Nach 120 Jahren Eisenbahngeschichte: Wird Hermeskeil endgültig vom Schienennetz abgehängt?

Hermeskeil · Gibt es noch eine Zukunft für die Bahntrasse zwischen Hermeskeil und Türkismühle? Das ist ungewisser denn je. Der Hunsrückbahnverein ist noch Pächter der seit Sommer 2012 gesperrten Strecke. Er will sie nun aber endgültig an einen anderen Betreiber abgeben. Alle fahrfähigen Züge sind inzwischen aus dem Hermeskeiler Bahnhof gerollt.

 Nur noch ein ausgeschlachteter Schienenbus und andere schrottreife Gefährte sind auf den Gleisen vor dem Hermeskeiler Bahnhofsgebäude übrig geblieben. Alle fahrfähigen Züge und Waggons sind hingegen weg.

Nur noch ein ausgeschlachteter Schienenbus und andere schrottreife Gefährte sind auf den Gleisen vor dem Hermeskeiler Bahnhofsgebäude übrig geblieben. Alle fahrfähigen Züge und Waggons sind hingegen weg.

Foto: Axel Munsteiner

Vor dem Hermeskeiler Bahnhofsgebäude bietet sich seit wenigen Tagen ein trauriges Bild. Dort stehen nur noch schrottreife, ausgeschlachtete Schienenfahrzeuge. Alles, was noch rollen konnte, ist weg. "Wir haben mit einer Ausnahmegenehmigung etwa 60 Fahrzeuge abtransportiert. Sie gehören meist fremden Eigentümern und gehen jetzt an diese zurück", sagt Bernd Heinrichsmeyer dem TV.

Der frühere Geschäftsführer der Hochwaldbahn-Gesellschaft (HWB) ist Vorsitzender des Hunsrückbahnvereins. Dieser gehörte zwar zum HWB-Verbund, war aber nicht direkt von der Insolvenz mehrerer HWB-Teilgesellschaften betroffen (der TV berichtete).

Der Verein hatte 2003 die Strecke Hermeskeil-Türkismühle von der Deutschen Bahn (DB) Netz AG gepachtet. Er war das verantwortliche Infrastrukturunternehmen für diese Linie, auf der bis Sommer 2012 Güterzüge und Schienenbusse für Ausflugsfahrten rollten. Als dann aber die Betriebsgenehmigung auslief, wurde sie vom Land nicht mehr verlängert. Es gebe "sicherheitsrelevante Mängel", hieß es damals.

Jetzt hat der Verein im Internet eine Ausschreibung veröffentlicht. Darin kündigt er an, dass er die Strecke abgibt. Interessenten können sich bis 15. April melden. "Wir kommen damit einer gesetzlichen Vorgabe nach", sagt Heinrichsmeyer.

Das bestätigt Joachim Winkler vom Mainzer Verkehrsministerium: "Nach den Regelungen des Eisenbahngesetzes ist es verbindlich notwendig, vor einer Stilllegung der Strecke diese einem Dritten zur Übernahme anzubieten. Das Verfahren fällt in den Zuständigkeitsbereich des letzten genehmigten Infrastrukturbetreibers, also in diesem Fall der Verein Hunsrückbahn."

Es gibt zwei Interessenten

Heinrichsmeyer betont, dass dieser Schritt sehr schwer falle. Die Strecke lasse sich aber nicht mehr wirtschaftlich betreiben, und "ohne Perspektive für den weiteren Verlauf können wir das nicht weiter aus eigener Kraft stemmen". Damit spielt Heinrichsmeyer darauf an, dass in der anderen Richtung die Pläne zur Wiederbelebung der Trasse Hermeskeil-Morbach auf Eis liegen. Die Anrainerkommunen haben davon Abstand genommen, diese Strecke der DB Netz abzukaufen. "Dieser Zug ist abgefahren", hatte der Hermeskeiler Bürgermeister Michael Hülpes kürzlich im TV gesagt. Heinrichsmeyer beklagt daher die "fehlende Unterstützung" der Politik und nennt deren Verhalten "kurzsichtig".

Ob sich ein Abnehmer für die Strecke Hermeskeil-Türkismühle findet, ist noch offen. Es gebe zwei Interessenten, so Heinrichsmeyer. Es wird in der Ausschreibung aber klar darauf hingewiesen, dass auf den neuen Betreiber in den nächsten fünf Jahren hohe Investitionen zukommen. Deren Gesamtkosten werden auf über zwei Millionen Euro beziffert, wobei fast die Hälfte auf die nötige Sanierung der Bahnbrücke Lösterbachtal entfällt.

Der Verein hatte bisher pro Jahr 22.000 Euro Pachtzins gezahlt. 2003 hätte der Kauf der Strecke 880.000 Euro gekostet. Aktuelle Werte für den Kauf oder die Pachthöhe habe die DB Netz nicht genannt, heißt es in der Ausschreibung. Findet sich kein Abnehmer, muss der Hunsrückbahnverein einen Antrag auf Stilllegung der Strecke stellen. Meinung

Großes DilemmaDie Entwicklung kommt alles andere als überraschend, ist aber nicht nur aus Sicht von Eisenbahn-Nostalgikern bedauerlich: Es ist gut möglich, dass mit dem aktuellen Abtransport der noch fahrfähigen Züge die knapp 120-jährige Epoche des Eisenbahnverkehrs in Hermeskeil zu Ende gegangen ist. Denn für die Zukunft der Strecke nach Türkismühle sieht es schlecht aus. Die Frage ist: Welcher neue Betreiber soll anbeißen, wenn er erst einmal zwei Millionen Euro investieren muss, um dann seine Züge auf einer Strecke rollen zu lassen, die in Hermeskeil in einer Sackgasse endet? In der Tat lässt sich ein Zugverkehr in Hochwald und Hunsrück wohl nur dann wirtschaftlich betreiben, wenn es einen Lückenschluss geben würde - also der Abschnitt nach Morbach reaktiviert würde und dann durch die vom Land nach wie vor geplante Wiederaufnahme des Personenverkehrs vom Flughafen Hahn nach Frankfurt eine ununterbrochene Verbindung bestünde. Doch eins scheint klar zu sein: Da die notwendigen Investitionen zwischen Hermeskeil und Morbach wohl jeden privaten Investor abschrecken werden, müsste die öffentliche Hand einspringen. In Zeiten akuten Geldmangels ist das aber kaum vertretbar. So bleibt das Dilemma, dass es einerseits wünschenswert wäre, wenn am Rande des künftigen Nationalparks das umweltfreundliche Verkehrsmittel Bahn erhalten bliebe - doch dass dafür andererseits die finanziellen Mittel fehlen.
a.munsteiner@volksfreund.deExtra: Die Strecke Hermeskeil-Türkismühle

Der Abschnitt Hermeskeil-Türkismühle wurde 1897 als Teil der Hochwaldbahnstrecke eröffnet. Er ist 23 Kilometer lang. Davon liegen etwa vier Kilometer auf rheinland-pfälzischem Gebiet. Der Rest liegt im Saarland. Vom Hermeskeiler Bahnhof aus machten sich früher Tausende Hochwälder auf den Weg zu ihrer Arbeit in den saarländischen Kohlegruben und Stahlwerken. Der Personenverkehr nach Türkismühle wurde 1969 eingestellt. Im weiteren Verlauf der Hochwaldbahnstrecke wurde der Abschnitt Hermeskeil-Trier-Ruwer 1998 stillgelegt. Auf dieser Trasse wurde der 2009 eröffnete Ruwer-Hochwald-Radweg gebaut. Der Abschnitt Hermeskeil-Morbach ist Teil der sogenannten Hunsrück-Querbahnstrecke. Er ist ebenfalls seit 1998 stillgelegt

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