Es muss sich was ändern...

TRIER. Welche Schule ist die beste für mein Kind? Immer wieder stehen Eltern vor dieser Frage. Der TV wird in den nächsten Wochen in einer Serie Orientierungshilfe geben. Heute stellen wir einige Reformkonzepte, die derzeit in der Diskussion sind, vor. Bildung kostet Geld. Mehr Bildung kostet mehr Geld. Eine Binsenweisheit.

 Pauken allein reicht nicht mehr aus. Experten warnen vor einem Bildungsnotstand. Die meisten Schulen würden am Bedarf vorbei unterrichten. Sie fordern eine grundlegende Reform des Bildungssystems. Foto: dpa

Pauken allein reicht nicht mehr aus. Experten warnen vor einem Bildungsnotstand. Die meisten Schulen würden am Bedarf vorbei unterrichten. Sie fordern eine grundlegende Reform des Bildungssystems. Foto: dpa

Doch eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) lässt aufhorchen: "Mehr Bildung in diesem Land ist mit dem gleichen Budget machbar", heißt es darin. Das vorhandene Geld werde lediglich falsch verteilt und verursache daher vermeidbare Kosten. Es sei unsinnig, dass Eltern für die Erziehung in den Kindergärten zur Kasse gebeten werden, Studenten aber keinen Beitrag zu ihrer Leistung beitragen müssten, provozieren die Wirtschaftsexperten. Es sei eine öffentliche Aufgabe, Sprach- und Wissensdefizite bei Kindern zu verringern, "hier muss der Staat mehr Geld in die Hand nehmen", fordert die Studie. In den späteren Bildungsphasen wie etwa an den Unis würden überwiegend Qualifikationen erworben, die sich für den Einzelnen privat in Euro und Cent auszahlen und daher von diesen auch mitfinanziert werden sollen. Ein deutliches Plädoyer also für Studiengebühren, die nach Ansicht des IW bei 2500 Euro pro Jahr liegen sollten. Die Wirtschaftsexperten setzten auf mehr und kostenlose Kindergartenplätze, verstärkte vorschulische Ausbildung, bessere Bezahlung der Erzieher und einen Ausbau der Ganztagsschulen. 20 Milliarden Euro müsste der Staat dafür locker machen. Allerdings, so die Studie, könnten auf der anderen Seite 10,5 Milliarden eingespart werden durch frühere Einschulung, mehr individuelle Förderung und ein besseres Schulklima. Dadurch könnte die Zahl der Sitzenbleiber und der nicht ausbildungsfähigen Schüler gesenkt werden. Denn Schulversager kommen den Staat teuer zu stehen, wie das IW erst diese Woche in einer Studie erneut feststellte. Für Sitzenbleiben, Nachholen von Schulabschlüssen und berufsvorbereitende Kurse nach der Pflichtschulzeit müssen jährlich 7,5 Milliarden Euro aufgebracht werden. 4600 Euro pro Schüler und Jahr musste Rheinland-Pfalz im vergangenen Jahr für die 10 500 Sitzenbleiber aufbringen. Das deutsche Bildungssystem muss effektiver werden, es muss sich mehr an den Bedürfnissen der Schüler orientieren. Das bedeutet aber eine radikale Abkehr von eingefahrenen Strukturen und erfordert mehr Mut und Kreativität der Verantwortlichen. Ganztagsschule von neun bis 16 Uhr für alle fordert zum Beispiel der Erziehungswissenschaftler und Präsident der Freien Uni Berlin, Dieter Lenzen. Und zwar eine echte Ganztagsschule mit Unterricht und Aufgabenbetreuung. Und das mit allen Konsequenzen: Lehrer müssten ihre Berufswahlmotivation überprüfen, die Belastung des pädagogischen Personals würde dadurch steigen und "das Privileg einer weitgehend freien Arbeitszeitgestaltung" würde wegfallen. Außerdem sollten Lehrer leistungsorientiert bezahlt werden. Weg mit den alten Zöpfen. Eine aus Sicht der Gewerkschaften und Lehrer nicht unbedingt wünschenswerte Reform. Doch bislang lässt die Diskussion über die Reform des Bildungswesens Ansätze zur Effektivitätssteigerung weitgehend vermissen. Vielmehr wird meist nur über neue Standards unter Beibehaltung der alten Strukturen diskutiert. Auch die rheinland-pfälzische Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) weigert sich, alte Zöpfe abzuschneiden. Eine Abschaffung des Beamtenstatuts der Lehrer trage nicht zur Qualitätssteigerung und auch nicht zur Motivation der Lehrkräfte bei. Durch mehr Gestaltungsspielraum für die Schulen, will Ahnen die Unterrichtsqualität steigern. Liegt in einer demokratischen Schule womöglich die Zukunft des Bildungssystems? Die Regionale Schule im pfälzischen Rülzheim ist eine solche. Dort können die Schüler mitbestimmen, wie zum Beispiel das Nachmittagsangebot aussehen oder wie der Stundenplan gestaltet werden soll. Ein Modell, das Schule macht? "Wer Kinder und Jugendliche zu Eigenverantwortung, Urteilsfähigkeit und zu gesellschaftlichem Engagement führen will, muss sie an der Planung und Umsetzung von Konzepten direkt und verantwortungsvoll beteiligen", lobt Ahnen das Konzept der demokratischen Schule. Andere Bundesländer sehen den Schlüssel zum Erfolg eher in radikaleren Eingriffen in das Schulsystem. Sachsen zum Beispiel. Dort wurde das dreigliedrige Schulsystem abgeschafft, Haupt- und Realschulen wurden zu Mittelschulen verschmolzen. Je nach Leistungsstand und angestrebtem Abschluss werden die Schüler gefördert und meist in Gruppen unterrichtet. Der Wechsel zwischen den einzelnen Schulformen ist möglich, auch das Abitur kann abgelegt werden. Keine ganz neue Idee. Die ursprüngliche Gesamtschule, wie sie in den 70er-Jahren unter anderem im Saarland flächendeckend eingeführt werden sollte, fußte bereits auf diesem Konzept. Das Bildungssystem ist in Bewegung. Doch trotz seit Jahren dauernder Diskussion befindet man sich noch immer in der Experimentierphase. Der Trierische Volksfreund wird in den nächsten Wochen das deutsche Bildungssystem vorstellen. Wir wollen Eltern und Schülern Orientierungshilfe geben, welche Schule, welche Ausbildung, jeweils für sie die beste ist. Im nächsten Teil der Serie "Die beste Schule für mein Kind" stellen wir die verschiedenen Stufen des Bildungssystems vor.

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