Musiklegende der frühen 1930er Was die Comedian Harmonists mit Trier verbindet

Trier/Berlin · Die Comedian Harmonists waren Stars – bis sie 1935 verboten wurden. Ihr vorletztes Konzert in Deutschland fand in Trier statt.

 Vor 86 Jahren spielten die legendären Comedian Harmonists ihr vorletztes Konzert in Deutschland – im Treviris-Saalbau.

Vor 86 Jahren spielten die legendären Comedian Harmonists ihr vorletztes Konzert in Deutschland – im Treviris-Saalbau.

Foto: privat

Sprache und Bilder verschleiern. Mit ihrer Hilfe wird manipuliert, werden politische Agenden gesetzt. Vom NS-Regime werden bald nach der Machtübernahme Sprachregelungen vorgegeben. Jüdische Künstler werden in der Berichterstattung getilgt. Wenn das nicht als ausreichend angesehen wird, kommt es zu Mimikry – man verkauft die Kopie als Original, so auch in Trier. Dies dokumentieren die Auftritte der Comedian Harmonists am 24. März 1934 und des Meistersextetts vier Jahre später, am 4. April 1938.

Angekündigt wird das Konzert der Comedian Harmonists, einer der erfolgreichsten Musikgruppen der frühen 1930er Jahre, in der Treviris im März 1934 mit einer Tuschezeichnung. Sie zeigt die Porträts von Robert Biberti (Bass), Erich A. Collin (Zweiter Tenor), Erwin Bootz (Pianist), Roman Cycowski (Bariton), Ari Leschnikoff (Erster Tenor) und Harry Frommermann (Tenorbuffo).

Im April 1938 gibt es wieder ein Konzert in Trier, für das mit der gleichen Zeichnung geworben wird. Auf der Bühne des Grenzlandtheaters – das war identisch mit dem Stadttheater – am 4. April 1938 steht an diesem Abend aber das Meistersextett. Mit dabei sind noch Biberti, Leschnikoff und Bootz. Nicht mehr mit dabei: Collin, Cycowski und Frommermann. Die Reichsmusikkammer hatte im Februar 1935 die Aufnahme der drei Sänger in ihre Reihen abgelehnt, da sie Juden waren. Fred Kassen (Tenorbuffo), Alfred Grunert (Zweiter Tenor) und Herbert Imlau (Bariton) übernahmen im Meistersextett nach einigen Personalwechseln die Rollen der drei im Jahr 1935 zunächst nach Wien emigrierten Bandmitglieder.

Für die beiden Comedian-Harmonists-Experten Jan Grübler und Theo Niemeyer ist die Zweitverwertung der Tuschezeichnung übrigens ein Novum. „Üblicherweise gingen die Klischees der Anzeigen nach den Konzerten wieder an die Konzertagenturen zurück“, sagt Grübler, der die Website www.comedian-harmonists.net mitbetreut. „Trier ist meines Wissens die einzige Stadt, in der diese Porträts im Jahr 1938 für das Meister­sextett verwendet wurden. Im Jahr 1937 wurde mit ihnen in Karlsruhe und in Nürnberg geworben“, ergänzt Niemeyer, der einen Teil des Comedian-Harmonists-Archivs verwaltet.

Der legendäre Festsaal in der Treviris ist beim Konzert am 24. März 1934 der Comedian Harmonists voll besetzt. Karl Werding berichtet im Trierischen Volksfreund über den „interessanten“ Abend. „Der Beifall überstieg alles bisher an dieser Stelle Dagewesene und erzwang nicht weniger als fünf Zugaben“, schreibt er. Seine Konzertkritik stellt gleich zu Beginn klar: „Wer die ‚Comedian Harmonists‘ sind, braucht man niemanden zu sagen; beinahe jedes Kind weiß es, denn in den Rundfunkprogrammen beinahe eines jeden Tages stößt man auf diesen Namen.“ Was Werding in seiner Kritik unterschlägt, sind die Namen der Musiker.

Als letzte prominente Künstlergruppe mit jüdischen Mitgliedern standen die Comedian Harmonists in dieser Zeit schon erheblich unter Druck. 14 Tage vor dem Konzert in Trier wird der geplante Auftritt der Gruppe in Hof auf Betreiben einiger Bürger untersagt, weil die bayerischen Sicherheitsbehörden „Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ befürchteten. Ein Konzert in München am 13. März sollte verboten werden, in letzter Minute wird die Verbotsverfügung aufgehoben – unter der Auflage, dass die Presse nicht über diesen Abend berichtet. Vermutlich beim Konzert in der Stuttgarter Liederhalle am 20. März kommt es zu massiven Störungen des Abends durch Nazis im Publikum.

Ernsthafte Aufregung um den Auftritt der Comedian Harmonists in Trier scheint es nicht gegeben zu haben. Allein der englischsprachige Bandname provoziert in dieser dunklen Zeit. So schreibt der Kritiker der Trierischen Landeszeitung in seiner Rezension: „Bedauerlich bleibt auf alle Fälle, dass eine so ausgezeichnete künstlerische Leistung unter fremder Flagge segelt. Deutsche Tüchtigkeit sollte unter allen Umständen stolz auf eine unzweideutig deutsche Bezeichnung sein.“

Die hatten die drei in Deutschland verbliebenen Sänger schnell gefunden. Ihre Gruppe nannten sie ab 1935 „Meistersextett, früher genannt Comedian Harmonists“. Hans Römer berichtet im April 1938 für den Trierischen Volksfreund vom Auftritt des neuen Ensembles: „Da stehen sie wieder einmal vor uns, diese sechs Herren im Frack, überstrahlt vom Licht der Scheinwerfer. Ein kurzer Akkord auf dem Flügel und es beginnt ein Wiegen und Singen, dass schon allein der Anblick dieser frohen Sänger, die ja so jungenhaft geblieben sind, wie sie immer waren, begeistert.“ Mit keinem Wort geht Römer darauf ein, dass hier nicht mehr das Original-Sextett auf der Bühne steht. Ob er es nicht besser wusste?

Ein namentlich nicht genannter Rezensent bespricht dieses Konzert für die Trierische Landeszeitung. Er schreibt: „Dieses Sextett, Ari Leschnikoff, Alfred Grunert und Fred Kassen (Tenöre), Herbert Imlau (Bariton), Robert Biberti (Bass) und Erwin Bootz (Klavier), hat sich seinen Ruhm bereits unter dem Namen ‚Comedian Harmonists’ erworben, bevor sie diese englische Bezeichnung vor einigen Jahren in die deutsche Meister-Sextett umwandelten.“ Der Rezensent greift hier eine Diskussion auf, die schon 1934 über den Namen Comedian Harmonists geführt wurde – sie lehnten seinerzeit eine Änderung ihres Namens ab, da er sich als Marke längst etabliert hatte. Hier dürfte sicher sein, dass der Autor bewusst verschleiert hat, dass am 4. April 1938 nicht das Original auf der Bühne stand.

Das lässt sich auch anhand der Setlist feststellen (siehe Info). Statt der bekannten Schlager der Comedian Harmonists singt das Meistersextett hauptsächlich Volkslieder. Etwas, was die Kritiker sehr wohlwollend zur Kenntnis nahmen: „Eine weitere Eigenart ihres Könnens ist die Aufnahme auch des banalen Liedes in ihr Programm. Das Meistersextett nimmt sich seiner an, sobald nur etwas ‚Gekonntes oder Gelungenes‘ in ihm enthalten ist“, schreibt beispielsweise der Trierer Kirchenkomponist Joseph Kröll (1887 – 1972) in seiner Rezension für den Trierischen Volksfreund.

Konzerte der Comedian Harmonists und des Meistersextetts endeten regelmäßig mit dem Lied „Auf Wiederseh’n“ von Mischa Spoliansky (1898 – 1985). Ein Lied dieses Komponisten zu singen, hatte im NS-Staat durchaus etwas Subversives: Spoliansky war Jude, seine Kompositionen galten bei den Nazis als „entartet“, da sie regelmäßig auch Jazzelemente aufgriffen. Er emigrierte bereits 1933 nach London.

Mit den Comedian Harmonists gab es nach dem Konzert am 24. März 1934 in Trier kein Wiedersehen. Es war ihr vorletztes Konzert im Deutschen Reich. Einen Tag später traten sie noch einmal in Hannover auf. Es folgten noch etliche Auftritte im Ausland, darunter am 12. Juni 1934 auf dem Flugzeugträger USS Saratoga – das Konzert wurde via Funk auf alle im Hafen von New York versammelten Schiffe der US-Atlantik- und Pazifikflotte übertragen.

 Comedian Harmonists in Trier. Foto: Stadtarchiv Trier

Comedian Harmonists in Trier. Foto: Stadtarchiv Trier

Foto: Stadtarchiv Trier
 Original und „Fälschung“: Die Trierer Konzerte der Comedian Harmonists (oben, 1934) und des Meistersextetts (1938) wurden mit dem gleichen Bild beworben.

Original und „Fälschung“: Die Trierer Konzerte der Comedian Harmonists (oben, 1934) und des Meistersextetts (1938) wurden mit dem gleichen Bild beworben.

Foto: Stadtarchiv Trier

Aufgelöst hat sich das Ensemble nach seinem letzten Auftritt am 23. Januar 1935 in Frederikstad (Norwegen) im Februar – die Reichsmusikkammer lehnte die Aufnahme der Sänger Erich A. Collin, Roman Cycowski und Harry Frommermann in ihre Reihen ab. Damit endet die Geschichte der Comedian Harmonists nach sieben Jahren, in denen sie die Musikwelt revolutionierten. Die brillanten Entertainer verdienten dank guter Verträge mit Schallplattenfirmen, Rundfunkanstalten und der Filmindustrie ein Vermögen – von dem ihnen jedoch am Ende wenig blieb. Alle sechs Ensemblemitglieder überleben den Zweiten Weltkrieg, kommen danach aber nie wieder zu einem gemeinsamen Treffen zusammen. Nur gelegentlich trafen sich noch einzelne Ensemblemitglieder.

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