medizin mit immer dürftigeren Kostensätzen betreiben sollen und schon von daher auf Umsatz angewiesen sind. Und da sind die Patienten, die reichlich Geld in einen für sie immer undurchschaubareren Gesundheits-Topf einzahlen müssen und im Gegenzug alles rausholen, was rauszuholen ist.

Die Politik versucht, mit immer absurderem Dirigismus das zu ersetzen, was diesem System fehlt: Ein vernünftiges Maß an Markt. Sie knebelt die Krankenhäuser, deckelt die Ärzte, melkt die Patienten. Sie klebt Tesafilmstreifen auf ein Fass ohne Boden und wundert sich, dass es weiter ausläuft.

Markt kann immer nur vom Kunden ausgehen, also im Gesundheitswesen vom Patienten. Zwischen den Leistungen, die er einkauft, und dem, was er bezahlt, muss es einen für ihn steuerbaren Zusammenhang geben. Das gilt selbstverständlich nicht für Notfälle, chronische Erkrankungen, Behinderungen und die Grundversorgung, die durch einen von allen Bürgern zu zahlenden Beitrag abgedeckt werden müssen. Aber was er darüber hinaus will, Rundum-Sorglos oder Basis-Paket, muss der Patient selbst entscheiden, jedenfalls der erwachsene.

Wetten, dann ginge es ganz schnell: Der Patient würde seinen Arzt schon darauf hinweisen, wo man sparen kann. Und der Arzt würde zweimal überlegen, ob es zum teuren Präparat keine Alternative gibt. Die Pharma-Industrie müsste sich auf gewachsenes Kostenbewusstsein einstellen. Und mit dem gesparten Geld ließe sich locker eine soziale Komponente finanzieren.

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