Viele Grundschüler müssen den Ranzen mittags packen

Trier · Die Zeit, in der die Schulen als Halbtagsbetrieb ihre Schüler pünktlich zum Mittagessen nach Hause schickten, ist längst vorbei. Sie müssen sich - vor allem bei Grundschülern - auch mit der Rolle der Betreuungseinrichtung anfreunden. Das funktioniert noch nicht überall, wie es soll.

Trier. Als Bundesfamilienministerin Kristina Schröder vorige Woche eine Allensbach-Studie zur Situation der Familien in Deutschland vorstellte, gab es eine bemerkenswerte Erkenntnis: Nicht mangelnde finanzielle Unterstützung ist das Hauptproblem junger Eltern, sondern die Schwierigkeit, Erziehung und Beruf unter einen Hut zu bringen. Zwei Drittel aller Betroffenen stufen die Situation als unbefriedigend ein. Oft im Mittelpunkt der Kritik: fehlende verlässliche Betreuungsmöglichkeiten.
Fast keine Angebote nach 17 Uhr


Die Politik hat reagiert und in den vergangenen Jahren bei Krippen und Kitas das Angebot ordentlich aufgestockt. Was Eltern freilich nicht viel nützt, wenn ihr Nachwuchs in die Grundschule kommt. Auch dort wird in Sachen Betreuung nachgebessert, doch Interessenvertreter wie IHK-Hauptgeschäftsführer Arne Rössel machen in der Region Trier noch große Lücken aus.
In 14 Prozent der Schulen gebe es keinerlei Betreuungs-Optionen, sagt Rössel, und für die Zeit nach 17 Uhr und für die Ferien seien "bei uns fast keine Angebote vorhanden".
Wo Ferienfreizeiten für Kinder angeboten werden, gibt es reichlich Nachfrage. So wie bei der Matthias-Grundschule in Trier. 30 der 150 Schüler waren in den Sommerferien für drei Wochen mit von der Partie, ein Landeszuschuss machte es möglich, den Elternbeitrag auf fünf Euro pro Tag zu begrenzen.
"Wir hatten starke ehrenamtliche Hilfe", erzählt Schulleiterin Christina Steinmetz. Freilich kommt eine solche Initiative nur zustande, wo sich die Schule - über ihre normalen Pflichten hinaus - darum kümmert. Schließlich, sagt Steinmetz, "muss das alles halt organisiert sein".
Genau das ist das Problem vieler Betreuungsangebote in der Region.
Wo es Schulleiter, Träger und Elternvertreter gibt, die sich in der Sache kräftig engagieren, haben die Eltern die Wahl. Wo nicht, da haben sie oft Pech.
Das reicht der Wirtschaft nicht aus. Die Betreuungslücken, so heißt es beim Deutschen Industrie- und Handelstag, stellten in Zeiten des Mangels an qualifizierten Arbeitskräften "Eltern und Arbeitgeber vor große Schwierigkeiten". Die immer stärker geforderte Flexibilität bei den Arbeitszeiten und die häufige Arbeitstätigkeit beider Elternteile sorgten für ganz neue Anforderungen, auf die sich die Schulen einstellen müssten.
Nicht alles, was bundesweit gefragt ist, spielt in der Region Trier eine große Rolle. So berichten viele Betreuungs-Träger, ihre Nachfragen bei Eltern hätten wenig Interesse für den Spätnachmittag ab 17 Uhr ergeben. Dagegen gibt es offenkundig eine starke Nachfrage für den Freitagnachmittag, bei dem auch die Ganztagsschulen bislang eine Lücke aufweisen.
Zuschüsse für die Betreuung


Das Land Rheinland-Pfalz setzt neben den Ganztags-Einrichtungen auf "betreuende Grundschulen" und bezuschusst die Betreuung durch Eltern-Initiativen, Schulträger oder Sozialeinrichtungen mit 1500 bis 2000 Euro pro Jahr und Gruppe.
Im Gegenzug müssen die Organisatoren den Einsatz von qualifiziertem Personal sicherstellen. Gezielte inhaltliche Schwerpunkte wie etwa die von der IHK geforderte Sprachförderung sind dabei allerdings bisher die Ausnahme.
Um Qualität und Quantität des Angebots zu verbessern, setzt die Kammer auf eine verstärkte Zusammenarbeit von Schulen und Wirtschaft.
Man werde, sagt Arne Rössel, "beide Seiten zu weiteren Kooperationen ermuntern".Meinung


Nicht nur fordern, auch selbst machen

Von Dieter Lintz

Es ist verständlich, dass die Wirtschaft auf ein möglichst optimales Betreuungsangebot bei den Grundschulen drängt. Es hat lange gedauert, aber so langsam begreifen alle, dass die demografische Entwicklung die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt umkehren wird: Unternehmen konkurrieren um qualifizierte Arbeitskräfte - nicht umgekehrt. Es kommt darauf an, vorhandene Ressourcen optimal zu nutzen, wenn der Standort Deutschland wettbewerbsfähig bleiben soll. Da wird es höchste Zeit, die Vereinbarkeit von Elternschaft und Berufstätigkeit substanziell zu verbessern. Und dafür sind verlässliche, kontinuierliche und flächendeckende Betreuungsangebote eine wichtige Komponente.
Aber das allein wird das Problem nicht lösen. Die Wirtschaft sollte nicht nur fordernd auf die öffentliche Hand zeigen, sondern überlegen, was sie selbst tun kann, um vor allem Frauen die Kombination von Erziehung und Arbeit zu erleichtern. Die Kooperation mit Betreuungsangeboten vor Ort ist dabei eine Option, die Förderung, zum Beispiel durch die Übernahme von Kostenbeiträgen, eine andere.
Mindestens ebenso wichtig ist aber, die Abläufe in den Unternehmen selbst familienfreundlicher zu gestalten. Dafür zu sorgen, dass die Wahrnehmung von Elternzeit nicht zum Karriereknick führen muss. Mitarbeiter(innen), die "nebenbei" eine Familie managen, nicht als Belastung für den Betrieb zu begreifen, sondern als Chance. Teilzeitkräfte nicht auf Nischen-Jobs abzuschieben, weil es bequemer ist.
Nur wenn die Wirtschaft in unserer Region da beim Umdenken etwas flotter in die Puschen kommt, kann sie von den Schulen mit gutem Recht das Gleiche verlangen.
d.lintz@volksfreund.de

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