Die Maut, der Freistaat und das Zerwürfnis in der Union

Berlin · Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat die massiven Bedenken von Finanz- und Innenressort gegen sein Maut-Konzept zurückgewiesen. Der Streit innerhalb der Unionsparteien geht unvermindert weiter.


Berlin. Regierungssprecher Steffen Seibert versuchte gestern, dem Zoff um die Maut etwas die Schärfe zu nehmen. Es sei völlig normal, meinte Angela Merkels Sprachrohr, "dass in diesem Stadium des Austausches auch Fragen auftauchen und Fragen beantwortet werden müssen". Da ist gewiss etwas dran. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat nur Eckpunkte vorgelegt, die nun innerhalb der Regierung zu einem Gesetzentwurf zusammengebastelt werden müssen. Normal ist es aber nicht, dass ein Streit in einer Koalition derart eskaliert und fast zum Schwesternkrieg ausartet. Da steckt mehr dahinter.
Vorläufiger Höhepunkt der unionsinternen Maut-Krise war zuletzt eine scharfe, auch sehr persönliche Attacke von CSU-Chef Horst Seehofer gegen Wolfgang Schäuble (CDU).
Der Finanzminister, der keine Gelegenheit auslässt, die Gebühr in Frage zu stellen, wolle das Projekt sabotieren, wetterte Seehofer. Das müsse aufhören. Ansonsten sei nach den Landtagswahlen in Thüringen und Brandenburg kommenden Sonntag "die politische Schonzeit" vorbei. Und drohend fügte der CSU-Vorsitzende hinzu: "Wir sind nicht die FDP."
Der Hintergrund dieser bissigen Bemerkung: Die Liberalen blieben die Einlösung ihrer Versprechen schuldig, was mit für ihren Absturz bei der Bundestagswahl im vergangenen Jahr gesorgt hatte.
Angekratzte Autorität


Dieses Schicksal will die CSU nicht erleiden. Daher pocht sie darauf, dass ihre zentrale Wahlkampfforderung einer PKW-Maut, die Inländer nicht zusätzlich belastet, auch umgesetzt wird. Für Seehofer steht dabei viel auf dem Spiel: Im Freistaat ist seine Autorität wegen zahlreicher CSU-Affären angekratzt. Und in Berlin will er zeigen, dass seine Partei noch Einfluss in der großen Koalition hat. Denn das Selbstvertrauen der Bajuwaren in der Hauptstadt hat arg gelitten, seit man bei den wichtigen außenpolitischen Entscheidungen weitgehend abgemeldet ist. Es herrscht Druck im Kessel.
"Natürlich ist es für die CSU schwierig, dass sie in Berlin nicht so wahrgenommen wird", heißt es verständnisvoll aus der CDU. Aber Fakt sei nun mal auch, dass Seehofers Ministerriege an Merkels Kabinettstisch eher unauffällig agiere. Manch einer glaubt sogar, dass die Christsozialen bei der Ressortverteilung auf die falschen Pferde gesetzt haben. Nach Landwirtschaft hatte die CSU gegriffen, weil es ein Kernthema für Bayern ist, mit dem Entwicklungsministerium wollte sie endlich wieder außenpolitische Akzente setzen. Das Ressort Verkehr und digitale Infrastruktur übernahm sie wegen der Maut, des Transitlandes Bayern und wegen Lederhose und Laptop.
Der nächste Großkonflikt?


Bislang hat aber keiner der christsozialen Minister überzeugend bewiesen, dass er eine gewichtige und schlagkräftige Rolle im Regierungsbetrieb einnehmen kann. Deshalb sucht die CSU oft die Konfrontation. So könnte der Abbau der kalten Progression der nächste unionsinterne Großkonflikt werden (siehe Extra).
Merkel und Schäuble sehen wegen der Haushaltskonsolidierung dafür keine Spielräume, die Bayern halten jetzt aber mit einem eigenen Gesetzentwurf dagegen.
Angela Merkel weiß freilich um die Gemütslage der kleinen Schwester. Gestern betonte sie erneut: "Dieses Projekt werden wir umsetzen." Dem Vernehmen nach ist sie genervt von den Streitereien. Auch davon, dass aus den eigenen Reihen immer wieder genüsslich Öl ins Feuer gegossen wird, um den Bajuwaren eins auszuwischen. In den Gremiensitzungen ihrer Partei soll sie mehrfach dazu aufgefordert haben, endlich miteinander zu reden. Geholfen haben ihre Appelle bisher aber kaum.Extra

Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) will noch im September einen Gesetzentwurf zur Entlastung der Steuerzahler vorlegen. "Der Abbau der kalten Progression wird am Ende so wichtig für die Union sein wie der Mindestlohn für die SPD", sagte er dem Handelsblatt (Montag). Priorität hätten aber die Stabilität des Haushalts und die Finanzierung zugesagter Infrastrukturprojekte, schränkte Söder ein. Bayern werde den Gesetzentwurf in diesem Monat aber vorlegen, damit "jederzeit bei entsprechenden finanziellen Spielräumen" eine Entlastung beschlossen werden könne. Schon die frühere schwarz-gelbe Koalition hatte einen Gesetzentwurf zum Abbau der "heimlichen Steuererhöhungen" vorgelegt. Die "kalte Progression" entsteht, wenn Einkommens- und Lohnerhöhungen nur die Inflation ausgleichen und die Kaufkraft der Arbeitnehmer nicht steigt. Durch den Tarifverlauf bei der Einkommensteuer zahlt er dann überproportional mehr Steuern an den Fiskus. dpa

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