Landespolitik Hohe Hürden für das Sonntagsshopping

Trier/Mainz · Einzelhändler fordern verkaufsoffene Sonntage in der Corona-Krise. Einen Vorstoß der CDU lehnt das Land ab. Und doch gibt es Ampelkoalitionäre, die noch auf eine wirtschaftsfreundliche Lösung spekulieren.

 Die Wirtschaft und die oppositionelle CDU im Mainzer Landtag machen Dampf, um in diesem Jahr vier verkaufsoffene Sonntage zu erlauben, die nicht an einen Anlass wie ein großes Fest geknüpft sind. 

Die Wirtschaft und die oppositionelle CDU im Mainzer Landtag machen Dampf, um in diesem Jahr vier verkaufsoffene Sonntage zu erlauben, die nicht an einen Anlass wie ein großes Fest geknüpft sind. 

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Normalerweise strömen Besucher des Trierer Altstadtfestes am Sonntag in die Läden und kaufen ein. Händler in der Region gucken in diesem Jahr aber in die Röhre. Weil verkaufsoffene Sonntage an einen Anlass gekoppelt sein müssen, große Feiern mit massenweise Besuchern aber wegen Infektionsgefahr ins Wasser fallen, droht auch das Sonntagsshopping komplett wegzubrechen, was in Rheinland-Pfalz immer stärker polarisiert.

Die Wirtschaft und die oppositionelle CDU im Mainzer Landtag machen daher Dampf, in diesem Jahr vier verkaufsoffene Sonntage zu erlauben, die nicht an einen Anlass wie ein großes Fest geknüpft sind. Gewerkschaften wie Verdi stellen sich quer. Einen Gesetzentwurf der CDU, Sonntagsshopping zu erleichtern, lehnte der Landtag inzwischen ab. Zugleich stimmten die Fraktionen mehrheitlich dafür, die verkaufsoffenen Sonntage nach der Sommerpause in einer Experten-Anhörung mit Wirtschaft, Kirchen und Gewerkschaften zu behandeln.

Gibt es dann doch eine Lösung? Landespolitisch ist das dem Vernehmen nach möglich. Selbst in der rot-gelb-grünen Ampelkoalition herrscht keine Einigkeit in der Frage, Sonntagsverkäufe blockieren zu wollen. In Reihen der liberalen FDP gibt es durchaus Sympathien dafür, in diesem Jahr noch Ausnahmen zu schaffen und auch in der Corona-Krise die vier verkaufsoffenen Sonntage zu erlauben, die gesetzlich in Rheinland-Pfalz ohnehin erlaubt wären.

Karin Kaltenkirchen, Geschäftsführerin des Modehauses Marx in Trier, hofft auf einen Weg, der dem Einzelhandel in der Krise hilft. Seit März, als Läden wegen Corona schließen mussten, habe das Modehaus fast ein Viertel des üblichen Jahresumsatzes verloren. „Da sind die offenen Sonntage ein kleiner Tropfen auf den heißen Stein, aber immerhin ein Tropfen“, sagt Kaltenkirchen. Die Unternehmerin wirft Verdi eine „Machtdemonstration“ vor. An der Sache sei die Gewerkschaft nicht interessiert. Kaltenkirchen sagt: „Sonntags bekommen Mitarbeiter für fünf Stunden Öffnungszeit sowieso zehn Stunden bezahlt. Zusätzlich erhalten sie noch einen freien Tag.“ In den meisten Unternehmen sei Freiwilligkeit gewährleistet. „Viele Mitarbeiter kommen gerne sonntags arbeiten – aufgrund der doppelten Bezahlung und weil dann der Partner zu Hause ist und auf die Kinder aufpassen kann, wenn es nötig ist“, sagt Kaltenkirchen.

Gesprächsbereitschaft senden Teile der Regierungsfraktionen aus. Den Entwurf der CDU, vier verkaufsoffene Sonntage in diesem Jahr ohne Anlass zu erlauben „und ohne Rücksprache mit den Beteiligten durchzupeitschen“, lehnt die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) zwar ab. Doch für einen Kompromiss zeigt sie sich offen. Es brauche eine Abstimmung mit Kirchen und Gewerkschaften, sagt sie. „Wir lehnen den Gesetzentwurf nicht in Bausch und Bogen ab“, sagt der SPD-Abgeordnete Jochen Hartloff, der ebenfalls fordert, alle Akteure in Gespräche einzubinden. FDP-Politiker Steven Wink betont: „Wir sind offen dafür, im Ausschuss weiter über die verkaufsoffenen Sonntage zu diskutieren.“
Wink führte zugleich rechtliche Hürden an. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat erst in dieser Woche bekräftigt, dass ein Anlass wie ein Fest oder ein Markt den Tag der Sonntagsöffnung klar prägen müssten. Hessen, das schon auf verkaufsoffene Sonntage gesetzt hatte, ruderte inzwischen zurück.

Der CDU-Abgeordnete Helmut Martin beteuert, seine Fraktion wünsche „keinen Dammbruch“ und sehe die Sonntagsruhe nach wie vor als „hohes Schutzgut“. Aber, so legt er nach: „Wir beobachten einen sich beschleunigenden Niedergang des Einzelhandels und der Innenstädte, der schon vor Corona eingesetzt hat. Dass Galeria Karstadt Kaufhof Standorte auch in Rheinland-Pfalz schließt, ist wegen der Größe außergewöhnlich. Das Ladensterben ist aber leider Alltag“, betont der CDU-Politiker. Martin sagte, das Land dürfe „nicht aus Angst vor Gerichten die Hände in den Schoß legen“. Kunden kauften ansonsten online ein.

Die heftigste Gegenwehr kommt von Grünen und AfD. Grünen-Parlamentarier Daniel Köbler zitiert sogar die Bibel: „Sechs Tage sollst du deine Arbeit tun; aber des siebenten Tages sollst du feiern, auf dass dein Ochs und Esel ruhen und deiner Magd Sohn und der Fremdling sich erquicken“, nennt Köbler den historischen Hintergrund des Alten Testaments, warum Läden sonntags dichthaben sollten. Der CDU wirft er einen Gesetzentwurf vor, der „nicht sozial, nicht christlich und vermutlich sogar verfassungswidrig ist“. Sonntagsverkäufe ausweiten zu wollen sei ein fatales Signal für Beschäftige, die bereits jetzt über das Maß arbeiteten.

Matthias Joa (AfD) kritisiert, die CDU wolle Folgen der Corona-Krise nur abmildern. „Wichtig wären sinnvolle Gesetze, um Innenstadt-Viertel aufzuwerten, Soforthilfen am bereinigten Umsatzausfall zu orientieren und die Wirtschaft so wirklich zu entlasten“, schlägt Joa vor.

Im Raum Trier hoffen viele Einzelhändler dagegen weiter auf verkaufsoffene Sonntage. Sie argumentieren auch mit Wettbewerbsverzerrung in Rheinland-Pfalz und fühlen sich benachteiligt, weil dem Outlet-Center Zweibrücken 15 offene Sonntage im Jahr erlaubt sind. „Wo ist da Verdi? Wo sind da die Kirchen?“, fragt Karin Kaltenkirchen vom Modehaus Marx in Trier verärgert. Sie fordere nur Gerechtigkeit von der Landesregierung und wolle auch Sonntagsshopping anbieten. „Es ist bitter, diese einseitige Bevorzugung bestimmter Handelskonzepte zu ertragen.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort