Bürgerpflicht

Es ist doch alle Jahre das Gleiche: Da ließe sich der Sonntag so schön verplanen - Spaziergang mit der Familie, Kaffeeklatsch mit Oma und Opa oder Sportprogramm im Fernsehen - und dann kommt die Einberufung als Wahlhelfer.

Einen Tag lang Stimmzettel ausgeben, Personalausweise kontrollieren und am Abend Stimmzettel auszählen. Aber, Jammern hilft nicht, Bürgerpflicht ist Bürgerpflicht und der Dienst als Wahlhelfer bekanntlich ein Ehrenamt. Also, adieu Spaziergang, Kaffeklatsch, adieu Fernseher und - adieu Märker Kirmes. Wobei letzteres natürlich besonders ärgerlich ist. Da sitzt der zwangsverpflichtete Wahlhelfer vor Stimmzetteln, Umschlägen und Namenslisten, und während gerade kein Wähler da ist, verschwimmt das Wahllokal vor dem inneren Auge, und stattdessen erscheint ein Bild von der Kirmes. Da stehen sie alle am Bierstand. Der Kurt und der Eddi sind da und prosten sich zu. Die Kinder kommen quietschvergnügt aus Richtung Karussell gelaufen, mit Lebkuchenherzen auf der Brust und Zuckerwatte in der Hand. Aber, Wahl ist Wahl, und Bier ist Bier, und Dienst ist Dienst, auch wenn es ein ehrenamtlicher ist. Und überhaupt, irgendwer muss es ja machen, tröstet sich der Wahlhelfer, und der Blick fällt wieder auf Stimmzettel, Umschläge und Namenslisten. Die Tür geht auf, ein buntes Lebkuchenherz schiebt sich in den Raum. Eddi kommt wählen. "Komm grad von der Kirmes" sagt er. "Trinken wir da nachher noch einen?" (len)

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