Neue Programme und leise Hoffnungen

Luxemburg · Seit David Reiland 2013 das Orchestre de Chambre du Luxembourg übernommen hat, weht dort ein anderer Wind. Der Belgier hat Musik aus dem 19., dem 20. und sogar dem 21. Jahrhundert ins Programm gehoben. Da war das Konzert in der Philharmonie mit Mozart und Tschaikowsky fast eine Ausnahme. Im April dirigiert Reiland ein Sinfoniekonzert in Trier.

Luxemburg. Es war ein anderes Publikum als sonst in der Philharmonie, vor allem ein jüngeres. Um das Orchestre de Chambre du Luxembourg (OCL) zu hören, drängten sich am Sonntag an die 250 Musikfreunde in den Kammermusiksaal, viele unter 40, dazu einige Kinder und alle in Alltagskleidung. Das Orchester hat ganz offensichtlich seine Zuhörer gefunden.
Das war nicht immer so. Seit David Reiland im Jahr 2013 das Kammerorchester des Staates Luxemburg übernommen hat, musste sich die Formation erst einmal ein neues Publikum suchen. Reiland schmiss das bislang barock-betuliche Programm komplett um, setzte auf Musik von der Romantik bis zur Moderne und nahm in Kauf, dass erst einmal die Zuhörer wegblieben. "Wir brauchten unbedingt ein neues Image", sagt er rückblickend.
Das hat man sich mittlerweile erspielt, und auch im ziemlich konventionellen Mozart-Tschaikowsky-Programm an diesem Nachmittag distanzierten sich Reiland und seine Musiker von verzärtelten Mozart-Klischees und tränenseliger Romantik. Die "Don Giovanni"-Ouvertüre: ein unsentimentaler, konturen- und akzentstarker Mozart, dramatisch, aber frei von romantischer Düsternis und ohne Scheu vor präsenten, bisweilen überpräsenten Bläsern im Orchester. Das A-Dur-Violinkonzert (KV 219): Solist Pascal Monlong (energisch, gelegentlich zu gradlinig), Reiland und das mal hellhörig dezente, mal offensiv auftrumpfende Orchester machten das Werk zum Theaterstück ohne Worte. Und Tschaikowskys "Mozartiana" - bei Reiland und seinem Orchester setzt Tschaikowsky zwar die Mozart-Perücke auf und zitiert dessen "Ave Verum", aber er bleibt Tschaikowsky - emotionsstark, klangfüllig und mit virtuos gespielten Solopartien. Es war eine Freude zuzuhören.
Wahrscheinlich waren etliche der jungen Musiker auf der Bühne noch gar nicht geboren, als Pierre Cao und Joseph Groben 1974 das Orchester gründeten - damals als "Les Musiciens". Und es brauchte Jahrzehnte, bis das privat organisierte und finanzierte Orchester 2004 zum offiziellen Kammerorchester des luxemburgischen Staates aufstieg. Was an der finanziellen Situation wenig änderte. Derzeit muss das Orchester mit 400 000 Euro aus den luxemburgischen Staatskassen auskommen. Das reicht nicht für ein festes Ensemble, und darum arbeitet man beim OCL projektbezogen.
Es sei "eine ständige Baustelle", sagt Reiland. Aber mittlerweile doch mit einer erstaunlichen Stabilität: "Fluktuation haben wir derzeit überhaupt nicht." Dabei ist die Besetzung international: Luxemburg, Belgien, Frankreich, Deutschland und noch weitere Länder Europas.
Reilands Aktivität beschränkt sich nicht auf das OCL. Er gehört mit Martin Folz zum Leitungsteam des Robert-Schuman-Chors, ist im angesehenen Barock-"Orchestra of the Age of Enlightment" aktiv, arbeitet mit Simon Rattle, Mark Elder und Roger Norrington, wurde als Gastdirigent an die Oper St. Etienne verpflichtet und wird demnächst das Nationalorchester Lothringen und das Litauische Nationalorchester dirigieren. Am 16. April ist Reiland Gastdirigent im 6. Trierer Sinfoniekonzert. Nachdem das Metzer Orchester den Trierern die kalte Schulter zeigte, sind damit auch leise Hoffnungen verbunden. Vielleicht, so Triers Generalmusikdirektor Victor Puhl, entwickele sich ja mit dem OCL eine engere Zusammenarbeit.
Weitere Termine des OCL: Sonntag, 22. März, 17 Uhr, Werke von Ives, Pütz und Piazzolla. Anise Weile, Klavier, Pierre Kremer, Trompete. Leitung: David Reiland;
Sonntag, 10. Mai, 17 Uhr, Werke von Strawinsky, Haydn und Ravel. Cathy Krier, Klavier, Dirigent David Reiland.
Extra

... David Reiland, Dirigent des Orchestre de Chambre du Luxembourg. Herr Reiland, Sie werden am 16. April das 6. Trierer Sinfoniekonzert dirigieren. Wie kam es dazu? David Reiland: Ich habe vor einem Jahr Victor Puhl kennengelernt, und wir haben uns ganz spontan zur Zusammenarbeit entschlossen. Victor hat mir vorgeschlagen, in Trier ein Sinfoniekonzert zu dirigieren. Das habe ich gerne angenommen. Nun hofft Victor Puhl auch, dass die Trierer Philharmoniker und das Orchestre de Chambre gemeinsam auftreten. Halten Sie das für realistisch? Reiland: Ja, absolut. Künstler haben immer den Wunsch, neue Kollegen zu treffen und mit ihnen zusammenzuarbeiten, gerade über Grenzen hinweg. Trier ist nicht weit, wir sind zu zweit immer stärker. Und wir beide brauchen die Kontakte zu anderen Musikern. Es sieht aber so aus, als sei die musikalische Zusammenarbeit über die Grenze hinweg eine schwierige Angelegenheit ... Reiland: Ja, in der Tat, es ist schwierig. Aber das liegt nicht an den Künstlern, davon bin ich fest überzeugt. Nach meiner Ansicht fehlt für grenzüberschreitende Strukturen und grenzüberschreitende Aktivität die politische Unterstützung. Da liegt das Problem. Die Politiker sind zwar mit Worten gerne dabei, zeigen sich aber wenig großzügig, wenn es um die Finanzen geht. Öffentliche Mittel sollen nach Ansicht der Politik im eigenen Land ausgegeben werden und nicht für so etwas wie Ausflüge. Aber wir brauchen die politische Unterstützung, damit unsere Wege etwas einfacher werden. mö

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