Wenn Angela Merkel einmal geht, wer kann dann Kanzler?

Berlin · Noch hat die CDU wenig Veranlassung, darüber nachzudenken, wer einmal den Kanzler-Job machen könnte, wenn Parteichefin Angela Merkel ihn einmal abgibt. Und dennoch: Die Kronprinzenfrage ist immer spannend.

Berlin. Es gab schon einmal einen prominenten CDU-Politiker, der meinte, er sei kein "Alphatier", er wolle kein Kanzler werden: "Mir fehlt der unbedingte Wille zur Macht." Zwei Jahre nach diesem Satz wurde Christian Wulff 2010 aber Bundespräsident. Ein Amt, das Ursula von der Leyen auch gerne gehabt hätte. Gleichwohl ist die 54-Jährige als Arbeitsministerin und CDU-Vizevorsitzende weit mächtiger, als Wulff es damals war. Überraschend war deshalb gestern ihr Hinweis, keine Ambitionen auf das Kanzleramt zu haben. Alle Welt ging bisher vom Gegenteil aus.
"Angela Merkel bleibt Kanzlerin bis mindestens 2017 und es gilt: Jede Generation in Deutschland hat einen Kanzler", sagte sie der Bildzeitung. Eine indirekte Ankündigung also, Merkel nicht beerben zu wollen. Nun ist von der Leyen eine gewiefte Taktikerin. Sie wird wissen, so unumstößlich wie einst der von Wulff ist ihr Satz nicht. Außerdem hat von der Leyen mitbekommen, wie groß der Groll gegen sie ist, nachdem sie der Union die verbindliche Frauenquote ins Wahlprogramm gepresst hat. Parteifreunde behaupten sogar, dass von der Leyen für ein mögliches, nächstes Kabinett Merkel längst nicht mehr gesetzt ist. "Die Kanzlerin hat ein langes Gedächtnis", heißt es. Unlängst machten daher Gerüchte die Runde, die Ministerin schiele schon auf einen Job in Brüssel. Von der Leyens gestriger Vorstoß kann somit auch als Versuch gewertet werden, sich aus der Schusslinie zu ziehen.
Nimmt man sie jedoch beim Wort, stellt sich schon die Frage, welche Machtreserve die Union eigentlich noch hat. Wer kann Kanzler? Die Personaldecke in der zweiten Reihe ist äußerst dünn. Bis zur Niedersachsen-Wahl im Januar hieß es, David McAllister könnte im Schatten Merkels bundespolitisch Karriere machen. Doch er wurde als Ministerpräsident abgewählt. In Berlin gibt es nun zwei Denkrichtungen: Die einen sehen das Talent McAllister als Spitzenkandidaten der Union für die Europawahl 2014, andere glauben fest daran, dass der 42-Jährige nach der Bundestagswahl in ein neues Merkel-Kainett einzieht. Das wäre ein ambitionierter Neustart - auch für die Zeit nach Merkel.
Schaut man auf die Ministerpräsidenten der Union, so findet man fast nur Politiker, die außerhalb ihrer Länder kaum wahrgenommen werden: den Sachsen Stanislaw Tillich, die Thüringerin Christine Lieberknecht, den Sachsen-Anhalter Reiner Haseloff. Einzig die Saarländerin Annegret Kramp-Karrenbauer mischt sich gern ein. Aber das Saarland ist eben nur ein kleines, machtloses Land. Bliebe noch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (61). Er ist zwar stellvertretender CDU-Chef, tritt aber anders als sein Vorgänger Roland Koch bundespolitisch kaum in Erscheinung. Außerdem muss er die Landtagswahl im September gewinnen.
Schaut man in Merkels derzeitiges Kabinett, hat wohl Umweltminister Peter Altmaier das Zeug zum Kronprinzen. Er gilt als klug, loyal und bodenständig. Er steht für einen modernen Kurs der Union, so wie Merkel auch. Nur: Sein glückloses Management der Energiewende hat seinem Image gehörig geschadet. Dann wäre da noch Wolfgang Schäuble. Mit 70 ist er aber auch kein Notkanzler mehr. Der Verteidigungsminister Thomas de Maizière (59) hingegen schon. Seine Unaufgeregtheit passt zu Merkels kühler Attitüde. De Maizière ist ein solider Arbeiter. Er könnte sie mal beerben. Auch wenn er nicht fest in der CDU verankert ist und kein Kanzler der Emotionen wäre. Anders als? Von der Leyen.

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