Schmucker Ort mit Dschungel-Bahn

KORDEL. Der Ort im Kylltal hat seit Bestehen der Ferntrecke Trier-Köln von seinem Bahnanschluss mitten im Ort profitiert. Doch seit das Unternehmen privatisiert und in verschiedene Einzelbetriebe gespalten wurde, hat das traditionell gute Verhältnis zwischen der Ortsgemeinde und den Bahnleuten Kratzer bekommen.

Schon bei der Einfahrt in die Bahnhofstraße fällt auf, dass der äußerst gepflegte Ortskern durch den ungepflegten Bahnkörper erheblich beeinträchtigt wird: marode Begrenzungszäune und Mauern, wucherndes Unkraut und Gestrüpp auf dem Bahnkörper. So sah es in Kordel nicht immer aus - dieser Zustand hat sich erst im Lauf der vergangenen Jahre eingestellt. Viele Kordeler betrachten den fortschreitenden Verfall und Wildwuchs mit Verärgerung. Auch Ortsbürgermeister Medard Roth, der sich die Klagen anhören muss und regelmäßig um Intervention bei der Bahn AG gebeten wird. Roth: "Als das Unternehmen noch Bundesbahn hieß und unter staatlicher Regie stand, waren die Anlagen tadellos gepflegt. Heute wird außerhalb des Gleiskörpers nur noch das Allernötigste getan." Das Problem sei, dass man bei der "neuen" Bahn auch keine Ansprechpartner mehr finde. "Alles ist unterteilt in Einzelbetriebe, von denen keiner mehr zuständig sein will", schimpft der Ortsbürgermeister.Unlesbarer Fahrkartenschalter

Bei vielen Missständen handele es sich im Grunde nur um Kleinigkeiten, so Roth, doch "das summiert sich irgendwann und wird zum Dauerärger". Das gelte für den auf ein Minimum zurückgeschraubten Kundenservice: Der einstige Fahrkartenschalter im Bahnhof wurde geschlossen. An seine Stelle trat ein leuchtend roter Automat auf dem offenen Bahnsteig. Allerdings ist der so ungünstig platziert, dass im Sommer voll die Sonne draufscheint und das Display unkenntlich macht. Roth: "Wir wollten im Sommer einen Gruppenausflug machen. Da haben wir 20 Minuten gebraucht, um an dem Ding eine Fahrkarte zu ziehen. Auch die einzige in Kordel verbliebene Bahnmitarbeiterin kam nicht damit zurecht. Allerdings ist die auch für die Signale zuständig." Mehrere Beschwerden und Bitten Roths, den Automaten doch einfach ein Stück zu drehen, blieben ohne Antwort. So gilt der rote Kasten weiterhin als erste Hürde für Bahnkunden. Und besonders betroffen sind die Älteren. Ein gefährliches Ärgernis sind auch die hohen alten Bäume auf dem innerörtlichen Bahngelände an der Kyll. Sie wurden schon seit Jahren nicht mehr zurückgeschnitten. Im Sommer bilden sie eine dichte Trennwand zwischen den Ortsteilen links und rechts von Gleiskörper und Kyll. Schwerer wiegt für den freiwilligen Feuerwehrmann Roth die Gefährdung, die von den Bäumen ausgeht: Die abgestorbenen Äste fallen direkt in die Kyll und verstopfen bei Hochwasser den Durchfluss unter der Kyllbrücke. Auch am Bahnübergang vor der Brücke herrscht Wildwuchs. Nur noch einmal im Jahr wird das Grünzeug auf dem Bahnkörper geschnitten. Selbst jetzt - im November - nach Ende der Vegetationsphase, bildet dieser Urwald einen merkwürdigen Kontrast zur sauber hergerichteten Bahnhofstraße. "Das ist unsere Einkaufsstraße und sozusagen die gute Stube von Kordel", sagt Roth. "Wenn es hier ein so verwildertes Privatgrundstück gäbe, hätte ich den Besitzer längst angesprochen. Aber bei der Bahn ist das zwecklos." Morsch und verwittert ist der Jägerzaun, der den Gleiskörper vorschriftsmäßig von der Straße abgrenzen soll. Nicht besser sieht es aus, wo statt des Zauns eine verwitterte Betonmauer für Trennung sorgt. Wenigstens der Zaun müsstekomplett erneuert werden. Für die Bahn wäre das ein billiges Vergüngen, denn nach dem Gesetz käme dann allein die Ortsgemeinde für die Kosten auf, obwohl der Zaun zum Bahngelände gehört. "Der bisherige Gipfel" war nach Meinung Roths jedoch die Sache mit dem geplanten Bahnhofsverkauf (wir berichteten). "Es zeugt nicht gerade von vertrauensvoller Zusammenarbeit, wenn der Ortsbürgermeister erst aus der Presse erfährt, dass der örtliche Bahnhof veräußert werden soll und die Gemeinde dabei ein Vorkaufsrecht hat." Daran sehe man schon, wie die Bahn ihre Anliegergemeinden einstufe, resümiert Medard Roth.

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