Erste Schritte auf unbekanntem Terrain

Trier · Eine "Nullte" und zwei "erste Werke" - das 4. Sinfoniekonzert am kommenden Donnerstag verspricht gleich mehrere Entdeckungen. Darunter ist Antonin Dvoráks völlig unbekanntes Klavierkonzert op. 33 vielleicht die interessanteste.

 Spielt am Donnerstag Dvoráks Klavierkonzert: der 32-jährige Koreaner William Youn. Foto: privat

Spielt am Donnerstag Dvoráks Klavierkonzert: der 32-jährige Koreaner William Youn. Foto: privat

Trier. Wäre das 4. Sinfoniekonzert des Trierer Theaters ein Fußballspiel, die Komponisten des Abends würden nicht gerade zur U 21 gehören, aber in die Altherrenriege hätte man sie auch nicht abgeschoben. Jean Sibelius schrieb das Schlussstück seiner "Lemminkäinen-Suite" ("Lemminkäinen zieht heimwärts") mit 30 Jahren, Dvorák sein Klavierkonzert mit 35 und Peter Tschaikowsky seine 1. Sinfonie mit 26 Jahren.
Was die Altersangaben nicht verraten: Jedes dieser Stücke ist ein Anfang, ein Schritt auf unbekanntes Gebiet. Die "Lemminkäinen-Suite" gilt als die "Nullte" von Sibelius, Dvorák stieg mit seinem Klavierkonzert ins Konzert-Komponieren ein, und der Titel "1. Sinfonie" bei Tschaikowsky spricht für sich. Das hat diesen Kompositionen im Musikleben nicht sonderlich gut getan. Tschaikowskys Erste und die "Lemminkäinen-Suite", die sich um einen Helden aus dem finnischen Nationalepos "Kalevala" dreht, stehen bei Interpreten und Publikum meist in zweiter Reihe. Antonin Dvoráks Klavierkonzert op. 33 gar ist fast völlig in Vergessenheit geraten.
Vielleicht war es nicht bombastisch genug: Die Orchesterbesetzung ist vergleichsweise bescheiden - zu Streichern und Holzbläsern kommen nur zwei statt der üblichen vier Hörner, dazu zwei Trompeten; auf Posaunen und Tuba hat Dvorák ganz verzichtet.
Aber auch in dieser relativ kleinen Besetzung steht das Orchester im Mittelpunkt. "Dvorák hatte beim Komponieren vor allem den Orchesterklang im Ohr", sagt William Youn, Solist im Trierer Sinfoniekonzert (siehe Extra). Gerade der langsame Mittelsatz besticht mit weit ausholenden, "erzählenden" Bläserstimmen über introvertierten Klavier-Figuren.
Die Idee, das Konzert auszugraben, hatte Dirigent Joongbae Jee, der auch das übrige Programm zusammenstellte. Jee: "Vor einem Jahr haben Herr Youn und ich uns in München persönlich kennengelernt und sofort über Dvoráks Klavierkonzert gesprochen." Youn ergänzt: "Für mich ist es eine tolle Herausforderung. Live habe ich das Konzert noch nie gehört, und ich spiele es am Donnerstag zum ersten Mal."
Noch etwas ist ungewöhnlich: Der tschechische Klavierprofessor Vilèm Kurz hat den Klavierpart neu gefasst - effektvoller, vielleicht auch klaviergerechter. Es ist wohl das einzige Klavierkonzert, in dem die Alternativ-Version pianistisch aufwendiger ausfällt als das Original. "Ich spiele trotzdem die Originalfassung", sagt Youn. Denn hinter dem unspektakulären Klaviersatz stehe eine kompositorische Idee. Youn: "Es ist eine Sinfonie mit Klavier."
Tschaikowskys Erste wurde im Herbst 2014 in der Philharmonie ziemlich problematisch auf "groß" getrimmt. Dabei ist die Besetzung auch hier eher bescheiden, Posaunen und Basstuba kommen erst im Finale dazu. Aber diese Sinfonie hat eine Leichtigkeit und Frische, die sie deutlich abheben von der Gefühlsschwere des späteren Tschaikowsky. Der passende Schluss zu diesem Programm. mö
4. Sinfoniekonzert, Donnerstag, 22. Januar, 20 Uhr, Theater Trier. William Youn, Klavier, Philharmonisches Orchester Trier, Leitung: Joongbae Jee.
Extra

William Youn (32) begann seine Ausbildung zum Pianisten in seiner Heimat Südkorea. Mit 13 Jahren wechselte er ans New England Conservatory in Boston, mit 18 an die Musikhochschule Hannover in die Pianistenklasse von Karl-Heinz Kämmerlin (später Bernd Goetzke). Youn gewann international Preise, etwa den Cleveland International Piano Competition, den Busoni Wettbewerb in Bozen und den Concours Reine Elisabeth in Brüssel. 2011 bekam er in München den Bayerischen Kunstförderpreis. 2013 erschien die erste CD einer Reihe mit Mozarts Klavierwerken. mö

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