Umfangreich und unpolitisch

Die Ausstellung "Raue Schönheit. Eifel und Ardennen im Blick der Künstler" im Trierer Simeonstift dokumentiert gut ein Jahrhundert künstlerischer Auseinandersetzung mit der heimischen Landschaft. Freilich wirft sie wegen ihrer politischen Zurückhaltung auch Fragen auf.

Trier. Thomas Schnitzler ist kein Diplomat. Er wirft der Ausstellung "Raue Schönheit" im Städtischen Museum schlicht und deutlich "Geschichtsklitterung" vor. Es sei, so der Historiker gegenüber dem TV, "absolut bedenklich", dass das Stadtmuseum ganz unkommentiert Werke "eines hochrangigen Mittäters der Kunstpropaganda zeigt, ohne ein Wort über Bedeutung der Landschaftsmalerei im Zusammenhang der Kriegspropaganda zu verlieren".

Die Kritik Schnitzlers, der sich in Trier unter anderem durch seine "Stolpersteine"-Aktion profiliert hat, zielt vor allem auf Hanns Sprung (1884-1948). Der Ausstellungskatalog erklärt diesen Maler zum "bedeutendsten Künstler der Region Mittelrhein" und erwähnt nebenbei, dass Sprung seit 1933 künstlerischer Leiter der städtischen Gemäldesammlung in Koblenz war.

Schon seit 1929 Parteimitglied



Wie sich Sprung in dieser Funktion verhielt, bleibt offen. Schnitzler belegt indes, dass der Maler bereits 1929 Mitglied der NSPAP wurde. Auch andere Künstler in der Eifel-Ausstellung geraten ins Visier des engagierten Historikers, freilich zum größeren Teil mit eher vagen Vorwürfen ("arbeitete unter dem nachweislichen Zwang der NS-Propaganda"). Schließlich moniert Schnitzler, dass das KZ-Schicksal des luxemburgischen Malers Guido Oppenheim (ermordet 1942 in Theresienstadt) im Katalog nur beiläufig erwähnt wird.

Museumsleiterin Elisabeth Dühr lehnt dazu eine Stellungnahme ab. Sie habe keinen Anhaltspunkt gefunden, ob und wie die wenigen in den 30er und 40er Jahren entstandenen Arbeiten einiger Künstler in der Ausstellung Verflechtungen mit dem NS-Regime aufwiesen. In der Tat beziehen sich Schnitzlers Einwände nur auf ein kleines Segment der Schau. Deren Spektrum umfasst den großen Bereich der Landschaftsmalerei, seit die Künstler die Eifel und Ardennen entdeckten. Die Organisatoren, an ihrer Spitze Projektleiterin Dorothee Henschel, haben dazu zahlreiche Leihgaben gewinnen können.

Zu den gewichtigsten gehören William Turners "Rocher de Bayard" von 1839, eine Bleistiftzeichnung von Victor Hugo, eine eigenwillige "Totenmaar"-Darstellung des 17-jährigen Max Ernst und Karl Schmidt-Rottluffs "Gemündener Maar" (1936). Bedeutende Exponate aus Belgien und Luxemburg demonstrieren, dass Eifel und Ardennen zwar politisch geteilt, aber als Landschaft eine Einheit waren - gerade aus Sicht der Künstler.

So ist die Ausstellung mehr als eine kunsthistorische Dokumentation. Sie schärft den Blick des Betrachters für die landschaftlichen Schönheiten der Region und den Umgang der Künstler mit diesen Schönheiten. Beeindruckend zu verfolgen, wie Mitte des 19. Jahrhunderts romantische Idyllik abgelöst wird von einer ausdrucksbewussten Malweise, die zum traditionellen Schönheitsideal deutliche Distanz bezieht.

Welche Kontraste tun sich auf zwischen Heinrich Funks romantischem Eifelmotiv "Abendstimmung" (1838), Jean Louis Kehrmanns markanter "Eifellandschaft" (1889) und der surrealen Farbigkeit in Pitt Kreuzbergs "Weg zum Totenmaar" (1925).

Hanns-Sprung-Preis in Koblenz verliehen



Dabei eröffnet die Ausstellung gerade in ihrer historisch-politischen Zurückhaltung ein vernachlässigtes Themenfeld. In Hanns Sprungs Heimatstadt Koblenz vergibt die "Arbeitsgemeinschaft Bildender Künstler am Mittelrhein" (AKM) seit 1974 einen Hanns-Sprung-Preis, der im Jahr 1989 an den Trierer Jakob Schwarzkopf und 1991 an Peter Otten aus Mehren fiel. Eine Anfrage des TV an den Verein wurde bisher nicht beantwortet.

Meinung

Unerledigte Aufgaben

Halten wir fest: Es gibt in dieser Ausstellung keinerlei Nazi-Kunst. Es gibt keine pseudo-idyllische Blut-und-Boden-Thematik, keinen zweifelhaften Heroismus und erst recht keine Monumentalplastiken à la Josef Thorak oder Arno Breker. Das behauptet auch Thomas Schnitzler nicht. Seine Kritik bezieht sich auf die Katalogtexte. Und da bleibt allerdings anzumerken, dass die Ausstellungsmacher ihre Ressourcen offenbar in anderen Bereichen der Schau eingesetzt haben. Lücken klaffen nicht nur in den Biografien von Hanns Sprung oder Guido Oppenheim, mancher Besucher wüsste sicherlich gerne, was mit "Eifelmaler" Fritz von Wille in den immerhin 23 Jahren zwischen 1918 und seinem Tod 1941 geschah. So schmilzt der Konflikt, der sich in heftigen Vorwürfen von Thomas Schnitzler und einer verweigerten Stellungnahme des Stadtmuseums entladen hatte, auf eine kleine Differenz und eine wichtige Aufgabe zusammen. Selbstverständlich wäre eine Ergänzung der Katalogtexte sinnvoll. Und es gibt gute Gründe, das Thema "Sprung" neu und sorgfältig aufzuarbeiten. Aber noch wichtiger wäre: Die Geschichte der Trierer Kunstszene (übrigens: auch der Musikszene!) in der NS-Zeit umfassend, detailliert und abseits von politischen Klischees aufzuarbeiten. Doch die Ausstellung "Raue Schönheit" mit ihrer völlig anders angelegten Thematik ist dafür das falsche Feld. m.moeller@volksfreund.de

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