Rückendeckung für Andrea Nahles

Berlin · Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages hat die Debatte über den Mindestlohn neu entfacht. Nach einer uns vorliegenden Expertise der Parlamentsjuristen vertragen sich viele der politisch diskutierten Ausnahmen für bestimmte Gruppen wie Rentner oder Studenten nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz in der Verfassung.

Das zwölfseitige Gutachten, das die Grünen in Auftrag gegeben haben, spielt Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles in die Hände. Gleich nach ihrem Amtsantritt hatte die SPD-Politikerin erklärt, dass der geplante Mindestlohn von 8,50 Euro ausnahmslos für alle Arbeitnehmer gelten werde. Dagegen gibt es in der Union eine Fülle von Bedenken. So hatte CSU-Chef Horst Seehofer angeregt, nicht nur ehrenamtlich tätige Personen vom Mindestlohn auszunehmen, wie es bereits im Koalitionsvertrag steht, sondern auch Saisonarbeiter und Rentner. Aus der CDU kamen Vorschläge, Studenten und Hilfsarbeiter auszuklammern. Das dürfte nun schwierig werden.
Im Koalitionsvertrag heißt es, durch die Einführung des Mindestlohns werde ein "angemessener Mindestschutz" für Arbeitnehmer sichergestellt. Daraus schlussfolgern die Rechtsexperten: Ausnahmen könnten "eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung darstellen, wenn die in Rede stehende Personengruppe zu den Arbeitnehmern zu zählen ist". Und das seien Hilfskräfte, Saisonarbeiter, Rentner und Studenten "ausnahmslos". Jedenfalls gebe es keine "wesentlichen" Unterscheidungsgründe. Auch das Argument einer niedrigen Arbeitsproduktivität bei bestimmten Tätigkeiten lässt das Gutachten nicht gelten. An ihrer Einordnung als Arbeitnehmer ändere das nichts. Das gilt laut Expertise auch dann, wenn Senioren nur etwas hinzuverdienen wollen.

Dagegen hält es der Chef des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, für problematisch, Saisonarbeiter nach Mindestlohn zu bezahlen. Allerdings ist im Koalitionsvertrag bereits zugesagt, dass mögliche Probleme bei der Saisonarbeit berücksichtigt werden sollen.
Andrea Nahles will ihren Gesetzentwurf noch vor der Sommerpause in den Bundestag einbringen. Als sicher gilt, dass neben Ehrenamtlichen auch Lehrlinge und Praktikanten in Ausbildung ausgespart werden.

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