Dämmerung oder Morgenrot

Trier · In Trier wird zunehmend intensiv über die Zukunft des Theaters diskutiert. In der jüngsten Stadtratssitzung machten CDU und SPD deutlich, dass sie nicht gewillt sind, weiter Geld in die Gebäudesanierung zu stecken, wenn es nicht bald ein Gesamtkonzept gibt. Derweil regt der Koblenzer Oberbürgermeister eine engere Theater-Kooperation an.

Trier. Auslöser der Grundsatzdebatte war eine drastische Steigerung laufender Sanierungskosten auf mehr als zwei Millionen Euro. Der Rat genehmigte Zusatzausgaben für einen behindertengerechten Fahrstuhl, verweigerte aber seine Zustimmung zur Anschaffung eines angeblich für den Brandschutz unerlässlichen Wassertanks, der eine halbe Million Euro verschlingen soll.
Der in dieser Form bislang einmalige Protest ließ schlagartig klar werden, wie heftig derzeit zumindest in den großen Fraktionen um die Zukunft des Theaters gerungen wird. "Wir sollen laufend Entscheidungen treffen, ohne das Ziel zu kennen", bringt CDU-Sprecherin Dorothee Bohr das Dilemma auf den Punkt: "Wollen wir überhaupt noch Theater? Wenn ja, an welcher Stelle? Und falls das Theater an Ort und Stelle bleibt: Wie soll es laufen?". Kollege Markus Nöhl von der SPD liegt da gar nicht weit weg: "Wenn wir über die Infrastruktur entscheiden sollen, dann müssen wir wissen, für welche Sparten." Aber eine konzeptionelle Diskussion, so der Sozialdemokrat, "ist in der Vergangenheit versäumt worden".
In den Fraktionen bröckelt es


Dabei sind Bohr und Nöhl als kulturpolitische Sprecher bekennende Theater-Fans. Aber in ihren Fraktionen bröckelt, wie man hinter den Kulissen hört, angesichts der elenden städtischen Finanzsituation die Unterstützung für das bislang als Einrichtung unangefochtene Theater. Zumindest so lange keine tragfähige Langfristplanung auf dem Tisch liegt, die finanziell Machbares und kulturell Unverzichtbares unter einen Hut bringt.
Was die Stadträte fuchst, ist der Umstand, dass sie Jahr für Jahr Millionenbeträge in den Erhalt des Gebäudes am Augustinerhof stecken müssen, ohne einer substanziellen Verbesserung des generalsanierungsbedürftigen Gemäuers näherzukommen. Am Ende könnte eine weitgehende Entkernung stehen, oder doch ein Neubau - auch wenn Kulturdezernent Thomas Egger diese Option offenbar gar nicht erst weiter verfolgen will. In diesen Fällen wären die Millionen-Investitionen futsch. Nicht zu reden von einer Schließung des Hauses oder einer Umwandlung in ein Gastspiel-Theater - mit völlig anderem Raumbedarf.
Angesichts des wachsenden Drucks hat sich Egger zumindest in einem Punkt festgelegt: "Bis zum Jahresende" will er ein Konzept vorlegen, das die Frage der Struktur, des Angebots und damit auch des baulichen Bedarfs des Trierer Theaters klärt. Auf dieser Basis könnte dann der Stadtrat entscheiden, wie es weitergeht.
Spannende Impulse aus Koblenz


Einen spannenden Dreh bringt der Koblenzer Oberbürgermeister Joachim Hofmann-Göttig in die Sache. Der hat zwecks Haushaltssanierung für 2012/13 nicht nur die Erhöhung der Theaterpreise und die Reduzierung des künstlerischen Personals auf die Agenda gesetzt, sondern auch - man höre und staune - die "verbindliche Kooperation mit dem Theater Trier".
Dabei ist offenkundig an mehr gedacht als den gelegentlichen Austausch von Produktionen. Die Sache wird um so interessanter, wenn man den Ghostwriter kennt, den Hofmann-Göttig seit kurzem als offiziellen Spar-Berater seiner Stadt (ehrenamtlich) engagiert hat: Der ehemalige Trie rer ADD-Präsident Josef-Peter Mertes hat den Rotstift geschwungen und dabei auch Grausamkeiten nicht ausgelassen. In seiner ursprünglichen Vorlage hat er sogar einen Dreier-Bund der Theater Koblenz, Trier und Kaiserslautern vorgesehen - das schien Hofmann-Göttig wohl fürs Erste etwas zu heikel.
Aber in Trier wird er wohl demnächst auflaufen. In einem Interview der Rheinzeitung wies er dieser Tage schon mal auf den Umstand hin, "dass beide Oberbürgermeister gut befreundet sind und unser Intendant Markus Dietze Trier sehr gut kennt". In der Tat: Der Koblenzer Theaterchef, Sohn des langjährigen Baudezernenten Peter Dietze, ist in Trier aufgewachsen.Meinung

Offen und öffentlich diskutieren
Es wird ernst in Sachen Theater. Die Hoffnung mancher Akteure, man müsse sich nur wegducken und etwas an der Sparschraube drehen, erweist sich als trügerisch. Der Druck der Finanzen ist einfach zu groß. Jetzt muss zügig und gründlich gearbeitet werden. Vor allem sind die richtigen Fragen in der richtigen Reihenfolge zu klären. 1. Wie wichtig ist den Trie rern ihr Theater? Wie wichtig ist es den Nachbarkreisen, ihren Bürgern ein solches Angebot zu erhalten? 2. Welche Art von Theater wird angestrebt? Welche Angebote sind wichtig? 3. Mit welcher Struktur kann man diese Angebote gewährleisten? Und wie kann man diese Struktur am effektivsten realisieren? 4. Wie schafft man finanzielle und organisatorische Voraussetzungen, um das künstlerische Konzept umzusetzen? Dabei hat es keinen Sinn, die Diskussion mit Tabus zu beginnen. Generalsanierung, Neubau oder Flickschusterei? Vollsortimenter mit Drei-Sparten-Angebot oder Arbeitsteilung mit anderen Häusern? Alles darf erwogen, muss geprüft werden. Denkverbote bringen nichts, wenn am Ende eine Lösung stehen soll, die von vielen Schultern getragen wird. Es muss offen diskutiert werden, und öffentlich. Experten sind als Berater unerlässlich, Entscheidungen muss der Stadtrat treffen. Und das alles ziemlich schnell. d.lintz@volksfreund.de

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