Das lange Warten auf den Straßburger weißen Rauch

Straßburg · Nicht ganz so spannend wie eine Papstwahl - und auch nicht ganz so lang: Die Wahl des neuen EU-Parlamentspräsidenten hat gestern über Stunden hinweg die Geduld von EU-Bürgern und Journalisten strapaziert. Die Parlamentarier machten sich ihre Entscheidung nicht leicht.

Straßburg. Das hatten sich viele anders vorgestellt, andere hatten es aber auch kommen sehen: Die Wahl des neuen EU-Parlamentspräsidenten hat sich am Dienstag als zähes Ringen entpuppt. Über viele Stunden hinweg mussten sich die zahlreichen akkreditierten Journalisten und mithin auch die Bürger der Mitgliedsstaaten gedulden. Das Warten gemahnte zeitweilig an das berühmte Ausharren der Katholiken bei Papstwahlen in Rom, wenn sehnsüchtig das Aufsteigen des weißen Rauchs aus dem Kamin der Sixtinischen Kapelle herbeigesehnt wird.
Die Wahl des Parlamentschefs in Straßburg war am späten Dienstagnachmittag nach längerer Sitzungspause in die dritte Abstimmungsrunde gegangen. Dabei traten - wie bereits in den zwei Wahlgängen zuvor - wiederum sechs Kandidaten an, wie der scheidende Parlamentschef Martin Schulz mitteilte. In den ersten beiden Runden hatte der konservative EVP-Kandidat Antonio Tajani vorn gelegen, aber die nötige absolute Mehrheit der gültigen Stimmen verfehlt. Auf dem zweiten Platz lag jeweils der Sozialist Gianni Pittella. Da sich am Bewerberfeld und den Regeln nichts verändert hatte, blieb die Entscheidung auch im dritten Wahlgang aus.
Kampfansage an Europaskeptiker


Im daraufhin anberaumten vierten Wahlgang ab etwa 20 Uhr traten dann nur noch die beiden Bestplatzierten an: Dabei wurde nur noch eine einfache Mehrheit benötigt. Die Entscheidung dieses vierten Wahlgangs stand bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch aus.
Der scheidende EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) hatte die Abgeordneten aufgerufen, gegen die europa-skeptischen Kräfte zusammenzustehen. Vor der Abstimmung über seinen Nachfolger sagte Schulz der Tageszeitung Die Welt: "Nach der Wahl sollten die proeuropäischen Kräfte auf einer breiteren Basis zur Zusammenarbeit zurückkehren." Das Votum könnte auch langfristige Folgen für die Brüsseler Institutionen haben, so Schulz. "Es besteht ein Risiko, dass es künftig schwerer für die EU-Kommission wird, wie in den vergangenen zweieinhalb Jahren im Zentrum der europäischen Politik zu stehen." red/dpa

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