Ein Zeuge wird verurteilt

WITTLICH. Weil er das Ansehen der Polizei in der Öffentlichkeit nachhaltig beschädigt haben soll, wurde ein Mann, der ursprünglich nur Zeuge war, zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Ihm wird Verleumdung der Polizei im Zusammenhang mit dem Totschlag in Manderscheid im Februar vorgeworfen

"Ich lüge nicht, ich wollte einfach helfen." So lauteten die Abschlussworte des Angeklagten in dem dreistündigen Verfahren beim Wittlicher Amtsgericht, das sich aufgrund eines Übersetzer-Einsatzes und immer wieder nötiger Nachfragen der Richterin langwierig gestaltete.Das Gericht glaubte dem angeklagten Iraner, dem aufgrund einer zu geringen Straferwartung kein Pflichtverteidiger zustand, nicht. Es verurteilte den Mann - wie vom Staatsanwalt gefordert - zu sechs Monaten Haft auf Bewährung. Hinzu kommt eine Arbeitsauflage von 150 Stunden, damit die Verurteilung spürbar sei, so Richterin Iris Scholten in ihrer Urteilsbegründung.

Es ging auch um Beleidigung der Polizei

Zweimalige Verleumdung der Polizei, einmal in Tateinheit mit einer falschen Verdächtigung wurde dem gebrochen Deutsch redenden Angeklagten zur Last gelegt. Außerdem wirft ihm das Gericht Beleidigung der Polizei und Missbrauch des Notrufs vor. All das im Zusammenhang mit dem Totschlag, der sich im Februar dieses Jahres in Manderscheid in einer Nachbarwohnung des Angeklagten zugetragen hatte (siehe Hintergrund).

Der Iraner hatte am Tattag mehrfach die Polizei angerufen und darauf hingewiesen, dass der Nachbar - wie so oft - randaliert hatte. Die Polizei kam am frühen Nachmittag. Da sie laut Einsatzbericht jedoch keine Spuren tätlicher Auseinandersetzung fand und der angetrunkene Nachbar sich einsichtig zeigte, verließen die Beamten das Haus, ohne weiter einzugreifen. Als die wiederum herbeigerufene Polizei gegen 21 Uhr das Haus betrat, war die Frau bereits tot.

Streitpunkte vor Gericht: Inhalt und Zahl der Anrufe

Das Gericht untersuchte nun die Frage: Was ist dran an der Aussage des Angeklagten, er habe die Polizei gegen 16 Uhr angerufen, um zu sagen, dass der Nachbar seine Frau mit einem Messer bedrohe, doch die Polizei habe darauf nicht reagiert. Die Aussage hatte der Angeklagte sowohl bei seiner Vernehmung durch die Polizei als auch im Gespräch mit dem TV gemacht.

Die Liste der aufgezeichneten Notanrufe hatte einen solchen Anruf nicht angezeigt. Und nach der Befragung des vernehmenden Polizisten war sich die Richterin sicher: Der Anruf hat nicht stattgefunden. Die Erklärung des Angeklagten, das Handy habe wohl nicht funktioniert, tat die Richterin als Schutzbehauptung ab. Der Angeklagte hatte erklärt, er habe beim Telefonieren in seinem Wohnungsflur mit schlechtem Empfang gestanden und voller Angst die schlecht schließende Tür zugehalten. Vor der Tür habe der Nachbar seine Frau mit einem Messer bedroht.

Für Scholten war klar: Mit der ursprünglichen Aussage des Angeklagten, die auch im TV veröffentlicht worden war, ist der Eindruck erweckt worden, die Polizei sei Schuld am Tod der Frau. Der Angeklagte habe damit das Ansehen der Polizei nachhaltig geschädigt. Das sei kaum wieder gut zu machen.

Strittig vor Gericht war auch die Frage: Wie oft hatte der Angeklagte die Polizei am Tattag angerufen? Zehn Mal soll der Iraner bei seiner Vernehmung angegeben haben, drei Mal ergab die Überprüfung der Notrufe.

Bei dem Vorwurf der Beleidigung sah es die Richterin als entlastend an, dass der Angeklagte geständig war. Unter mehrfacher Beteuerung, es täte ihm leid, er sei nervös gewesen, hatte er zugegeben, kurz nach der Tat einen Polizisten am Telefon als Schwein bezeichnet zu haben. Da er diese Mitteilung auf der Notrufnummer gemacht hatte, wurde dem Angeklagten auch Missbrauch des Notrufs vorgeworfen. Gegen das Urteil ist Berufung und Revision möglich.

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