Zu Gast in der koscheren Küche Hühnersuppe macht warm ums Herz

Trier · Die jüdische Küche ist koscher – doch was bedeutet das genau? Mitglieder der Kultusgemeinde Trier haben Einblicke in ihre kulinarische Welt gegebenen und damit verbundene Geschichten und Traditionen erklärt.

Stimmungsvoller Rahmen für das koschere Festessen: der Saal im historischen Gebäude des St.-Nikolaus-Hospitals.

Stimmungsvoller Rahmen für das koschere Festessen: der Saal im historischen Gebäude des St.-Nikolaus-Hospitals.

Foto: Anne Heucher

Hummus

Trier Hummus ist hierzulande bekannt. Unter Auberginenmus und „gefillte Fisch“ kann man sich zumindest etwas vorstellen. Doch bei Tschulent, Chalwamus und Napoleonkuchen stehen Fragezeichen in den Gesichtern der Gäste im gediegen renovierten Saal des ehemaligen St. Nikolaus-Hospitals gleich vor der Porta Nigra. Die jüdische Kultusgemeinde Trier bereitet dort eine Woche lang täglich ein koscheres Festessen zu und tischt es im stimmungsvollen Ambiente des Pop-up-Restaurants SIMfonie direkt über dem „Sim“ den rund zwei Dutzend Besuchern an einer langen Tafel auf. „Wir sind hier, um einen schönen Abend zu verbringen“, sagt Oskar Baraev als Vertreter des Gastgebers. Im Hintergrund läuft dezent Klezmer-Musik.

Tschulent, den Eintopf aus Kartoffeln, Kalb- und Rindfleisch, Möhren, Zwiebeln und Gewürzen, gibts auch vegetarisch.

Tschulent, den Eintopf aus Kartoffeln, Kalb- und Rindfleisch, Möhren, Zwiebeln und Gewürzen, gibts auch vegetarisch.

Foto: Anne Heucher

Der Student mit Kippa ist einer der rund 460 Mitglieder der jüdischen Gemeinde Trier, in der gemeinsames Essen und familiärer Zusammenhalt eine große Rolle spielen. An diesem Abend moderiert Baraev die Abfolge von neun Gerichten, erklärt jüdische Speisevorschriften oder Traditionen, beschreibt Rezepte und beantwortet Fragen. Koscher bedeute „tauglich und zum Essen geeignet“, erklärt er. Schon im Alten Testament seien die Regeln benannt, etwa keine Insekten zu verzehren. Ein koscherer Wein sei folglich einer, in dem nicht aus Versehen ein Insekt mit gekeltert worden sei. Um das auszuschließen, werde der Herstellungsprozess eigens kontrolliert. Dabei achten die Beteiligten auch darauf, dass der Weinberg alle sieben Jahre eine Pause bekomme, ein „Sabbatical“, in dem die Bewirtschaftung ruhe. Dagegen sind die Regeln beim Bier unkompliziert: Was nach dem deutschen Reinheitsgebot gebraut sei, könne als koscher gelten, versichert Baraev.

Es war die Idee von Kulturdezernent Markus Nöhl, den Austausch zwischen der jüdischen Gemeinde und anderen Einwohnern von Trier zu fördern. Und so brachte er deren Vorsitzende Jeanna Bakal und den Chef des Restaurants Sim, Alexander Brittnacher, zusammen. Brittnacher hatte jüngst die erste Etage des historischen St.-Nikolaus-Hospitalsgebäudes denkmalgerecht renoviert und einen stilvollen Raum mit farbiger Beleuchtung für Bewirtungen samt Porta-Blick geschaffen. „Essen und Trinken öffnen das Herz“, sagte Nöhl dem TV. Deshalb sei die Veranstaltung eine charmante Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen. Es war bereits das zweite Mal, dass die koschere Woche stattfand – auch dank der Kochkünste von drei ukrainischen Frauen, die erst kürzlich in der Trierer Gemeinde angekommen sind.

Beim koscheren Mahl durfte die Hühnersuppe mit Matzeknödel nicht fehlen, ein Klassiker, „jüdisches Penicillin“, so Baraev. „Es macht warm ums Herz“, sagt er, und komme seit jeher im jüdischen Haushalt vor. Auch eine vegetarische Variante gibt es davon – wie überhaupt die fleischlose Küche kein Problem ist in der koscheren Küche, deren wichtiges Gebot darin besteht, Milch- und Fleischkonsum strikt zu trennen, bis hin zu unterschiedlichem Besteck.

Und zu allen Gerichten gibt’s Geschichten. Der aus Russland stammende Napoleonkuchen etwa hat seine Wurzeln in den Jubiläumsfeiern zum Sieg über den französischen Kaiser. Zwölf feine Schichten machen ihn aus – für zwölf gewonnene Schlachten. Und manchmal bekommt er die dreieckige Form in Anspielung auf den Hut der Franzosen, den Dreispitz.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Vom erwischt werden
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael BoltonVom erwischt werden
Zum Thema
Aus dem Ressort