Aus der Hölle Syriens in die Trierer Dasbachstraße

Trier · Sie alle haben in ihrer Heimat Menschen sterben sehen. Der TV hat im Trierer "Asylbewerberheim" mit Frauen und Männern gesprochen, die dem Krieg in ihrem Heimatland Syrien entkommen sind. Die Flüchtlinge erzählen von ihren Erlebnissen.

 Das Asylbewerberheim in Trier. TV-Foto: Katharina Hammermann

Das Asylbewerberheim in Trier. TV-Foto: Katharina Hammermann

Trier. Vor den ehemaligen Kasernen in der Dasbachstraße wachsen in einem kleinen Garten Sonnenblumen und Kürbisse. Ein Mann fegt den Hof, Jugendliche spielen Ping-Pong, junge Männer unterhalten sich beim Rauchen, und laut kreischend rollen Kinder auf roten Bobbycars vorbei.
Ruhig ist es bei der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende nicht gerade. Dennoch sagt die 58-jährige Turkan: "Ich kann hier endlich wieder schlafen". Ohne Angst zu haben: Angst vor den Bomben. Vor den Soldaten des Regimes. Oder auch jenen der Regime-Gegner. Ohne die Angst, eines der zahllosen Vergewaltigungsopfer zu werden. So wie ihre Freundin. "Sie hat sich umgebracht", sagt Turkan - eine verwitwete Frau, die aus der heftig umkämpften syrischen Stadt Aleppo kommt und dankbar ist, seit einigen Wochen in Deutschland zu sein, wo es neben Wasser, Essen und Strom auch Frieden gibt. Frieden …
Die Arzthelferin hat Bilder im Kopf, die so blutig sind, dass sie sie nicht in Worte fassen möchte. Bilder von den Bombenangriffen. Bilder von Soldaten, die einen befreundeten Arzt mit Stromschlägen und einem großen Stein foltern. Bilder der Gewalt. Wie ihr geht es vielen der 176 Syrer, die derzeit in Trier auf die Anerkennung des Flüchtlingsstatus warten.
Und wie sie sind seit der Flucht viele von ihren Familienmitgliedern getrennt: Turkans Sohn ist in der Türkei, eine Tochter ist in Holland, eine in Kuwait und eine noch in Aleppo - mitten im Kriegsgebiet. Auch Hassan, einem 66-jährigen Autohändler, und seiner Frau geht es ähnlich. Die beiden haben ihre Enkelkinder mitgebracht. Ihre Kinder hingegen sind noch in einem türkischen Flüchtlingslager und suchen Wege, nach Deutschland zu kommen.
Als Kurde fühlte sich Hassan in Syrien verfolgt. Nach eigenen Angaben wurde er 2011 nach einer Reise in den Irak inhaftiert. Die Entscheidung zur Flucht kam jedoch erst, als der Krieg in seine Heimatstadt Aleppo einzog und sieben Menschen vor seinen Augen von einer Bombe getötet wurden.
Bilder des Krieges, von denen auch ein 23-jähriger Jurastudent aus der einst so bedeutenden syrischen Universitätsstadt Homs zu berichten hat. "Eine schöne Stadt", sagt er traurig. Denn Homs liegt in Trümmern. Und auch die Universität existiert dem jungen Mann zufolge nicht mehr. Seinen Namen möchte er nicht öffentlich nennen. Denn zum einen hat er sich als Gegner des Assad-Regimes an Demonstrationen beteiligt. Zum anderen suche die syrische Regierung nach ihm, weil er seinen Militärdienst ableisten soll. "Wenn du in diesen Zeiten Militärdienst machst, dann musst du Menschen töten - ohne Unterschied zwischen Männern, Frauen oder Kindern zu machen - oder du wirst getötet", sagt er.
Der junge Mann entschied sich für die Flucht. Wie die anderen führte sie ihn erst in die Türkei und dann über Griechenland nach Deutschland.
In Syrien sieht er für sich keine Zukunft. Er hofft, in Deutschland bleiben und hier sein Studium beenden zu können. "Was habe ich dort?", fragt sich auch die 58-jährige Turkan, die nun in Deutschland auf ihre Kinder wartet und hofft, dass es ihnen gutgeht.
Der 66-jährige Hassan klingt verbittert. "Das System ist ein Mörder", sagt er. Erst gestern erhielt er die Nachricht vom Tod mehrerer Familienmitglieder. Und: "Die Zukunft ist schwarz." Dennoch möchte er - anders als die anderen - in sein Heimatland zurückkehren. So schön er Deutschland, das er seit 1976 regelmäßig besucht, auch findet.
In einem sind sich alle vier einig. Sie wünschen sich Frieden.Extra

Die unweit des Trierer Verteilerkreises gelegene Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (Afa) nimmt alle Menschen auf, die in Rheinland-Pfalz um Asyl ersuchen. In ehemaligen Kasernengebäuden bietet das "Asylbewerberheim" 760 Plätze. Derzeit ist es dort - vor allem wegen der zahlreichen syrischen Flüchtlinge - so voll wie schon seit Jahren nicht mehr. 550 Plätze sind belegt. "Und mehr geht kaum, weil wir nicht mehrere Familien in einem Zimmer unterbringen wollen", sagt Behördenleiter Wolfgang Bauer. Üblicherweise bleiben die Asylbegehrenden drei Monate in Trier, ehe sie auf die rheinland-pfälzischen Kommunen "verteilt" werden. Um keine Platzprobleme zu bekommen, wurde die Zeit auf acht Wochen verkürzt. Die 160 Kinder, die derzeit dort sind, können in der Trierer Einrichtung auch die Schule oder die Spielstube besuchen. Auch die Erwachsenen haben Beschäftigung. 2011 haben sie Bauer zufolge 50 000 Stunden gemeinnütziger Arbeit geleistet. Einer Quote folgend nimmt das Land 4,6 Prozent aller Flüchtlinge auf, die in Deutschland ankommen. kah

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