Politiker

Zum Rücktritt von Christian Wulff, zur Nominierung Joachim Gaucks und zu den Thesen des Philosophen Richard David Precht:

Nach dem Willen der Väter und Mütter des Grundgesetzes wird auch der neue Bundespräsident, wie gehabt, in einem weltweiten Verfassungs-Unikat, nämlich in der Bundesversammlung gewählt. Eigentlich ist die Wahl überflüssig geworden, nachdem in der Sonntagssitzung Quinquagesima (Fastnachtssonntag) der Spitzen der angeblich wichtigsten im Bundestag vertretenen Parteien ein parteiübergreifender Kandidat bestimmt wurde. Fast hätte diese "Sabbatschändung" die Regierungskoalition auch noch "das Leben" gekostet. Ein einziger Makel des Kandidaten hätte jedoch zu früheren Zeiten zu seinem Ausschluss für das hohe Amt geführt: Herr Gauck lebt seit Jahren getrennt von seiner Ehefrau und der Mutter seiner vier Kinder, offenbar jedoch in einer nicht legalisierten Beziehung. Ein Ansporn für all die, die monatelang bis zum Erlegen der Beute "gewulfft" haben und sich nun auf das "Gaucken" umstellen müssten. Nachdem nun für einige Christdemokraten oder -sozialen das Kind in den Brunnen gefallen ist, drängen sie unverhohlen den Kandidaten zur Heirat und somit zu einer schnellen Beendigung des unchristlichen Konkubinats. Wäre der ehemalige Pfarrer Gauck ein Kathole, könnte erstmalig eine Zölibatesse ins Bellevue einziehen. "Mal schau\'n", sagt der Kandidat bei Nachfrage nach dem Sakrament oder "weltlich Ding" frei nach Luther. Andere mögen denken: mein Gott, Herr Pfarrer! Hans Reuter, Zerf Den Gedanken und Ausführungen des Publizisten und Philosophen Richard David Precht konnte ich bisher oft vorbehaltlos folgen, weil sie meist innovativ und philosophisch untermauert haben, was ich selbst denke. Nicht so jedoch seine Äußerungen zur Causa Wulff. Gibt es wirklich in unseren Tagen keine Messlatte mehr, "was gut und was schlecht ist"? Noch gibt es zumindest die Zehn Gebote (praktische Grundsätze, die sich aus dem obersten Prinzip ableiten und damit Grundprinzip von Moral im engeren Sinn sein müssten) oder etwa den kategorischen Imperativ eines Immanuel Kant. Die Frage, die sich bei Christian Wulff stellt, ist nicht einmal die nach einer verstaubten oder nicht mehr allgemein zu vermittelnden Moral, sondern vielmehr die nach überzeugender Haltung. Wir wünschen uns keinen Heiligen als Bundespräsidenten. Wohl aber einen Mann mit einer Haltung, die sich keinen Zeitströmungen anpasst, der in wichtigen Dingen des Lebens durch sein Denken und Handeln dokumentiert, dass er Wissen und Gewissen besitzt. Ich bin mir sicher, dass Wulff beides im Grunde genommen auch besaß: Seine Vertuschungstendenz und seine Salamitaktik bei der Offenlegung haben das bewiesen. Nur wer erkennt, dass sein Verhalten nicht in Ordnung ist, hat Grund zu vertuschen. Richard David Precht stellt die Frage, ob Wulff ein so viel unmoralischerer Bundespräsident gewesen sei als mancher seiner Vorgänger. Er zieht Vergleiche mit Karl Carstens und Richard von Weizsäcker und führt deren NS-Vergangenheit beziehungsweise ihre indirekte Mittäterschaft an Machenschaften der Firma Boehringer an. Beiden ist jedoch gelungen, sich überzeugend von Fehlern ihrer Vergangenheit zu lösen; deshalb standen sie als integer da. Ihr fehlerhaftes Verhalten aus der jeweiligen biografischen Situation heraus haben sie erkannt und geändert und haben somit Wissen, Gewissen und Haltung unter Beweis gestellt, die sie infolgedessen auch mit Überzeugung in ihren Reden von den Parteien und Menschen unserer Republik einfordern konnten. Genau das hat Herr Wulff leider vermissen lassen. Nicht das Amt des Bundespräsidenten ist beschädigt worden; auch die Nachforschungen von Journalisten tragen keineswegs die Schuld am Scheitern von Herrn Wulff. Die Schuld, ohne moralinverschmierten Zeigefinger sei es gesagt, liegt einzig und allein in Wulffs Person. Franz-Rudolf Woll, Konz Eifel-Literatur-Chef Josef Zierden bangt um seinen prominenten Festival-Gast, der nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten "wohl fremdbestimmt sein" wird. Es ist genau dies, was wir nicht erleben werden: Joachim Gauck wird sich das, was sein Amt ihm als Pflicht und Verantwortung auferlegt, zu eigen machen. Und wenn er dann noch Zeit findet zu seinen Vortragsreisen, wird er - wie versprochen - auch nach Wittlich kommen. Und wenn nicht in diesem Jahr, dann vielleicht im nächsten, ganz ohne dass Herr Zierden darum kämpft. Helke Salzburg, Wittlich Da ist jemand keine zwei Jahre im Amt des Bundespräsidenten. Er tritt wegen persönlichen Fehlverhaltens und offensichtlicher fehlender Eignung zurück, ist 52 Jahre alt, ausgebildeter Jurist und voll arbeitsfähig. Nun wird diskutiert, ob er Anspruch auf den "Ehrensold" von 200 000 Euro zuzüglich eines Büros samt Sekretärin und Dienstwagen hat. Da muss jedem "Normalbürger" die Spucke wegbleiben. Die Politik erwartet, dass jeder Bauarbeiter bei Wind und Wetter seine Arbeit bis zum 67. Lebensjahr verrichtet. Hat er dies dann mit viel Glück erreicht, muss er mit 50 Prozent seines letzten Verdienstes als Rente auskommen. Ohne sonstige Einkünfte aus privater Vorsorge droht ihm Altersarmut. Die Politikverdrossenheit der letzten Jahre hat viele Gründe, wenn die Politiker nun diese Versorgungsbezüge für Wulff beschließen, ist der allerletzte Funke von Glaubwürdigkeit verspielt. Die Oppositionsparteien sollten klar erklären, dass sie eine solche Entscheidung nicht mittragen werden. Wenn auch sie sich der Selbstbedienungsmentalität der Politiker und des öffentlichen Bereiches nicht entgegenstellen, wäre es vielleicht einmal an der Zeit, dass die Gewerkschaften sich dazu aufraffen, für Gerechtigkeit in der demokratischen Gesellschaft zu demonstrieren oder zu streiken. Paul Adams, Bernkastel-Kues

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