Berlin noch ratlos

BERLIN. Grüne und Linksfraktion haben der Bundesregierung vorgeworfen, zu wenig für eine sofortige Waffenruhe im Libanon zu tun.

Die Krise im Nahen Osten hat nun auch den Bundestag erreicht. Gestern kam der Auswärtige Ausschuss des Parlamentes zu einer Sondersitzung auf Antrag der Linksfraktion zusammen. Neben viel Ratlosigkeit zeigten die Abgeordneten vor allem eines: Der eskalierende Nahost-Konflikt taugt zum Parteienzank und zum Schlagabtausch zwischen Regierung und Opposition. "Die Bundesregierung ist untätig oder abgetaucht", bemängelte die außenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Kerstin Müller. So ähnlich klang das auch bei den Vertretern der Linken und der FDP. Verbunden war die Kritik mit einer Aufforderung: Bundeskanzlerin Angela Merkel müsse ihre guten Kontakte zu US-Präsident George W. Bush nutzen, hieß es, um auf eine umfassende US-Initiative für einen Waffenstillstand zu drängen. Alle Außenpolitiker zeigten sich davon überzeugt, um einen Flächenbrand in der Region zu vermeiden, müsse Washington aktiver werden als bisher. Koalitionspolitiker verteidigten demgegenüber die Bundesregierung: Sie tue "so viel wie möglich, auch hinter den Kulissen", wusste Gert Weisskirchen von der SPD. Er verwies auf entsprechende Initiativen beim G8-Gipfel in St. Petersburg, dem EU-Außenministertreffen sowie zahlreiche Telefonate mit Entscheidungsträgern im Nahen Osten. "Wir wollen alle gemeinsam lieber heute als morgen sehen, dass die Waffen schweigen", sagte Weisskirchen. Für die Union hob Hans Raidel (CSU) hervor: "Gute Politik ist leise und braucht keine Lautstärke." Der verbalen Auseinandersetzung im Ausschuss folgte allerdings auch die Debatte über den Beitrag, den Deutschland zusammen mit der internationalen Gemeinschaft zur Befriedung der Region leisten kann. Denn der Nahost-Konflikt hat die Bundesregierung nicht nur unter diplomatischen Druck gesetzt, sondern auch die Frage aufgeworfen, ob sich die Bundesrepublik an einer möglichen UN-Friedensmission im Krisengebiet mit Soldaten beteiligt. Sowohl Vertreter der Opposition als auch der Koalition äußerten sich skeptisch. Bundesregierung für neue Friedenstruppe

Zuerst müsse die Diplomatie kommen, dann könne über ein Kontingent nachgedacht werden, so CSU-Mann Raidel. Die Grüne Kerstin Müller hielt es überdies wegen der deutschen Geschichte für außerordentlich schwierig und "nicht richtig", deutsche Soldaten nach Israel zu schicken. Vor einer Entsendung einer UN-Truppe müssten zudem vor allem die Kampfhandlungen beendet werden. CDU-Sicherheitsexperte Eckart von Klaeden meinte, mit der Debatte um den Einsatz deutscher Soldaten würde man den "dritten oder vierten Schritt vor dem ersten tun". Zuerst müsse geklärt werden, welches Mandat eine solche Einsatztruppe überhaupt habe und ob diese "auch die Entwaffnung der Hisbollah unterstützen" solle. Die Bundesregierung ist grundsätzlich für die Schaffung einer neuen Friedenstruppe im Südlibanon, wie sie UN-Generalsekretär Kofi Annan auf dem G8-Gipfel von St. Petersburg unter Billigung der anwesenden Staats- und Regierungschefs vorgeschlagen hatte. Für eine Entscheidung über die Entsendung deutscher Soldaten sei es aber noch zu früh, hieß es gestern erneut.

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