Der Unbequeme

Seine Thesen zur Integrationswilligkeit muslimischer Einwanderer sind umstritten, sein Buch wurde in Deutschland heiß diskutiert: Thilo Sarrazin hat mit seinem Werk „Deutschland schafft sich ab“ einen Nerv getroffen. Im Mai kommt der Autor mit seinem Politik- Sachbuch nach Prüm und stellt sich dort der Diskussion.

Thilo Sarrazins Buch "Deutschland schafft sich ab" hat nach Erscheinen im August 2010 einen riesigen Medienwirbel verursacht. Politiker, Autoren, Meinungsmacher - es gibt kaum ein Buch in Deutschland, zu dem so viele Menschen öffentlich Stellung bezogen haben. Und innerhalb weniger Monate katapultierte sich das Buch des ehemaligen Finanzsenators von Berlin und einstigen Bundesbankvorstands nach ganz oben auf die Bestsellerlisten und wurde das meistverkaufte Politik-Sachbuch eines deutschen Autors des Jahrzehnts. Und noch eineinhalb Jahre nach Erscheinen kochen die Emotionen hoch, wenn der Autor sich auf Lesereise begibt. Am Donnerstag, 10. Mai, wird er in der Aula der Ex-Hauptschule in Prüm beim Eifel- Literatur-Festival zu Gast sein.

Thilo Sarrazin ist nicht für seine diplomatische Wortwahl bekannt. Wer austeilt, darf nicht zimperlich sein im Einstecken. Das musste er nach Erscheinen seines Buchs "Deutschland schafft sich ab". Und auch heute noch erregt sein Buch die Gemüter. Er sei der "Ghostwriter einer verängstigten Gesellschaft" schreibt Frank Schirrmacher in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Die Taz nennt ihn "Oberkrawallschachtel", und die Berliner Zeitung diagnostiziert bei ihm "Horizontverengung". Aber es gibt auch viele Befürworter seiner Thesen. Darunter die Autoren Ralph Giordano, Monika Maron und Matthias Matussek. Aber auch SPDPolitiker wie zum Beispiel Hamburgs ehemaliger Bürgermeister Klaus von Dohnanyi stellen sich hinter ihn.

Was steht in dem Buch, und warum hat Thilo Sarrazin es geschrieben? Ein Erklärungsversuch:

Sarrazin möchte, dass seine Nachfahren in 50 Jahren noch in Deutschland leben, in dem die Verkehrssprache Deutsch ist und die Menschen sich als Deutsche fühlen, in einem Land, das seine kulturelle und geistige Leistungsfähigkeit bewahrt und weiterentwickelt hat, in einem Land, das eingebettet ist in einem Europa der Vaterländer. Seine Sorge: Deutschland laufe durch seine demografische Entwicklung Gefahr, sich aufzulösen. Die Tüchtigen und Intelligenten bekommen nur wenige Kinder, während die Faulen und Dummen - Deutsche genauso wie Migranten mehr Kinder bekommen. Dadurch senke sich das Leistungsniveau der Nation auf Dauer ab, so Sarrazin.

Bisher nicht richtig geglückt sei die Integration von Menschen aus muslimischen Herkunftsländern, behauptet Sarrazin. Auch in der Arbeitsmarktpolitik muss sich seiner Meinung nach etwas ändern. So fordert er, verstärkt Anreize zu schaffen, um Hartz-IV-Empfänger wieder ans Arbeiten zu bringen, zum Beispiel indem man die Grundsicherung absenkt oder verpflichtende Gegenleistungen einfordert.

Um seine Thesen zu untermauern, bewertet er reihenweise Statistiken, fügt endlos Fußnoten mit Quellenverweisen in seinen Text. Gerade für den "biologischen Inhalt" seines Werks, wenn er mit Hilfe der Darwin‘schen Evolutionstheorie, den Mendel‘schen Gesetzen die Vererbbarkeit von Intelligenz erklärt, erhielt er viel Kritik. So schreibt er, dass sich der Mensch kulturell bedingt, durch selbst gesteuerte Auswahl, um den einzigen nachwachsenden Rohstoff, den Deutschland hat, nämlich die Intelligenz, relativ und absolut in hohem Tempo vermindert. Oder anders gesagt: Da immer mehr Kinder im Unterschichtmilieu geboren werden, geht Deutschland die geistige Elite verloren.

Rassistischen Populismus werfen ihm Kritiker vor, andere loben seinen Mut, Dinge auszusprechen, die sich in Deutschland keiner mehr zu sagen traut, wenn er nicht sofort in der rechten Ecke landen will.

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