8000 Bürger stimmen ab

Kell am See · Die Verbandsgemeinde Kell will ihrem Kampf ums Überleben mit einer Bürgerumfrage Nachdruck verleihen. Rund 8000 Einwohner in allen 13 Orten sollen im März darüber abstimmen, ob sie für oder gegen den Erhalt der VG sind. Das hat der Rat am Donnerstagabend einstimmig beschlossen. Doch aus Mainz kommen erneut wenig ermutigende Nachrichten.

Kell am See. Die Verbandsgemeinde (VG) Kell am See soll so bleiben, wie sie ist. Schon im Oktober 2011 hat der Rat sich für den Fortbestand der VG ausgesprochen. Diese Haltung hat das Gremium am Donnerstag einstimmig bekräftigt. Um der Mainzer Landesregierung zu dokumentieren, dass die VG zukunfts- und überlebensfähig ist, wurde ein vierseitiges Papier verabschiedet. In ihm sind die Gründe aufgelistet, die aus Keller Sicht die weitere Existenz der VG rechtfertigen.
KOMMUNAL REFORM


Ihr droht die Auflösung, weil sie die im neuen Landesgesetz zur Kommunalreform vorgegebene Mindestanzahl an Einwohnern (10 000) und Ortsgemeinden (15) nicht erfüllt. Doch das Gesetz lässt Ausnahmefälle "aus besonderen Gründen" zu. Deshalb beinhaltet das Schreiben auch den Hinweis auf die explizit im Gesetzestext erwähnte Lage an der Grenze zu einem anderen Bundesland - dem Saarland. Neben vielen weiteren Punkten setzen die Keller vor allem auf ein Argument. Sie wollen künftig Windräder in eigener Regie betreiben und die damit verbundenen Einnahmen zum Schuldenabbau nutzen. Die organisatorischen Voraussetzungen dafür hat der VG-Rat ebenfalls am Donnerstag beschlossen (ausführlicher Bericht folgt). "Wir werden damit den schlagenden Beweis liefern, dass wir unsere eigene Wirtschaftskraft dauerhaft stärken wollen", betonte CDU-Mann Dittmar Lauer.
Über die im Vorfeld ausgearbeitete Liste wurde im Rat nicht mehr groß diskutiert. "Inhaltlich unterstützen wir das Schreiben", so SPD-Sprecher Manfred Rauber.
Die VG hofft, möglichst bald eine Antwort aus Mainz zu bekommen. Denn die Freiwilligkeitsphase für Fusionen läuft am 30. Juni 2012 aus. "Nur so lange haben wir das Heft des Handelns noch in der Hand", betonte Sascha Kohlmann (CDU).
Dabei wollen die Keller auch die Meinung ihrer Bürger wissen. Einstimmig legte der Rat fest, dass es zunächst eine große öffentliche Informationsveranstaltung zur Kommunalreform geben soll. Danach wird es eine Bürgerbefragung in allen 13 Orten der VG geben (siehe Extra). Nach Ostern wird sich der VG-Rat erneut treffen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Klar ist: Anders als der Bürgerentscheid ist die Bürgerbefragung formal schwächer, da ihr Ergebnis für den VG-Rat keine bindende Wirkung hat. "Sie ist aber natürlich eine wichtige Richtschnur", so Lauer.
Inwiefern die Bemühungen der Keller jedoch Erfolg haben, scheint fraglich. Denn David Freichel, Sprecher des Innenministeriums, sagt auf TV-Anfrage: "Wir würden nach wie vor Verhandlungen und eine Einigung über eine freiwillige Gebietsänderung der VG Kell noch in der Freiwilligkeitsphase sehr begrüßen." Sprich: Das Land fordert die VG erneut zu Fusionsgesprächen auf.
Geschieht das nicht, ist nach dem 30. Juni 2012 der Gesetzgeber am Zug, wobei Freichel klar sagt: "Aus der Sicht des Ministeriums wird an einer Gebietsänderung der VG Kell kein Weg vorbeiführen." Über die Auflösung einer VG kann allerdings nur der Landtag entscheiden.Meinung

Die Luft wird dünn
Es ist zwar verständlich und legitim, dass die VG Kell um ihr Überleben kämpft. Denn gäbe es die Kommunalreform nicht, würde auch keiner die Auflösung dieses im Großen und Ganzen gut funktionierenden Gemeinwesens fordern. Die Bemühungen sind auch insofern nachvollziehbar, weil jeder weiß, dass sich bei einer erzwungenen Fusion der Laden nicht mehr zusammenhalten lässt und es zu einer Zerreißprobe zwischen dem Zerfer und dem Keller Raum kommen wird. Aber die Verantwortlichen in der VG Kell müssen auch die Realität anerkennen. Die jüngsten Aussagen aus Mainz zeigen, dass die Luft für eine Zukunft der VG immer dünner wird. Daran dürfte auch ein klares Bürgervotum für den Erhalt kaum etwas ändern. Ein Hoffnungsschimmer bleibt vielleicht, da gerade das Innenministerium in jüngster Zeit bei einigen Reformvorhaben - man denke an die Debatte um Polizeidienststellen - zurückgerudert ist, als es zu viel Widerstand gab. Denn gegen eine Zwangsfusion nach dem 30. Juni wird sich nicht nur die VG Kell wehren. Es gibt nämlich einen großen Geburtsfehler der vom Ansatz her richtigen Reform des Landes. Bereits 2009 standen die Kriterien wie Einwohnerzahl fest, und es wurden damals 32 VG - zum Beispiel Thalfang - auf die Streichliste gesetzt. Doch die anderen 34 VG, die wie Kell oder zum Beispiel auch Traben-Trarbach die Vorgaben ebenfalls nicht erfüllen, hängen seitdem völlig in der Schwebe. Die Mainzer Regierung sollte ihnen schnell und endlich auch mal schwarz auf weiß mitteilen, ob sie überleben dürfen oder sterben müssen. a.munsteiner@volksfreund.deExtra

Die näheren Details und den Termin der öffentlichen Informationsveranstaltung sowie der geplanten Bürgerbefragung wird der Haupt- und Finanzausschuss der VG am 24. Februar festlegen. Bürgermeister Werner Angsten (CDU) geht aber im TV-Gespräch davon aus, dass das Verfahren ähnlich wie in Zerf verlaufen wird. Dort hatte es erst kürzlich eine Bürgerbefragung gegeben. Es wird nun also per Post voraussichtlich an alle VG-Einwohner über 16 Jahre - insgesamt sind es rund 8000 - ein Zettel mit der Frage verschickt: "Sind Sie für den Erhalt der VG Kell?" Diese kann mit Ja oder Nein beantwortet werden. Der Zettel kann dann in einem Zeitraum von circa zwei Wochen an vorher bestimmten Stellen abgegeben werden. Die Bürgerbefragung wird, so Angsten, "noch in der Fastenzeit", also vor Ostern, über die Bühne gehen. ax

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