Konzer setzen Zeichen gegen Rechts

Konz · Das Terrornetzwerk Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) hatte auch die Konzer Moschee im Visier. Im Gedenken an die Opfer der Extremisten rufen die Stadt, die türkische Gemeinde und das Interkulturelle Netzwerk Konz deshalb alle Bürger auf, am Samstag, 10. März, bei einer Aktion gegen Rechts mitzumachen.

 Aufruf zur Aktion gegen rechte Gewalt: Bürgermeister Karl-Heinz Frieden (links), Abdulvahab Güntepe (Zweiter von links) und Tevhit Yilmaz (rechts) von der türkisch-islamischen Union sowie Renate Heinbeck (Mitte) und Thomas Zuche (Zweiter von rechts) vom Interkulturellen Netzwerk Konz. TV-Foto: Christian Kremer

Aufruf zur Aktion gegen rechte Gewalt: Bürgermeister Karl-Heinz Frieden (links), Abdulvahab Güntepe (Zweiter von links) und Tevhit Yilmaz (rechts) von der türkisch-islamischen Union sowie Renate Heinbeck (Mitte) und Thomas Zuche (Zweiter von rechts) vom Interkulturellen Netzwerk Konz. TV-Foto: Christian Kremer

Konz. Das Interkulturelle Netzwerk Konz will ein Zeichen setzen - ein Zeichen gegen rechtsextreme Gewalt und gegen rechtsradikale Terroristen. Zusammen mit der Stadt Konz und der türkischen Gemeinde haben Thomas Zuche und Renate Heineck für Samstag, 10. März, 11 Uhr, eine Trauer- und Solidaritätsaktion auf dem Konzer Marktplatz geplant.
Unter anderem sind ein halbstündiger Schweigekreis und das Aufstellen von Kerzen vorgesehen, um der 137 Menschen zu gedenken, die seit 1990 Opfer rechtsextremistischer Gewalt geworden sind.
"Es geht darum, gemeinsam gegen Rechtsextremismus aufzustehen", sagt der Konzer Bürgermeister Karl-Heinz Frieden. Die Gesellschaft müsse sich gegen jede Art von Extremismus wehren. Mit der Aktion wolle die Stadt vor allem auch gegen das Wegschauen bei Ausländerfeindlichkeit und extremistischen Auswüchsen eintreten, sagt Frieden.
Das sei besonders wichtig in Kommunen wie der der Stadt Konz. Inzwischen sind laut Verwaltung 100 verschiedene Nationen im gesamten Konzer Stadtgebiet vertreten. In der Kernstadt leben 1345 Bürger, die selbst nach Deutschland zugewandert sind oder deren Vorfahren aus anderen Ländern stammen. Das macht elf Prozent der Gesamtbevölkerung der Kernstadt ohne die Stadtteile aus. Und die Konzer Türken, die einen großen Teil dieser Gruppe ausmachen, sind zurzeit besonders verunsichert. Die türkische Gemeinde in Konz hat vor kurzem erfahren, dass ihre Moschee auf einer Liste des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) stand.
Die Neonazi-Terrorzelle aus Zwickau hat innerhalb von 14 Jahren mindestens zehn Menschen - darunter acht Türken - ermordet, zwei Anschläge verübt und mehrere Banken überfallen. Und sie hat eine Terrorliste erstellt, in der als potenzielle Anschlagsziele mehr als 10 000 Institutionen, Politiker, Kirchen oder Vereine auftauchten - darunter die Moscheen in Konz un in Wittlich.
Das bestätigt die Polizei, es bestehe aber keine unmittelbare Gefahr (siehe Extra). Trotzdem ist die türkische Gemeinde besorgt. "Seitdem wir das erfahren haben, besteht große Unruhe und Angst in der Gemeinde", sagt Tevhit Yilmaz, Sekretär des Vereins Türkisch-Islamische Union (Ditip) in Konz. Der Vorsitzende des Vereins, Abdulvahab Güntepe, spricht sogar davon, dass türkische Familien nach Bekanntwerden des Sachverhalts Angst gehabt hätten, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Die türkische Gemeinde hat sich mit einem Sicherheitsberater der Polizei zusammengesetzt. Früher habe die Tür immer offen gestanden, das habe sich nun verändert, meinte Güntepe. Bundesweit habe Ditip dazu aufgerufen, Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. "Deswegen ist es sehr wichtig, dass sich viele an der Aktion beteiligen", sagt Yilmaz.
Bürgermeister Frieden betont, dass alle Konzer an der Aktion teilnehmen sollten - nicht nur die, die aus einem anderen Land zugezogen sind: "Wir müssen dafür sorgen, dass so etwas nicht wieder passiert", sagt er mit Blick auf die Gewalttaten der NSU.Extra

Terrorliste: Die Terrorliste des Nationalsozialistischen Untergrunds ist laut dem Leiter des Fachkommissariats Extremismus/Terrorismus der Zentralen Kriminalinspektion (ZKI) in Trier mehr oder weniger wahllos zusammengestellt. Allerdings passten alle auf der Liste in das Feindbild der Rechtsextremisten. Eine direkte Gefahr für die Betroffenen bestehe nicht. Trotzdem begrüße er jede Aktion gegen Rechts - solange sie selbst nicht gegen geltendes Recht verstoße, sagt der Kripo-Beamte. Straftaten: Die Region Trier ist laut Polizei keine Hochburg für Rechtsextremisten. Im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Trier sind laut der aktuellstem Polizeistatistik von 2010 74 Straftaten mit extremistischem Hintergrund registriert worden - darunter keine schweren Straftaten. 64 davon waren sogenannte Propagandadelikte, zu denen das Sprühen von Hakenkreuzen oder ähnliche Taten gehören. Sieben Mal ermittelte die Polizei wegen Volksverhetzung. Die rechte Szene sei gut darüber informiert, was erlaubt oder verboten ist. Deshalb registriere die Polizei zum Beispiel bei NPD-Kundgebungen nur selten Straftaten. Rechtsextreme in der Region: Bei rechtsextremen Gruppierungen in der Region - zum Beispiel die Kameradschaft Moselland und die Chaos Crew Bombogen - habe die Polizei durch konzentrierte Maßnahmen die Spitze gekappt, sagt der Extremismusexperte. Eine bekannte Gruppe, die sehr aktiv und berüchtigt ist, ist der Nationale Widerstand Zweibrücken - da besteht laut Polizei auch eine enge Verbindung ins Saarland. Entwicklung: Eine gefährliche Entwicklung macht die Polizei in der Jugendarbeit von rechten Organisationen aus. Vor allem in ländlichen Regionen - vornehmlich in den Bundesländern im Osten Deutschlands - versuchen Rechte, Lücken zu schließen, die Gemeinden und Kirchenorganisationen nicht mehr gefüllt bekommen. Probleme bereiten der Polizei auch die sogenannten autonomen Nationalisten. Diese Gruppe tritt seit etwa zehn Jahren verstärkt auf und entspricht nicht mehr dem Klischee des glatzköpfigen, Springerstiefel und Bomberjacke tragenden Neonazis. Mit ihrer schwarzen Kleidung (Kapuzenpullis, Windjacken, Kappen und Sonnenbrillen) und ihren Aktionsformen greifen sie Muster der linksautonomen Szene auf, so dass die Polizei die Fronten kaum noch optisch unterscheiden kann. cmk

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