"Ich bin kein Diktator"

Die Landesregierung setzt bei der Kommunal- und Verwaltungsreform auf den "größtmöglichen Konsens" unter allen Beteiligten. Im TV-Interview betont Innenminister Karl Peter Bruch, er wolle Bürger und Politiker aller Couleur mitbestimmen lassen, denn die Reform müsse "bis 2025 oder 2030 Bestand haben".

Mainz. (fcg) In vier Wochen legt Innenminister Karl Peter Bruch (SPD) einen Vorschlag der Landesregierung für Veränderungen in der kommunalen Landkarte vor. Darin werden etliche Verbandsgemeinden benannt, die sich einen Partner suchen sollen. Wie er die Reform konkret gestalten will, verrät der Minister im TV-Interview. Mit Bruch sprach unser Redakteur Frank Giarra.

Herr Bruch, was genau wollen Sie Anfang März vorstellen?

Karl Peter Bruch: Wir werden eine Kann-Liste, eine Vorschlags-Liste, präsentieren, in der wir einigen Bürgermeistern aufzeigen werden, dass sie Handlungsbedarf haben. Der ergibt sich aus der demografischen Entwicklung: weniger Bürger = weniger Umlage = weniger Geld für Schulen und anderes. Auch die Bürger machen Druck, wenn sie zu Recht verlangen, dass Bewegung in die Sache kommt. Wir müssen deshalb Einheiten bilden, die Zukunft haben und in denen sich die Bürger wiederfinden.

Warum setzen Sie zunächst auf die Freiwilligkeit bei Fusionen von Verbandsgemeinden?

Bruch: Ich bin ja kein Diktator. Ich bin ein kollegialer und kein hoheitlicher Minister. Ich habe niemanden einbestellt, sondern die Bürgermeister sind bei uns vorstellig geworden. Weil sie erkannt haben, dass sie aus eigenem Interesse heraus handeln müssen. Zusätzlich helfen wir mit finanziellen Anreizen. Neumagen-Dhron ist ein Musterbeispiel und wird ebenso von einer Hochzeitsprämie profitieren wie Cochem.

Werden Sie bei der Ausgestaltung der Landkarte konkrete Vorgaben machen?

Bruch: Ich hoffe auf die Einsicht der Verantwortlichen und ihre lokale Kompetenz. Ich fordere ihre Mitbestimmung her-aus. Die Kreisgrenzen sind gesetzt. Aber wenn Gemeinden das anders sehen, werden wir das prüfen müssen. Nicht nur Fusionen sind ein Mittel. Bei Bitburg und Bitburg-Land oder Wittlich und Wittlich-Land heißt das Stichwort etwa "ein Rathaus". Dadurch sinken Sach- und Personalkosten. All das soll freiwillig geschehen. Erst ab 2014 werden wir jene gesetzlich bewegen, die sich nicht bewegt haben.

Wie wollen Sie die Bürger einbinden?

Bruch: Es gab bereits eine breite Bürgerbeteiligung mit Kongressen und Planungszellen im vergangenen Jahr. Derzeit bereitet die Staatskanzlei eine repräsentative Befragung vor, bei der 10 000 Haushalte gezielt angesprochen werden. Zusätzlich wird es eine Online-Befragung geben. Eine solche Bürgerbeteiligung auf Landesebene hat es in Deutschland noch nicht gegeben.

Sie fokussieren sich bei der Reform auf die Verbandsgemeinden. Warum nur auf diese?

Bruch: Die Ortsgemeinden sind für uns gesetzt, denn die dort geleistete ehrenamtliche Arbeit ist unbezahlbar. Die ersten Ansprechpartner für die Bürger sitzen direkt vor Ort. Davon ausgehend muss die Verwaltung dem Ehrenamt helfen. Die Verbandsgemeinden werden also gebraucht. Gemeinden, die handlungsfähig bleiben wollen, brauchen allerdings eine Größe von etwa 10 000 Einwohnern.

Was ist mit den Kreisen?

Bruch: Wir können eine solche Reform nicht stemmen, indem wir alles auf den Kopf stellen. Deshalb konzentrieren wir uns auf die Verbandsgemeinden. Über die Kreise reden wir sicher auch, aber erst ab 2014.

Die Opposition behauptet, hohes Einsparpotenzial biete sich bei der Ministerialbürokratie. Dort gebe es zu viele Stellen.

Bruch: Das ist einfach und schnell dahergesagt. Das sagt jede Opposition. Ich habe es wahrscheinlich damals auch behauptet. Die Realität sieht jedoch anders aus.

Wie steht es mit den Mittelbehörden, also der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) und den Struktur- und Genehmigungsdirektionen (SGD) - warum bleiben die bei der Reform außen vor?

Bruch: Sie bleiben gar nicht außen vor. Hier gibt es Änderungen bei den Aufgaben. Außerdem fangen wir ja nicht bei null an. Wir haben die Mittelbehörden von 1996 bis 2000 neu strukturiert. Das ist in sich schlüssig und funktioniert gut. Die kommunale Landschaft hat sich beruhigt. Allerdings sind noch Dinge zu erledigen, denn die Umstrukturierung der ADD ist erst 2011 abgeschlossen. Viele Planstellen in den Ministerien und bei der ADD sind bereits abgebaut worden..

Andere Bundesländer sind mutiger. Niedersachsen zum Beispiel setzt auf eine zweigliedrige Verwaltung.

Bruch: Auf dem Papier sieht das gut und mutig aus. Dabei sind die Leute immer noch da und nur auf die Behörden verteilt worden. Da arbeiten jetzt viele Landesbeamte in Kreisbehörden - recht ungeordnet. Das wollen wir nicht.

Aber gibt es nicht zu viel Bürokratie?

Bruch: Das mag im Einzelfall die Erfahrung sein. Aber insgesamt ist das zu einfach gedacht. Es geht doch gar nicht ohne Bürokratie! Bürokratie ist Grundlage rechtsstaatlicher Verfahren. Und wir haben bei uns im Land die schnellsten Genehmigungsverfahren, so dass ich das gelassen sehe. Häufig genug bekommen wir auch Vorgaben aus Brüssel, die wir umsetzen müssen. Gerade erst ist uns eine neue Hufeisenverordnung auf den Tisch geflattert…

Insgesamt herrscht der Eindruck, dass die Kommunal- und Verwaltungsreform kein großer Wurf wird.

Bruch: Was ist denn ein großer Wurf? Nur noch 100 statt 163 Verbandsgemeinden? Für mich ist die Zahl unerheblich. Meine Definition eines großen Wurfs lautet: Ich werde eine Liste vorlegen, die alle mittragen können, und mit der ich guten Gewissens vor die Menschen treten kann. Diese Reform muss politisch halten, deshalb setze ich auf größtmöglichen Konsens und die breite Bürgerbeteiligung.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort