THEATER

Zum Artikel "Ein Hauch von Verona in Trier" (TV vom 27./28. Juli) meint dieser Leser:

Die Erwartungen an das Open-Air-Event Nabucco im Trierer Amphitheater waren durch die Vorankündigung sehr hochgesteckt: "Eine imposante Inszenierung mit der Venezia Festival Opera." "Das dramatische Spiel um Liebe und Macht wird mit prachtvollen Kostümen, imposantem Bühnenbild und zauberhafter Beleuchtung und über 100 Mitwirkenden einzigartig in Szene gesetzt. Die renommierten Solisten, der große Chor und das Orchester musizieren unter der Leitung des bulgarischen Dirigenten Nayden Todorov" (TV vom 11. Juli). Umso enttäuschender war dann die Aufführung, zu der ein herrlicher Sommerabend eigentlich den idealen mediterran anmutenden Rahmen bildete. Ein Opern-Open-Air im Amphitheater sollte sich doch unbedingt die durch die antike Konstruktion bedingte und beabsichtigte Akustik zunutze machen, die in den beiden Brennpunkten der elipsenförmigen Arena von außerordentlicher Tragweite ist. Wiewohl die Aufführung in dem akustischen Brennpunkt im Norden der Arena stattfand, so kann man natürlicherweise mit einem unter einem Zelt abseits platzierten Orchester und einer Bühne, die als dreiseitig geschlossenes Bühnenzelt konstruiert ist, die akustischen Vorzüge des antiken Theaters nicht ausschöpfen, so dass die Zuhörer über zweitklassige Verstärker mit der orchestralen Musik beschallt wurden und die Solisten auf Kopfmikrofone angewiesen waren, die die Natürlichkeit der Stimmen manipulierten. Also doch ein "beliebiges statt auf die Trierer antiken Stätten zugeschnittenes Tournee-Event", wie die TV-Mitarbeiterin Anke Emmerling zu Recht in ihrem Kommentar schreibt, vor allem ein unbedingt auf Wetterfestigkeit ausgelegtes Open Air. Das Orchester wurde aufgrund ungenügender Dynamik, fehlender Phrasierungen und unzureichender Spannungsbögen Verdis Komposition nicht voll gerecht. Mangelnde Synchronisation zwischen Orchester und Solisten bzw. Chor war an so manchen Stellen unüberhörbar. Die Mittelmäßigkeit der solistischen Stimmen wurde oft durch Lautstärke kompensiert, wie überhaupt Kraftanstrengung besonders in den männlichen Partien an die Stelle einer stützenden Stimmtechnik trat. Selbst der Gefangenenchor, dessen Komposition in höchstem Maße auf Emotionalität angelegt ist, erheischte kaum die Ergriffenheit des Publikums. Insgesamt verliehen die Akteure in ihren primitiv kitschigen Kostümen dem dramatischen Spiel der Oper zu wenig Ausdruck, so dass der gesamte Handlungsablauf - zudem noch durch unbegründete Pausen immer wieder unterbrochen - sehr viel an Dynamik und Kohärenz einbüßte und eher statisch wirkte und dazu noch vor einem gleichbleibenden funktional minimalistischen Bühnenbild. Ein wohlgemeinter Rat an den Veranstalter, sich doch im Vorfeld nach Möglichkeit selbst von der Qualität eines Ensembles zu überzeugen, bevor es dem an einen gewissen Anspruch gewöhnten Trierer Publikum präsentiert wird. Norbert Newel, Professeur de hist., rel., philolog, Longuich

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